Die zweite Nadel im Heuhaufen oder doch nur ein Beznesser?

Austausch über gemachte Bezness-Erfahrungen in diesem Land

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Mignon
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Re: Die zweite Nadel im Heuhaufen oder doch nur ein Beznesser?

Beitrag von Mignon » 05.01.2019, 23:28

Es führt jetzt ein bisschen vom konkreten Fall weg, aber vielleicht wird dadurch deutlicher, was ich meine:

Ich habe eine Zeit lang in einem afrikanischen Land gearbeitet. Eine junge, gebildete Afrikanerin war mit einem meiner europäischen Kollegen liiert und Teil unseres Freundeskreises. Diese Frau, die ich hier Kathy nenne, schilderte uns oft Episoden aus ihrer Kindheit und Jugend, die starke Ähnlichkeit mit unseren eigenen Kindheitserlebnissen hatten, vor allem, was das setting betraf (Klavier, der Schreibtisch des Vaters, das Badezimmer etc. pp). Irgendwann einmal ergab es sich, dass ich Kathy zu ihren Eltern begleitete. Ich war tief erschüttert angesichts der primitiven Verhältnisse, in denen diese lebten und ihrer mangelnden Bildung (vermutlich Analphabeten, die kein Wort der zweiten Landessprache Englisch sprachen). Niemals konnten sich die Kindheitsepisoden, mit denen Kathy uns oft unterhalten hatte, in dieser Umgebung abgespielt haben. Offenbar hatte sie immer nur zum Besten gegeben, was sie so oder ähnlich von uns gehört, was sie in amerikanischen Filmen gesehen oder einfach, was ihre Fantasie ihr eingegeben hatte. Ich kann das sogar nachvollziehen: Niemand will gern immer schlechter dastehen als seine Gesprächspartner.

Trotzdem kann ich natürlich nicht mit einem Menschen ernsthaft befreundet sein, von dem ich nur die Scheinidentität kenne.

gadi
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Re: Die zweite Nadel im Heuhaufen oder doch nur ein Beznesser?

Beitrag von gadi » 05.01.2019, 23:29

Ninegal, ich will dir deine "alte Freundschaft" nun nicht schlecht reden, daher einfach nur:
Zumindest "Mohammed" hält dich für eine unanständige Frau (nicht meine Meinung, sondern seine). Warum solltest du dir das weiterhin antun/gefallen lassen?
Nebenbei möchte ich auch anmerken, dass ich fest davon überzeugt bin, dass er - in seinem Alter - längst mit einer "ehrbaren Einheimischen" verheiratet ist und Kinder mit ihr hat.
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Ponyhof
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Re: Die zweite Nadel im Heuhaufen oder doch nur ein Beznesser?

Beitrag von Ponyhof » 05.01.2019, 23:43

Ich will hier ja niemandem die Freundschaften verderben, aber... :mrgreen:

Natürlich gibt es Ausnahmen. Normalerweise sind Freundschaften zwischen Männern und Frauen in dieser Kultur nicht üblich. Bei jemandem, der aus einer hohen sozialen Schicht stammt, "weltweit" sozialisiert wurde und vor allem selber seine Kultur kritisch reflektieren kann mag das anders sein.

Diese "Weltgewandtheit" sehe ich bei M nicht. Natürlich kenne ich ihn nicht, aber sein finanzieller Hintergrund lässt nun nicht vermuten, dass er Marokko je verlassen hätte und in anderen, offenen Systemen wirklich gelebt hätte, sprich, eine Chance gehabt hätte zu sehen, "wie es anders läuft" und wie die Dinge auch zwischen Mann und Frau unsexualisiert gleichberechtigt laufen können. Diese Lernerfahrung fehlt ihm komplett.

Er ist also viel, viel mehr in seiner Kultur (umd auch sozialen Schicht!) gefangen als A. Daher kam es auch zu diesen "Missverständnissen".

