Ist er anders???

Austausch über gemachte Bezness-Erfahrungen in diesem Land

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Leonessa
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Re: Ist er anders???

Beitrag von Leonessa » 22.03.2013, 19:13

Ich habe hier mal einen Erfahrungsbericht für Euch, den zu lesen ich einem nächsten Anverwandten aus drohendem Anlass zur Pflichtlektüre gemacht hatte :

Im Bett mit und ohne

In der Vorhautdebatte kam eine Frage zu kurz: Ändert sich der Sex, wenn sie weg ist? Leider ja. Ein Erfahrungsbericht.von Niels Juel

Sanft und langsam? Geschichte, sagt unser Autor. Seit er keine Vorhaut mehr hat, muss er härter und schneller stoßen.
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Eigentlich hatte ich geschworen, meinen Mund zu halten. Aber jedes Mal, wenn wieder über die Beschneidung von Jungen debattiert wird, werde ich Zeuge eines bizarren Spektakels. Auf der einen Seite gibt es die Männer, die als Kind beschnitten wurden und nie etwas anderes kannten. Auf der anderen Seite Männer, die noch ihre Vorhaut haben und auch nichts anderes kennen. Wenn sie diskutieren, ist es schon schräg.

Noch absurder wird es, wenn sich auch Frauen einschalten. Dann kommt der Moment, an dem ich sagen möchte, dass ich bei einem guten Dutzend Geburten geholfen habe, und sie alle nicht wehtaten – mir nicht.

Wenn wir indes die religiöse und politische Rhetorik beiseite lassen, bleibt die Beschneidung von Jungen so schlicht wie klar eine sexuelle Verstümmelung. Ich weiß das, weil ich selbst als Erwachsener beschnitten worden bin. Ich hatte ein Sexualleben vor meiner Beschneidung und habe eins danach – ich kann vergleichen.

Meine Geschichte beginnt 1974 in einer Nacht in Oxford. Miriam und ich liebten uns zum ersten Mal, dann wollte sie reden. Nicht den üblichen Small Talk – so ein Mädchen ist sie nie gewesen –, sondern über Religion.
„Bist du ein Mitglied des Stammes?“
Sie hatte gerade eine ihrer Roth-Händle-Zigaretten gedreht, als sie mich ansah und die Gegend unterhalb meines Nabels fixierte. Jetzt, dreißig Jahre später, kann ich ihre Frage immer noch hören. Sie lautete: „Wie ist es? Bist du ein Mitglied des Stammes oder nicht?“

Abraham war also der Dritte in unserem Bunde. Und der interkulturelle Austausch danach war der Anfang vom Ende für meine Vorhaut. Aber das wusste ich natürlich noch nicht.

Ein paar Monate später lehnte sich ein Chirurg über mich, entfernte ein paar Zentimeter Haut – und ich musste nach und nach feststellen, dass viel von dem Gerede über die Beschneidung erstaunlich wenig fundiert ist.

Ich war 18. Religion war nie ein Teil des Lebens meiner Familie. Meine Mutter war evangelisch, die Familie meines Vaters jüdisch. In ihrem Inneren trugen die beiden die Erfahrung der deutschen Besatzung Dänemarks – das Wissen wurde fast in ihre DNA geschrieben: wie Religion als Instrument verwendet wird, das Menschen trennt und Leben zerstört. Zu Hause diskutierten wir nie über Religion. Nie.

Mein Großvater hatte in einem visionären Moment beschlossen, den alten biblischen Namen der Familie zu ändern. Dieser Großvater hatte meinen Vater auch gelehrt, dass Schweinefleisch wirklich gut schmeckt – besonders mit einer dicken, sahnigen Sauce. Kurz: Die Familie meines Vaters war ganz und gar assimiliert. Ich musste erst Miriam treffen, um über meine Wurzeln nachzudenken.

Mein Interesse an Religion und Abraham erreichte seinen Höhepunkt, als ich auf dem OP-Tisch lag und beobachtete, wie der Chirurg ein Lokalanästhetikum in die Unterseite meines Penis injizierte. Dann griff er zur Schere. Ein paar Minuten später lag meine Vorhaut in einem Mülleimer, ich im Aufwachbett, und meine blutige Männlichkeit war mit einer dicken Schicht Gaze abgedeckt.

