DaF-Trainerin

[Adah]

Liebes Forum, liebe Mitlesende,

bin durch Zufall auf diese Webseite gekommen - naja, wohl doch nicht so zufällig. Denn ich hatte einfach viele Fragen, auf die ich Antworten gesucht habe. Und ein Kompliment an Euch alle - Ihr helft wirklich vielen! Auch mir. Danke dafür!!!

In kurzen Worten, meine derzeitige Situation (und bitte glaubt mir, allein beim Schreiben dieser „Eckdaten“ fühle ich mich unfassbar dumm!):

Bin Ende 50 und „er“ ist Ende 30. Ich war seine Lehrerin, und „er“ war schon damals ein Einserkandidat, in Sachen flunkern und sich etwas parallel zur Wahrheit zu bewegen. Mir hat damals ein Arbeitskollege die Augen geöffnet, der aus dem gleichen Land wie „er“ stammt. Er meinte nur, dass ich möglichst wenig davon glauben solle, was mir da so erzählt wird! (Und damals ging es einfach nur um seine Ausreden, warum er so selten zum Kurs kommt)
Beide sind arabische Männer, aber so weit voneinander entfernt, dass sie auch von unterschiedlichen Planeten stammen könnten!

Also, ich hatte von Anfang an das Gefühl, ihm nicht vertrauen zu können.

Aber - er ist mir schon damals aufgefallen, irgend etwas war anders als bei allen anderen. Nicht, dass ich mir wirklich darüber Gedanken gemacht hätte! Und Schüler sind ohnehin völlig tabu. Dachte ich. Allerdings dachte ich auch, dass eine Lehrerin so etwas wie eine Respektsperson ist, und eben auch aus diesem Grund tabu ist. Falsch gedacht!

Bis er mir vor ca. einem halben Jahr plötzlich eine Nachricht geschickt hat. Ich war völlig verwundert! Habe die Nachricht aber auch wieder vergessen. Bis ich sie dann, nach Tagen, wieder gesehen habe - und dank meiner „guten“, da sehr Mitteleuropäischen Erziehung auf „höflich“ getrimmt, dann doch geantwortet habe.

Von diesem Zeitpunkt an war ich geliefert!
Ich brauche nun ja hier nicht näher darauf einzugehen (denn den meisten hier ist es ja ähnlich ergangen), wie die Herren sich erst quasi einschleichen, dir das Blaue vom Himmel erzählen, dich umgarnen - um dich in letzter Konsequenz einfach auszunehmen.

Eben Mittel zum Zweck!

Das Dumme ist einfach nur, ich mag ihn wirklich! Nein, keine rosa Brille! Ich habe meine Gefühle ziemlich in Griff. Ich habe mir nicht erlaubt, mich in ihn zu verlieben. Das nicht!
Aber ich fasse es einfach nicht, wie er es geschafft hat, mir innerhalb kürzester Zeit soviel Geld abzunehmen!

Ich sollte es doch besser wissen! Aber auch ich hatte vorher nie vom Begriff Bezness gehört - einfach, weil das alles sehr weit von meiner Lebensrealität entfernt war.

Und jetzt?
Ich habe mein Telefon abgeschaltet, ich will nicht mehr erreichbar sein - und ich will auch nicht meinen Job verlieren - trotzdem habe ich manchmal das Gefühl, Menschen aus diesem Kulturkreis nicht mehr unterrichten zu wollen. Auch wenn die meisten Begegnungen durchaus positiv sind.

Fühle mich einfach sehr vera****t! Und verraten! Denn dieser, anscheinend dumme Gedanke an das Gute im Menschen ist schwer erschüttert!
Durch eigene Dummheit…

Wer hat ähnliche Erfahrungen?

[Cimmone]

Liebe Adah,

Herzlich Willkommen im Forum 1001 Geschichte.
Das Team wünscht Dir einen guten Austausch.

[Cimmone]

Mit Deiner Geschichte bist Du genau im richtigen Forum.
Hier sind viele User, die ähnliche Erfahrungen wie Du, gemacht haben.

Es tut mir sehr leid, dass Du diese Erfahrung gemacht hast.

Mit Sicherheit werden sich weitere User äußern.
Du bist nicht allein.

[Adah]

Danke Cimmone!

[Kat82]

Ich bin auch DaF-Lehrerin und habe schon Ähnliches erlebt. Zum Glück hat seit mehreren Jahren keiner mehr versucht mir Avancen zu machen, aber es ist natürlich schon vorgekommen und ich hatte mich (leider auch schonmal darauf eingelassen). Hatte ich auch damals hier im Forum etwas zu geschrieben.

Aber, natürlich ist es eigentlich absolut respektlos die Lehrerin anzuflirten und die Absichten sind klar. Und es sind definitiv keine guten Absichten

[Mignon]

Ich habe selbst lange als DaF-Lehrerin gearbeitet und immer wieder erlebt, dass Kolleginnen die professionelle Distanz zu ihren (männlichen) Schülern schnell aufgaben. Das heißt nicht, dass sie unbedingt eine Liebesbeziehung eingingen. Aber da gab es private Treffen, gegenseitige Besuche, und dann wechselte eben auch der eine oder andere Geldschein den Besitzer. ("Das habe ich dem Hassan jetzt einfach mal finanziert.")

Weil sie auf keinen Fall rassistisch sein wollten (wer will das schon?), ignorierten manche Kolleginnen alle kulturellen und religiösen Unterschiede zwischen der Herkunftskultur der Schüler und unseren hiesigen Gepflogenheiten und behandelten auch Männer, die mit archaischen Geschlechterrollen großgeworden sind, wie Max und Julian aus ihrem Freundeskreis. Die Grundüberzeugung ist immer die, dass unsere Werte und unser Umgang miteinander so toll ist, dass jeder Mensch aus einer anderen Kultur bereitwillig und quasi über Nacht zum Westeuropäer mutiert. Und das ist einfach ein riesiger Trugschluss.

Und so werden die Schüler teils herzlich umarmt, Details aus dem eigenen Privatleben unbefangen erzählt ("Nee, ich bin nicht verheiratet. Ich lebe mit meinem Freund zusammen."), die junge Lehrerin sitzt im kurzen Rock lässig auf dem Pult - und hat keinen Schimmer, was das bei den muslimischen Schülern auslöst. (Natürlich kann in unserem Land jeder anziehen, was man in unserem Land so anzieht. Keine Frage. Aber die Akzeptanz meiner Umgebung spielt schon eine Rolle. Sonst würden wir im Badeanzug ins Theater gehen oder im Abendkleid einkaufen. Und niemand möchte für seine äußere Erscheinung verachtet werden.)

Distanz- und Respektlosigkeiten folgen dann schnell. Und das, wo die Lehrerin sich doch so um die Schüler bemüht hat und ihnen so herzlich begegnet.

[Cimmone]

Mignon, das ist ein toller Beitrag. Er zeigt auf, wo unsere Stellschrauben angelegt werden müssen.

Ich hab mich lange auseinandergesetzt mit der Kultur ( leider zu spät) und habe gehadert, ob bestimmtes Verhalten meinerseits, schon Unterwerfung ist. Bin aber zu dem Schluss gekommen, dass man über die unterschiedlichen Sozialisationen, Welt- und Menschenbilder informiert sein muss, um sich entsprechend verhalten zu können, um nicht aus Unverständnis in Schwierigkeiten zu geraten.
Es wäre schön, wenn die Menschen anderer Kultur sich ebenfalls damit befassen würden (ausgenommen die, die das tun). Damit das Adaptieren nicht einseitig wird.