Ob er nun mit der Hausbesitzerin "was hatte" oder nicht ist schwierig zu sagen. Das Perfide an Bezness ist eben, dass der Täter es nicht zugibt. Da musst Du also nicht IHN, sondern SIE fragen. Wie läuft die Beziehung aus IHRER Sicht? Ist es eine Sexbeziehung, bei der ihr klar ist, was gespielt wird? Hat er ihr irgendwas versprochen? Wem gehören Haus und Grundstück? Oder ist es tatsächlich eine reine, ehrliche Geschäftsbeziehung, und nur die sabbernden, tratschenden Nachbarn erzählen die wildesten Geschichten, weil sie, die Nachbarn, sich auch nicht vorstellen können, dass da etwas anderes läuft als eine Bettgeschichte... Insofern sind das alles hier Mutmaßungen.

Aber.

Beleuchten wir das Thema "Freundschaft" mal etwas genauer. Zumindest für mich sind Freundschaften etwas, was eine gewisse gemeinsame Ebene voraussetzt, etwas, was man sich GEGENSEITIG geben kann. Bei A ist gegeben, dass ihr beide in die Welt des jeweils anderen gedanklich eintauchen könnt, vielleicht nicht sonderlich tief, aber so ein bisschen eben doch. Ihr teilt zumindest einige Lebenserfahrungen. A. lebt nicht von der Hand in den Mund, und A. ist durchaus in der Lage zu Reisen und nicht auf Deine Hilfe angewiesen.

Bei M sieht das ganz, ganz anders aus. Er LEBT vom Tourismus. Er muss Touristen bespassen. Er hat kein Geld, eine Familie zu gründen, und steht ganz am untersten Ende der sozialen Leiter. In seiner Situation liegt es nahe, bei Touristen etwas mehr "herauszuholen", oder sich zu prostituieren um einen besseren Job/Stand mit der Immobilie zu bekommen. Er hat ja nichts zu verlieren. Wie gesagt, was da läuft finde ich schwer zu beurteilen, wenn alles nur "Hörensagen" ist.

Aber dennoch: Worauf gündet sich Eure "Freundschaft", und was "hat" er davon? Die Lagerfeuerromantik, die ganze Spiritualität, das muss man sich leisten können! So etwas gedeiht im Kopf von Europäern, aber ganz sicher nicht im Kopf von Leuten, die ihren Lebensunterhalt dadurch bestreiten müssen, jede Woche für die Touristen dieselbe "spirituelle" Show abzuziehen und sich durch die Wüste zu trommeln. Das, was für die Kunden eine "einmalige spirituelle Reise und Entwicklung und Begegnung und Blablabla" ist, erlebt und inszeniert der Veranstalter jede Woche. Das ist ein bisschen wie beim Abenteuerurlaub im Mittleren Westen. Man bezahlt einen Haufen Geld dafür, als Cowboy mitzureiten. Einmalige Erfahrung und so. Für die Cowboys, die damit ihr Geld verdienen, ist das Ganze ein Knochenjob, und hat nix mit Romantik zutun. Die Touristen -und auch Du!- kehren hinterher in ihr normales Leben zurück, umd meinen, sie hätten eine "tiefe Erfahrung" gemacht. Aber genauso wie beim Viehtreck jeder auf das Greenhorn aufpasst, gefährliche Situationen vermieden werden und nur ansatzweise -wenn überhaupt!- Themen wie Schlachtung, Geburt und Tod sowie extreme Wettersituationen erlebt werden und stattdessen eine Marlboro-Romantik inszeniert wird, so ist auch beim spirituellen Wüstentrommeln das phantastische Kopfkino das Ziel: Man will ja, dass die Touristen wiederkommen.

Und genau das will M sicherlich auch, denn er hält einen Kontakt zu Dir, der niemals auf Gleichberechtigung und Gegenseitigkeit beruhen kann. Dazu sind schon mal Eure finanziellen Möglichkeiten und Freiheiten völlig unterschiedlich. Und er befindet sich in der für ihn in seinem sozialen Umfeld entwürdigenden Situation, für eine "Ausländerin" arbeiten zu müssen und sich von einer "ausländischen Ungläubigen" herumkommandieren zu lassen. Wie meinst Du, wirkt Eure "Freundschaft" denn auf sein soziales Umfeld? Also die Welt, mit der er sich töglich herumshlagen muss, deren Teil er ist, und die er nie verlassen hat, nie verlassen wird, und in der er sich "seinen Rang" erkämpfen muss?