Heftige Schmerzen

Aus chirurgischer Sicht war der Eingriff gut verlaufen. Doch ich erlebte in den Tagen danach heftige Schmerzen. Ich frage mich bis heute, wie Erwachsene es verantworten, dass sogar neugeborene Jungen diese Schmerzen durchleben müssen. Wer sagt, das es nicht wehtut, sollte einmal versuchen, in den Tagen nach dem Eingriff auf dem Bauch zu schlafen. Auch das Pinkeln war nicht gerade lustig – allein meinen Penis zu halten war schmerzhaft. Ich konnte damit umgehen. Aber Kinder? Muss das sein?

Vor dem Eingriff hatte ich mehrere Ärzte befragt. Ich hatte über das Verfahren und seine Folgen gelesen und mir war – wieder und wieder – versichert worden, dass eine männliche Beschneidung in jedem Fall eine Win-win-Erfahrung ist.

Aber es war und ist nicht die Zeit, in der man wirklich fragt, warum die Vorhaut als eine Art Neandertal des männlichen Körpers dargestellt wird, als evolutionäre Sackgasse. Warum also der Eichel ihre Hülle genommen werden muss, warum ein Stück Haut mit Zehntausenden von Nervenenden amputiert werden soll und die Empfindlichkeit des Mannes dramatisch sinken muss.

Medizinische Mythen

Damals wusste ich das nicht – aber einige der Ratschläge, die ich in dieser Zeit bekommen habe, gründeten offenbar auf medizinischen Mythen aus dem onaniebesessenen viktorianischen England. Sie stammten aus der Vorzeit, in der die Ärzte tatsächlich glaubten, dass die Vorhaut die Quelle schwerer Schäden war. Die Beschneidung wurde verordnet, um junge Männer in ihrem unkontrollierbaren Drang zu stoppen, mit ihrem frechen, bösen, sündigen Schwanz zu spielen.

Die Operation kann aber auch so viel anderes – sagten meine Ärzte und sagen Ärzte heute: Das Risiko einer Harnwegsinfektionen sinke. (Aber es gibt doch Penicillin.) Eine Beschneidung beuge Peniskrebs vor. (Der ist extrem selten, erst später fanden Forscher heraus, dass er durch einen Virus verursacht wird.)

Die Wochen nach der OP kommen mir heute vor wie eine fast ununterbrochene Erektion. Es war unglaublich unbequem. Aber ich habe es überstanden.

Dann fuhr ich in den Herbstferien zu Miriam. Es wurde die Woche, in der ich herausfand, dass all die, die über die absolute Harmlosigkeit der Beschneidung sprechen, oft mehr Meinung als Ahnung haben.

Die gute Nachricht zuerst: Mit der reduzierten Empfindlichkeit dauerten die Spiele oft länger. Aber das war es dann auch schon. Mit meiner Vorhaut war auch das überschäumende, sprudelnde Gefühl beim Orgasmus verschwunden.

Leitungswasser statt Springbrunnen

Die physischen Wahrnehmungen beim Sex wandelten sich, sie wurden lokaler. Es ist schwer zu erklären – als ob nicht mehr mein ganzer Körper im Spiel, eine große Freude verschwunden war. Leitungswasser statt Springbrunnen. Aber das ist noch nicht alles. Weil die Eichel nun ungeschützt war und ich weniger reizbar, war der sanfte, langsame Sex von da an Geschichte.

Vor der Operation konnten meine Partnerin und ich ganz still liegen. Ich konnte sie, in ihr, fühlen – wir konnten uns küssen und gegenseitig streicheln und ganz langsam einen Orgasmus erreichen, der dann wirklich überall war. Das war vorbei.

Kürzlich entdeckte ich, dass es auf Deutsch das Wort „Stoßtechnik“ gibt – und es war genau das, was ich jetzt lernen musste. Härteres und schnelleres Stoßen war erforderlich, wenn ich etwas davon haben wollte.

Die sensible Leichtigkeit war verschwunden

Aber am größten war der Unterschied, wenn Miriam auf eine Reise südlich des Äquators ging. Da fehlten plötzlich einige – viele – Empfindungen. Die sensible Leichtigkeit war verschwunden – und kam nie zurück. Schlimmer wurde es, als mit Aids die Kondome kamen. Ein Utensil, das die Empfindlichkeit weiter reduziert. Noch ein Grund, warum ich die 1980er Jahre nicht vermisse.

