mohn hat geschrieben:Angeregt durch Deinen "Hilferuf":
"Wer versteht das???? Dann bitte melden!!!" und steckchens Antwort mit dem Hinweis auf ihren Beitrag auf S. 17 dieses Threads bin ich neugierig geworden und habe die Beiträge nachgelesen und mir
sind zwei Gedanken dazu gekommen.
Mein Bild von Dir, das ich mir auf Grund Deiner Lebensgeschichte und Deiner Beiträge gemacht habe, ist, dass Du eine sehr mutige und durchaus "kämpferische" Frau bist, die sich nicht "demütig" vor jemanden verneigt, der Unrecht tut - sondern, dass Du abwägst, welche Strategie Du anwenden musst, um Unrecht nicht zuzulassen und ob es überhaupt angebracht ist, in dem Moment zu handeln. Manchmal ist es besser nicht zu handeln, um eine Eskalation - die die Situation nur verschlimmert - zu vermeiden. So hatte ich auch Deine Worte verstanden, weshalb Du in diesem Falle nicht eingegriffen hättest.
steckchen hat geschrieben:weil Deutsche wie Charlotte dazu zu demütig sind angesichts seines Ausländischseins?
deshalb verstehe ich diesen Satz auch nicht und kann Dir hier leider nicht helfen.
Hallo Mohn,
Dein Nachfragen und Deine Argumente kann ich verstehen und nachvollziehen, gerade, weil ich auch sehe, wie sympathisch Du Charlotte_ findest und Du hast auch eine sehr vernünftige Interpretation für ihre Sätze gefunden.

Charlotte_ hat aber in ihrem Beitrag auf Seite eins dieses Threads aber eben nicht gesagt, daß sie nicht eingegriffen hätte,
weil sie eine Eskalation vermeiden wollte, sondern Charlotte sagte:
Charlotte_ hat geschrieben:Ich käme nicht auf die Idee- Leute- die offensichtlich andere Wertevorstellungen haben als ich - auf offener Strasse bezüglich Moral und Ethik nachschulen zu wollen.
In dem hier beschriebenen Beispiel hätte ich mich zwar bereit gehalten- jedoch ist der Mann eindeutig nach der Spuckattacke weiter gegangen und hat sich auf einen entfernten Platz gesetzt. Die Frau hat sich abgewischt und nicht weiter reagiert. Wer dann aufsteht- und eine flammende Rede über Anstand und Würde hält- hat meiner Meinung nach nicht alle Haken in der Decke.
Sowas hat mit Zivilcourage mMn nichts mehr zu tun.
Wir Menschen sollten uns wenigstens ganz persönlich im stillen Kämmerlein zugeben- wir sind nicht perfekt und schon gar nicht Weltenretter - auch wenn wir es gern wären.
Und das ist in meinen Augen eine ganz andere Haltung. Für mich bedeuten diese Sätze. "Er hat ja nur gespuckt, nichts weiter ist passiert, also ist ja alles gut." Und sie bedeuten für mich auch: "Der hat eben aus seinem Land andere Wertvorstellungen vermittelt bekommen, da kann man nichts machen. Und wer es doch macht, ist bekloppt [sorry, ich wünschte, es gäbe mehr solche Bekloppte