Kurz: Bezness muss es (noch) nicht sein, die Gefahr besteht aber. Lass ihn dort, wo er ist, in der Wüste. :mrgreen:
Zuletzt geändert von Ponyhof am 05.01.2019, 23:52, insgesamt 2-mal geändert.
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Ninegal
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Re: Die zweite Nadel im Heuhaufen oder doch nur ein Beznesser?

Beitrag von Ninegal » 05.01.2019, 23:44

@Mignon:
Wir haben über die Gegend gesprochen, über unsere Familien, seine früheren Jobs, über Religion und deren Ausübung, über Musik, Alkohol, Kamele, (Bauch)Tanz, Kochen... Und ja, sicherlich habe ich ihn mehr ausgefragt als er mich! :D Groß hinterfragt habe ich längere Zeit nicht, warum er sich mit mir abgibt. Ich fand Gefallen daran und bin einfach davon ausgegangen, dass es bei ihm wohl so ähnlich ist. Dass er seine Zeit gerne mit mir verbringt...

Aber spätestens seit der freundlichen, aber schonungslosen „Kopfwäsche“ durch A. erscheint es mir zunehmend illusorisch, unter den gegebenen Voraussetzungen so etwas wie Freundschaft haben zu können. Allein der ganze Verhaltenskatalog macht das schon fast unmöglich... Und Eure kritischen Nachfragen bringen mich natürlich noch mehr ins Grübeln...

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Re: Die zweite Nadel im Heuhaufen oder doch nur ein Beznesser?

Beitrag von gadi » 05.01.2019, 23:56

Ninegal hat geschrieben:
05.01.2019, 23:44
Aber spätestens seit der freundlichen, aber schonungslosen „Kopfwäsche“ durch A. erscheint es mir zunehmend illusorisch, unter den gegebenen Voraussetzungen so etwas wie Freundschaft haben zu können. Allein der ganze Verhaltenskatalog macht das schon fast unmöglich... Und Eure kritischen Nachfragen bringen mich natürlich noch mehr ins Grübeln...
Gut so! :wink: :mrgreen:
Selbst wenn kein Bezness ausgeübt werden sollte, es würde immer nur eine "Freundschaft aus deiner Sicht" bleiben. Eine Illusion, wie du ja schon schreibst. Er sieht alles ganz anders.
Das kannst du nun entweder verdrängen oder dir bewusst machen.

Und bitte unterschätze nicht das Bezness-Risiko. Tausende Geschichten begannen genau so und die späteren Bezness-Opfer waren sich sehr sicher, die Kontrolle über die Situation inne zu haben. Weit gefehlt, diese Annahme :!:
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Re: Die zweite Nadel im Heuhaufen oder doch nur ein Beznesser?

Beitrag von gadi » 06.01.2019, 00:03

Ponyhof hat geschrieben:
05.01.2019, 23:43
Natürlich gibt es Ausnahmen. Normalerweise sind Freundschaften zwischen Männern und Frauen in dieser Kultur nicht üblich. Bei jemandem, der aus einer hohen sozialen Schicht stammt, "weltweit" sozialisiert wurde und vor allem selber seine Kultur kritisch reflektieren kann mag das anders sein.
Mag das anders sein. Trotzdem unwahrscheinlicher, als man denken könnte.
Ponyhof hat geschrieben:
05.01.2019, 23:43

Bei M sieht das ganz, ganz anders aus. Er LEBT vom Tourismus. Er muss Touristen bespassen. Er hat kein Geld, eine Familie zu gründen, und steht ganz am untersten Ende der sozialen Leiter. In seiner Situation liegt es nahe, bei Touristen etwas mehr "herauszuholen", oder sich zu prostituieren um einen besseren Job/Stand mit der Immobilie zu bekommen. Er hat ja nichts zu verlieren. Wie gesagt, was da läuft finde ich schwer zu beurteilen, wenn alles nur "Hörensagen" ist.
Und falls er eine Familie gegründet hat, wovon ich eher überzeugt bin, braucht er umso mehr das Geld, um Frau und Kinder sowie ggfs. Eltern und Geschwister zu versorgen.
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Re: Die zweite Nadel im Heuhaufen oder doch nur ein Beznesser?