Nun, ich bin kein Verfassungsrechtler. Wenn die Kinder bei Freunden oder beim Fußball sind und meine Frau mit nassen Haaren aus der Dusche kommt, dann denke ich nicht zuerst an die Religionsklauseln der Europäischen Menschenrechtskonvention. Ich bin auch kein Anthropologe, Religionshistoriker oder Mediziner. Sollen sich doch andere und weisere Menschen Gedanken darüber machen, warum diese Vorhaut vorzugsweise vor der Pubertät amputiert werden sollte. Ich glaube – und ich habe Gründe dafür –, dass der Zweck eindeutig ist: den Liebesakt von einem Dialog zu einem Monolog zu machen.

Es ist mehr als dreißig Jahre her, dass ich auf dem OP-Tisch lag. Ich bin verheiratet und habe drei Kinder. Zwei Jungen. Und ich schwöre: Kein Messer, keine Schere wird je in die Nähe ihrer Vorhaut kommen. Stattdessen werde ich ein paar Kondome in ihre Handy-Socke stecken.

Und Miriam? Sie lebt mit einem südamerikanischen Musiker zusammen, ihre Kinder sind Katholiken. Das ist – was die Beschneidung angeht – wohl auch eine Art von Fortschritt.
http://www.taz.de/!101655/
Der beste Weg, einen Freund zu haben, ist der, selbst einer zu sein.
(Ralph Waldo Emerson)

Nebelwolke
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Re: Ist er anders???

Beitrag von Nebelwolke » 23.03.2013, 12:13

Leider muß ich euch enttäuschen; der Arzt war kein Moslem; er ist Bayer und ziemlich katholisch:-).
Er hat nur schon sehr viele Male Junge beschnitten und hat eben mehr als genug Erfahrung. Er ist auch nicht der einzige Arzt, der so denkt. Er hat unter anderem auch die Söhne meiner Freundin Anfang des Jahres beschnitten.

Und warum Beschneidungen im Kleinkindalter besser / leichter sind, habe ich ja geschrieben (ist aber auch nicht von mir, die Erklärung). Wurde ja nicht drauf eingegangen.
Mir tut es HEUTE auch mehr weh, wenn ich stürze und Narben heilen schlechter....Als Kleinkind heilt alles viel schneller und besser. Bei den Jungs meiner Freundin sieht man auch nix mehr; alles top.

Den Bericht des betroffenen Mannes -naja....Ich will und kann ihm ja seine Probleme nicht absprechen, aber es ist eben nur SEINE Erfahrung (vielleicht auch eher psychisch?).
Es gibt auch mehr als genug Pro-Berichte und Aussagen beschnittener Männer, die KEINE Probleme haben. Konnte man ja bei der unsäglichen Beschneidungsdebatte verfolgen...

Wieso MUSS der Mann in dem Bericht beim Sex nun "hart und schnell stoßen", nur weil er beschnitten ist? Das ist doch Quatsch!
Ich habe sowohl mit beschnittenen als auch unbeschnittenen Männern Sex und unter Beiden gibt es rücksichtslose "Rammler", "Schnellspritzer" und "Luschen" (die ZU "sanft" beim Sex sind; wie übrigens auch mein beschnittener "Ex") sowie - Gott sei Dank! - auch gute Liebhaber, die das richtige Gespür haben, was und wie hart es die Frau in dem Moment braucht - oder es sich zumindest von der Frau sagen lassen und darauf eingehen.

Mit beschnitten oder nicht hat das nichts zu tun! Allerdings hatte ich auch noch keinen Mann, bei dem eine Beschneidung fehlerhaft ausgeführt wurde; DA kann ich nicht mitreden.
Und ich kann natürlich nicht aus männlicher Sicht sprechen. Ich weiß, dass Manche das nicht verstehen und ich mich "in die Nesseln setze"/ vielleicht für "dämlich" gehalten werde, aber ich bevorzuge eben aus verschiedenen Gründen beschnittene Männer und stehe dazu. Bin übrigens da bei weitem nicht alleine.

chandu
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Re: Ist er anders???

Beitrag von chandu » 23.03.2013, 12:39

In dem sehr lesenswerten Buch „6000 Kilometer Sehnsucht“ von Ilse Achilles und ihren Töchtern Anya und Miriam Butt schildert Frau Achilles, wie sie nach der Geburt ihres Sohnes – um ihm die Schmerzen einer späteren Beschneidung zu ersparen - veranlasste, dass dieser Eingriff gleich in der Geburtsklinik in Berlin vorgenommen wurde. Der drei Tage alte Junge wurde beschnitten – unter Vollnarkose. Nachdem einige Monate später bei ihm eine cerebrale Bewegungsstörung festgestellt wurde, leidet Frau Achilles bis heute unter der Vorstellung, dass seine Behinderung durch die Vollnarkose verursacht wurde.