]". Und genau diese fatalistische Haltung ist es doch, die leider das Leben in diesem Land (oder auch in der Schweiz) immer unsicherer machen. Weil eben nicht genügend Leute bei Bedarf aufstehen, die Werte und Regeln, also die gewaltfreie Zivilgesellschaft in unserer westlichen Welt zu verteidigen. Hätte Charlotte_ gesagt: Ich hatte einfach eine Scheißangst gehabt, wie er im Falle einer Reaktion meinerseits reagiert hätte, dann hätte ich sie eher verstanden. Aber so waren diese ihre Worte für mich nur Bemäntelung von Angst oder eben eines unguten Gefühles, welches unter Maßgabe von "anderen Wertvorstellungen" einfach beiseite geschoben wurde.
mohn hat geschrieben:Nun zu meinem zweiten Gedanken.
steckchen
Mich hat mal ein Schwarzafrikaner (ein christlicher Nigerianer mit britischem und nigerianischem Paß) in der U-Bahn sexuell angemacht, d.h. er hat sich neben mich gesetzt und sich an mich gedrängelt obwohl nur wir zwei im ganzen U-Bahn-Wagen waren, also es noch genug Platz woanders für ihn gegeben hätte. Und ich habe auch nichts gesagt und mich einfach weggesetzt. Dann ist er mir nachgelaufen und hat mich geschlagen und beleidigt. Alle Deutschen und anderen haben weggesehen, aber mir ist ein Iraker zu Hilfe gekommen, mit dessen Hilfe ich auch Anzeige bei der Polizei erstattet hatte. Und der Iraker hat dem Nigerianer auch ordentlich die Meinung gegeigt. Im Gegensatz zu Charlotte bin ich schon der Meinung, daß man das darf, denn warum sollen wir in dem Land, in dem wir leben, nicht dessen Werte und Umgangsregeln offen vertreten?
Guten Morgen steckchen,
ich habe den Text von Dir, auf den Du hingewiesen hast, jetzt nachgelesen und verstehe da leider etwas nicht. Ich habe den betreffenden Text rot markiert. - Ihr seid nur zwei Personen in der ganzen U-Bahn gewesen - wenn ich das jetzt nachvollziehe, dann waren der Iraker und Du die einzigen Personen in der U-Bahn, wo waren denn dann die ganzen anderen Deutschen die alle weggesehen und Dir nicht geholfen haben?
Vielleicht könnt Ihr - charlotte_ und steckchen - ja etwas korrigieren, das ich nicht verstanden oder falsch interpretiert habe - denn ich bin eine, die gern nachvollzieht und versteht.
Euch beiden und den anderen Mitleserinnen und -leser, Mitschreiberinnen und -schreiber einen schönen Samstag - mit Sonne im Herzen- draußen auch noch Sonne wäre optimal
mohn
Schön, daß Du gerne nachvollziehst und mir klargemacht hast, wo der Knackpunkt im Verständnis meiner Ausführungen liegt.

Also es war so:
Ich betrat den U-Bahn-Waggon als einzige Person. Es war Nachmittags so gegen drei Uhr. Nachdem ich mich gesetzt hatte, stieg besagter Nigerianer in die U-Bahn und setzte sich genau neben mich, schaute mich an und rieb sein Knie gegen meins. Das war mir unheimlich und ich stand auf und setzte mich ein paar Reihen weiter vorne woanders hin. Da es sich um die Endhaltestelle der U-Bahn handelte, dauerte es eine Weile, bis sich der Zug in Bewegung setzte. In dieser Weile, ca. 3 Minuten stiegen dann auch noch ein paar andere Leute in den Waggon ein und so waren wir gottseidank nicht mehr allein. Er schaute allerdings immer böse zu mir hinüber. Drei vier Stationen später stand er dann plötzlich auf kam zu mir, baut sich vor mir auf und fing an mich zu beschimpfen, ich wäre Rassistin und wäre arrogant. Die U-Bahn war mittlerweile rappelvoll geworden. Ich reagierte zuerst nicht, dachte ich doch, er würde sich beruhigen und wieder gehen. Aber er schlug plötzlich zu und das tat weh. Ich versuchte seine Schläge abzuwehren und rief um Hilfe, ich würde diesen Mann nicht kennen und er würde mich belästigen. Dann kam mir der besagte Iraker zuhilfe, sagte dem Nigerianer, er solle aufhören. Er hörte dann auch auf. Sonst half mir in der rappelvollen U-Bahn niemand.
Der Iraker alarmierte an der nächsten Haltestelle die Bahnaufsicht, die dann den Nigerianer festhielt, die Polizei rief, die nach einer halben Stunde eintraf und ihn und mich befragte, wobei ich dann auch Anzeige gegen ihn erstattete. Ich erzählte kurz, was sich zugetragen hatte und durfte dann auch gehen. Der Iraker sagte auch als Zeuge für mich aus. Daß der junge Mann christlicher Nigerianer war, weiß ich übrigens aus dem Polizeiprotokoll, welches mir zwei Wochen später aufgrund meiner Anzeige zugestellt wurde.
Ich hoffe, ich konnte jetzt die Mißverständnisse, was meine Geschichte und meine Meinung zu Charlotte_s Worten auf Seite 1 dieses Threads betrifft, einigermaßen aufklären.
LG
Steckchen
Die Liebe vernachlässigt diejenigen am meisten, die ihrer am meisten bedürfen.
(Madame de Rosemonde im Film: Gefährliche Liebschaften (Regie: Stephen Frears) 1988