Beitrag von Ninegal » 06.01.2019, 00:04

@Ponyhof: Über deine Beiträge muss ich immer schmunzeln, du verpackst den Inhalt so schön anschaulich... :D Auch wenn dieses Mal Günther zu Hause bleiben muss.

Keine Sorge, A. lasse ich ebenfalls zu Hause in der Wüste - da gefällt es ihm ja nach eigener Aussage so gut. Dass dieser schöne, spirituell angehauchte Wüsten-Technicolor für Urlauber nichts mit der harten Realität der Einheimischen zu tun hat, ist mir schon bewusst. Nichtsdestotrotz genieße ich es mit allen Sinnen - sogar den Kamelritt bei Sandsturm! :)

gadi
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Re: Die zweite Nadel im Heuhaufen oder doch nur ein Beznesser?

Beitrag von gadi » 06.01.2019, 00:11

Mignon hat geschrieben:
05.01.2019, 23:28
Irgendwann einmal ergab es sich, dass ich Kathy zu ihren Eltern begleitete. Ich war tief erschüttert angesichts der primitiven Verhältnisse, in denen diese lebten und ihrer mangelnden Bildung (vermutlich Analphabeten, die kein Wort der zweiten Landessprache Englisch sprachen). Niemals konnten sich die Kindheitsepisoden, mit denen Kathy uns oft unterhalten hatte, in dieser Umgebung abgespielt haben. Offenbar hatte sie immer nur zum Besten gegeben, was sie so oder ähnlich von uns gehört, was sie in amerikanischen Filmen gesehen oder einfach, was ihre Fantasie ihr eingegeben hatte. Ich kann das sogar nachvollziehen: Niemand will gern immer schlechter dastehen als seine Gesprächspartner.
Das ist ein interessanter Bericht, danke Mignon. Auch ich kann Kathy gut verstehen. Aber: Sie hat niemanden betrogen (um sich zu bereichern).
Ich denke, eine Freundschaft mit Kathy wäre trotzdem viel eher möglich da sie eine Frau ist, über eine ähnliche Bildung verfügt wie wir und später teilweise "in unserer Welt" gelebt hat.
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Re: Die zweite Nadel im Heuhaufen oder doch nur ein Beznesser?

Beitrag von Thelmalouis » 06.01.2019, 00:16

Ninegal hat geschrieben:
05.01.2019, 23:21
Seiner Ansicht nach hat Mohammed sich halt mehr versprochen (v.a. Sex), weil er mein Verhalten dementsprechend interpretiert hat. Im Grunde war sein Rat: Lass keine Komplimente mehr zu, trinke keinen Alkohol mit ihm, bleibe nicht allein mit ihm. Betone immer wieder, dass du einen Ehemann hast, mit dem du glücklich bist. Bezness hat er aber auch nicht ausgeschlossen, daher die Warnung bezüglich Geldangelegenheiten.
Bei einer wirklichen Freundschaft möchte ich mir darüber aber keine Gedanken machen müssen.
Hier möchte ich einfach nur unbefangen genießen können, auch mal vertraulich über private Dinge reden können, ohne, dass ich mir anschließend einen Kopf machen muss, ob das nun ein Fehler war.

Du jedoch musst aufpassen, wie ein Schießhund, dass du dich nicht falsch verhältst, bzw. wie dein Verhalten verstanden werden könnte und ob er nicht doch unehrliche Absichten hat.
Und mal ganz davon abgesehen, ob der Typ jetzt Mohammed oder Günter heißt - sobald das Gegenüber Andeutungen macht, "mehr" zu wollen und ich das nicht will, wird die reine Freundschaftsebene sowieso schwierig bzw. unmöglich.
Gruß Thelmalouis


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Ninegal
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Re: Die zweite Nadel im Heuhaufen oder doch nur ein Beznesser?