Haram
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Re: Ist er anders???

Beitrag von Haram » 23.03.2013, 13:32

Hallo

Mein Gott hat zu mir gesagt, ich soll nicht an mir rumschnippeln lassen, denn sonst hätte er das schon beim Prototyp anderst gemacht. :wink:


Gruss
haram
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heartbeat
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Re: Ist er anders???

Beitrag von heartbeat » 23.03.2013, 15:40

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Erwachsene Männer können von mir aus machen und abschneiden, was sie wollen.
Wehrlosen Kindern MUSS diese Entscheidung selbst überlassen werden.
Ob da was besser heilt, als im Erwachsenenalter, ist dabei völlig irrelevant.
:!: :!: :!:

Das sehe ich ganz genau so, liebe Never - und es ist auch die einzig mögliche(!) Haltung, wenn man das Menschenrecht auf Unversehrtheit ernst nimmt!

@ Nebelwolke
Ich bin deshalb auch nicht der Meinung, dass man medizinisch indizierte chirugische Eingriffe wie Mandel- oder Blinddarm-OP an Säuglingen oder Kindern mit Beschneidungen an gesunden Kindern vergleichen kann/darf, liebe Nebelwolke, und finde es erst recht unerheblich, ob später dann, wenn das Kind zum Mann herangewachsen ist - sozusagen als netter "Beschneidungs-Nebeneffekt" - der Frau der Beischlaf besser gefällt.
Die Beschneidung ist ein IRREVERSIBLER Eingriff! Wie Never schon sagt: JEDER Mensch muss über nicht zwingend notwendige Veränderungen an seinem Körper SELBST entscheiden dürfen!

@ Leonessa
Ich danke Dir auch für das Einstellen dieses Berichts!

Liebe Grüße
heartbeat
Bedenke: Nicht zu bekommen, was man will, ist manchmal ein großer Glücksfall! Dalai Lama

Nebelwolke
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Re: Ist er anders???

Beitrag von Nebelwolke » 24.03.2013, 13:18

@clara: Gerade das mit dem Rauchen / Alk trinken oder sogar Drogen nehmen während der Schwangerschaft hast Du Recht!
DA interessiert es die Mütter komischerweise NICHT, was für weitaus schlimmere / gravierende Folgen beim Kind eintreten und ob es sich wehren kann... :roll:

Sonst fragt doch auch keiner die Kinder (geschweige logischerweise Babys) ob sie irgendwas wollen.

Und es wird auch an Organen rumgeschnippelt, die NICHT krank sind. Meine Mandeln mussten auch nicht raus übrigens. Wie so oft wurden sie viel zu schnell entfernt, weil manche Chirurgen oft mit dem Sklapell zu chnell zur Hand sind! Gerade wenn Leute privat versichert sind. Gibt ja mehr Geld...

Wir könnten auf so mache Organe verzichten, die wir nicht (mehr) brauchen; die Geschichte mit dem "Schöpfer" zieht nicht... Aber Beschneidung ist eben wie manches Andere ein umstrittenes Thema.

Zwoelfe
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Ist er anders???

Beitrag von Zwoelfe » 25.03.2013, 07:08

Was ist Eure frühste Erinnerung ? Seid Ihr zwei , drei oder vier Jahre alt gewesen ?

Wer als Säugling oder Kleinkind beschnitten wurde , kann vermutlich den konkreten Vorfall der Bescheidung nicht beschreiben da er/sie zu der Zeit noch nicht über Worte/Sprache verfügte - kann es niemanden erzählen und durch Gespräche nicht aufarbeiten .

Trotzdem ist diese Begebenheit tief im Gedächtnis . Da er/sie zum damaligen Zeitpunkt im wahrsten Sinne des Wortes sprachlos war , werden andere Dinge im Gedächtnis gespeichert . Der Betroffene mag sich zeit seines Lebens fragen , warum Männer mit schwarzen Bart so erschreckend wirken oder gewisse Gerüche völlig grundlos in Panik versetzen ... oder ... oder ...

Der Dämon ohne Namen ist mit ihnen - ein Lebtag lang ..

War übrigens in unseren Breitengraden eine beliebte Erziehungsmethode : jemanden zu brechen , bevor er in der Lage ist , den Peiniger zu benennen .

Zwoelfe
Love all , trust a few and do wrong to none ...

... ich hab`mal gehört , der ist von Shakespeare - oder isses der Glückskeksspruch vom Chinamann nebenan ?

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