Beitrag von Ninegal » 06.01.2019, 00:18

Und nächstes Mal kommt A.in die Wüste mit - als Aufpasser und „Anstandsdame“! :D

@Mignon: Das ist ja eine wirklich interessante Begebenheit.Wie reagierte denn Kathy, als du sie begleitet hast? Wollte sie das vorher vermeiden? Ihr müsste doch klar sein, dass dann das Lügengebilde zusammenbrechen würde.

gadi
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Re: Die zweite Nadel im Heuhaufen oder doch nur ein Beznesser?

Beitrag von gadi » 06.01.2019, 00:21

Thelmalouis hat geschrieben:
06.01.2019, 00:16
Und mal ganz davon abgesehen, ob der Typ jetzt Mohammed oder Günter heißt - sobald das Gegenüber Andeutungen macht, "mehr" zu wollen und ich das nicht will, wird die reine Freundschaftsebene sowieso schwierig bzw. unmöglich.
Und "angedeutet" haben das beide eindeutig, Mohammed und Gün...äh Mohammed und A. :wink:
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Ninegal
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Re: Die zweite Nadel im Heuhaufen oder doch nur ein Beznesser?

Beitrag von Ninegal » 06.01.2019, 00:26

Thelmalouis hat geschrieben:
06.01.2019, 00:16
Ninegal hat geschrieben:
05.01.2019, 23:21
Seiner Ansicht nach hat Mohammed sich halt mehr versprochen (v.a. Sex), weil er mein Verhalten dementsprechend interpretiert hat. Im Grunde war sein Rat: Lass keine Komplimente mehr zu, trinke keinen Alkohol mit ihm, bleibe nicht allein mit ihm. Betone immer wieder, dass du einen Ehemann hast, mit dem du glücklich bist. Bezness hat er aber auch nicht ausgeschlossen, daher die Warnung bezüglich Geldangelegenheiten.
Bei einer wirklichen Freundschaft möchte ich mir darüber aber keine Gedanken machen müssen.
Hier möchte ich einfach nur unbefangen genießen können, auch mal vertraulich über private Dinge reden können, ohne, dass ich mir anschließend einen Kopf machen muss, ob das nun ein Fehler war.

Du jedoch musst aufpassen, wie ein Schießhund, dass du dich nicht falsch verhältst, bzw. wie dein Verhalten verstanden werden könnte und ob er nicht doch unehrliche Absichten hat.
Und mal ganz davon abgesehen, ob der Typ jetzt Mohammed oder Günter heißt - sobald das Gegenüber Andeutungen macht, "mehr" zu wollen und ich das nicht will, wird die reine Freundschaftsebene sowieso schwierig bzw. unmöglich.
Da muss ich dir leider recht geben, Thelmalouis.
Ich will mich nicht ständig verbiegen oder zurückhalten müssen, um zumindest als in Ansätzen anständige Frau wahrgenommen zu werden. Und der ganze Aufwand für jemanden, der mich am Ende vielleicht doch nur ausnutzen will? Schade finde ich das alles trotzdem. Und unangenehm, dass mein Bauchgefühl mir von Anfang an etwas ganz anderes signalisiert hat - nämlich, dass das ein einfacher, aber ehrlicher, lieber, herzensguter Mensch ist.

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Re: Die zweite Nadel im Heuhaufen oder doch nur ein Beznesser?

Beitrag von gadi » 06.01.2019, 00:30

Ninegal hat geschrieben:
06.01.2019, 00:26
Schade finde ich das alles trotzdem. Und unangenehm, dass mein Bauchgefühl mir von Anfang an etwas ganz anderes signalisiert hat - nämlich, dass das ein einfacher, aber ehrlicher, lieber, herzensguter Mensch ist.
Leider funktioniert auch unser Bauchgefühl u.a. aufgrund der seit der Kindheit tausenden gemachten Erfahrungen in unserem Kulturkreis. Bis heute will ich das nicht wahrhaben bzw. finde es "schade", weiß aber darum.
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Re: Die zweite Nadel im Heuhaufen oder doch nur ein Beznesser?

Beitrag von Ninegal » 06.01.2019, 00:39

gadi hat geschrieben:
06.01.2019, 00:21
Thelmalouis hat geschrieben:
06.01.2019, 00:16
Und mal ganz davon abgesehen, ob der Typ jetzt Mohammed oder Günter heißt - sobald das Gegenüber Andeutungen macht, "mehr" zu wollen und ich das nicht will, wird die reine Freundschaftsebene sowieso schwierig bzw. unmöglich.
Und "angedeutet" haben das beide eindeutig, Mohammed und Gün...äh Mohammed und A. :wink:
Ja, Gadi. Bei A. gab es dieses Problem vor zwanzig Jahren für ungefähr ein Jahr, aber dann hatte sich das zum Glück gegessen, weil er sich in eine andere verguckte. Heute staune ich darüber, wie naiv ich an die Sache heranging und bin dankbar, dass trotzdem nichts passierte. Es war damals in A.s Verliebheitsphase, als wir durch Marokko gereist sind. Ich unterschrieb ein Papier, dass ich seine Verlobte sei, damit wir uns die Zimmer teilen konnten (war halt billiger). Er hat mir mehrfach Avancen gemacht und mein Nein dann aber auch akzeptiert. Ein anderer Charakter hätte mich wohl einfach vergewaltigt...

Mignon
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Re: Die zweite Nadel im Heuhaufen oder doch nur ein Beznesser?

Beitrag von Mignon » 06.01.2019, 00:58

@ gadi: Nein, natürlich hat Kathy niemanden betrogen, wenn man mal davon absieht, dass sie meinen Kollegen heiraten und wohl deshalb als ebenbürtig und wesensverwandt erscheinen wollte. (Die Heirat fand auch statt, und nach allem was ich weiß, verlief die Ehe glücklich.) Ich habe sie dafür nicht verurteilt, und natürlich ist ohnehin kein Mensch nach dem Bildungsstand und den Lebensbedingungen seiner Eltern zu beurteilen. Es ging mir nur darum, dass man das, was einem ein Mensch, der ständig mit Problemen der Ungleichheit und dem Gefühl der eigenen Minderwertigkeit zu kämpfen hat, von sich erzählt, nicht unbedingt der Realität entsprechen muss.

Fast jeder Bewohner eines Entwicklungslandes geht davon aus, dass seine Lebensumstände und seine Kultur von den allermeisten Vertretern westlicher Länder als rückständig beurteilt werden. Darauf kann man auf zweierlei Arten reagieren: 1. Man versteift sich umso mehr auf die Überlegenheit der eigenen Kultur (und Religion) und demonstriert dies auch nach außen. Das ist vor allem bei manchen muslimischen Männern der Fall, die sich stets muslimisch kleiden, Frauen nie die Hand geben, keinen Alkohol trinken etc. Die werden es im Tourismus allerdings nie weit bringen, und da sie aus ihrer Verachtung der westlichen Lebensart kein Hehl machen, kommen wir kaum mit ihnen in Kontakt.

2. Man passt sich so weit wie möglich an westliche Lebensweise und Wertvorstellungen an, und sei es nur zum Schein. Dafür muss man manchmal einen Teil seiner Identität verleugnen (siehe Kathy) und durch für westliche Zuhörer gefälligere Erzählungen ersetzen. Als Lohn winkt die ersehnte Akzeptanz durch die Europäer/Amerikaner und damit Aufnahme in ihre Kreise, Teilhabe an ihrem Wohlstand, an ihrem Lebensstil (z.B. Alkohol und Sex). Geht die Rechnung nicht auf, oder wird die Doppelidentität zu anstrengend, können Menschen des Typs 2 durchaus zum Typ 1 mutieren. Ich habe das selbst miterlebt.

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Re: Die zweite Nadel im Heuhaufen oder doch nur ein Beznesser?

Beitrag von NGal » 06.01.2019, 01:12

Mignon: Vielen Dank für Deine Worte und Berichte. Sehr viel 'food for thought'. Ich glaube in diesem Forum mehr gelernt zu haben, als in allen Jahren, die ich in arabischen Kulturkreis gelebt habe. Ich habe mich immer als ziemlich zurückhaltend verhalten, aber... Deine informative Post hat mir vieles erleuchtet!

Mignon
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Re: Die zweite Nadel im Heuhaufen oder doch nur ein Beznesser?

Beitrag von Mignon » 06.01.2019, 01:19

@ninegal:

Seltsamerweise schien Kathy die Diskrepanz zwischen ihren Erzählungen und der Realität gar nicht zu bemerken. Sie war auch wohl der Meinung, dass ihr Vater ein sehr respektabler Mann sei, bzw. sie konnte den Konflikt zwischen der Anhänglichkeit an ihre Eltern und das Dazugehörenwollen zu europäischen Kreisen und Gepflogenheiten in diesem Moment nur noch durch Verdrängen lösen.

Ihre Eltern gehörten zu einem Stamm ehemaliger Nomaden und waren in zweiter Generation sesshaft. Sie hatten nach der Unabhängigkeit des Landes Haus und Grundbesitz eines britischen Farmers übernommen und seitdem vor die Hunde gehen lassen. Stolz wurde mir das Badezimmer mit der Toilette gezeigt. Allerdings waren das reine show pieces, denn fließend Wasser gab es schon lange nicht mehr, und für die Notdurft gab es einen Abtritt etwas vom Haus entfernt. Auch der Herd in der Küche funktionierte längst nicht mehr, dafür gab es auf dem ehemals hübsch gefliesten Boden eine traditionelle offene Feuerstelle. Den Ackerbau hatten sie aufgegeben und weideten nur noch ihre Kühe auf dem recht großen Areal.

Ich schreibe das ohne Hähme, frage mich nur, was das Leben in zwei so unterschiedlichen Welten mit Menschen macht.

Ninegal
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Re: Die zweite Nadel im Heuhaufen oder doch nur ein Beznesser?

Beitrag von Ninegal » 06.01.2019, 10:03

Thelmalouis hat geschrieben:
05.01.2019, 22:35
Und wenn ich es richtig herausgelesen habe, reist du immer alleine an.
So was ist in seiner Kultur ebenfalls ein Unding, dass eine Frau ohne männliche Begleitung verreist.
Was das betrifft, dürfte er keine allzu gute Meinung von dir haben, wenn du verstehst, was ich meine.
Wie sieht das A, hat er dich mal aufgeklärt?

Ich fahre nicht immer alleine nach Marokko. Wenn wir uns nur in der Marrakesch-Region aufhalten, ist mein Mann mit von der Partie. Den organisierten Reisen mit Bauchtanz und Wüstencamps kann er jedoch so gar nichts abgewinnen. Zu wenig Komfort, zu viel spiritueller Kram, zu viele Frauen. :D

A. hat mir ganz deutlich gesagt, dass kein Marokkaner seine Frau alleine rumreisen lassen würde und dass es für Mohammed nicht verständlich sei, dass Europäer(innen) dies anders handhaben und sich nicht groß was dabei denken.
Als ich vor ein paar Jahren endlich mal ganz alleine rumreisen wollte und A. fragte, ob ich das guten Gewissens in Marokko tun könne, hat er mir ausschließlich den Süden als sichere Region für alleinreisende Frauen empfohlen (seiner Meinung nach leben dort die ehrlichsten und anständigsten Menschen Marokkos) und mir diverse Verhaltensregeln ans Herz gelegt. Die Unterkünfte wurden auch schon im Voraus gebucht (ich suchte sie mir aus, er übernahm die Reservierungen). Als ich ihm am Ende meines Trips berichtete, ich hätte mit Mohammed alleine in der Wüste übernachtet, hat er (und auch sein Bruder) damals jedoch fast die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Dass Mohammed als Guide für das Gästehaus arbeitete, in dem ich untergekommen war, spielte keine Rolle. Die Situation wurde als zu gefährlich erachtet.
Als vor ein paar Wochen die beiden Touristinnen aus Skandinavien ermordet wurden, war A. der erste, der mich auf die traurige Nachricht aufmerksam machte. Er hielt es für notwendig, mich zu warnen: Nicht mehr alleine durch Marokko reisen, sondern immer in einer Gruppe oder mit Mann und Local Guide. :(

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Re: Die zweite Nadel im Heuhaufen oder doch nur ein Beznesser?

Beitrag von JustListen » 06.01.2019, 10:24

Ist A. eigentlich verheiratet?
Das ist der Widerstand, der uns zurück verwandelt von einem Gegenstand in einen Menschen. Lilly Lindner

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Re: Die zweite Nadel im Heuhaufen oder doch nur ein Beznesser?

Beitrag von gadi » 06.01.2019, 10:34

Mignon hat geschrieben:
06.01.2019, 00:58
@ gadi: Nein, natürlich hat Kathy niemanden betrogen, wenn man mal davon absieht, dass sie meinen Kollegen heiraten und wohl deshalb als ebenbürtig und wesensverwandt erscheinen wollte. (Die Heirat fand auch statt, und nach allem was ich weiß, verlief die Ehe glücklich.) Ich habe sie dafür nicht verurteilt, und natürlich ist ohnehin kein Mensch nach dem Bildungsstand und den Lebensbedingungen seiner Eltern zu beurteilen. Es ging mir nur darum, dass man das, was einem ein Mensch, der ständig mit Problemen der Ungleichheit und dem Gefühl der eigenen Minderwertigkeit zu kämpfen hat, von sich erzählt, nicht unbedingt der Realität entsprechen muss.
Ja, Mignon, ich hatte dich schon richtig verstanden, ich sehe es wie du.
Fast jeder Bewohner eines Entwicklungslandes geht davon aus, dass seine Lebensumstände und seine Kultur von den allermeisten Vertretern westlicher Länder als rückständig beurteilt werden. Darauf kann man auf zweierlei Arten reagieren: 1. Man versteift sich umso mehr auf die Überlegenheit der eigenen Kultur (und Religion) und demonstriert dies auch nach außen. Das ist vor allem bei manchen muslimischen Männern der Fall, die sich stets muslimisch kleiden, Frauen nie die Hand geben, keinen Alkohol trinken etc. Die werden es im Tourismus allerdings nie weit bringen, und da sie aus ihrer Verachtung der westlichen Lebensart kein Hehl machen, kommen wir kaum mit ihnen in Kontakt.

2. Man passt sich so weit wie möglich an westliche Lebensweise und Wertvorstellungen an, und sei es nur zum Schein. Dafür muss man manchmal einen Teil seiner Identität verleugnen (siehe Kathy) und durch für westliche Zuhörer gefälligere Erzählungen ersetzen. Als Lohn winkt die ersehnte Akzeptanz durch die Europäer/Amerikaner und damit Aufnahme in ihre Kreise, Teilhabe an ihrem Wohlstand, an ihrem Lebensstil (z.B. Alkohol und Sex). Geht die Rechnung nicht auf, oder wird die Doppelidentität zu anstrengend, können Menschen des Typs 2 durchaus zum Typ 1 mutieren. Ich habe das selbst miterlebt.
Hier will ich noch ergänzen: Viele Bewohner eines "Entwicklungslandes" wissen genau um die "Überlegenheit" (ich setze ausdrücklich die Anführungszeichen) der westlichen Länder, wollen dies aber verdrängen indem sie die westliche Kultur verächtlich reden (gottlos, Sodom und Gomorra,...). Die westliche Kultur oder vieles davon ist dennoch insgeheim begehrt, aber es darf nicht sein was nicht sein darf.
Deshalb gibt es auch oft das von dir beschriebene Mutieren von Typ 2 zu 1. Oder auch umgekehrt. Oder ein andauerndes Hin und Her.
Der Klassiker ist z.B. der im Tourismus arbeitende junge Mann. Sein Verhalten im Hotel im Gegensatz zu seinem Verhalten daheim auf dem Dorf. Sein Verhalten im Westen, sein Verhalten in der Heimat. Schimpfen über die USA im überfüllten KFC in Kairo. Bedauern darüber, dass die Frauen in Ägypten nicht mehr so gekleidet sind wie 1975, gleichzeitiges "Jedes Wort aus de Koran ist wahr". Die unter der Abaya hervorblitzenden High Heels.
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...................................
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