Sri Lanka: Leide ich unter dem AMIGA-Syndrom?
Verfasst: 20.07.2014, 12:51
Hallo in die Runde,
schon seit sehr langer Zeit lese ich in diesem Forum und auch durch einen großen Teil der wahren Geschichten habe ich mich gelesen. Wie ich auf dieses Forum gestoßen bin, weiß ich nicht mehr. Aber seitdem hat es mich nicht mehr losgelassen und ich stelle mir immer wieder die Frage, ob ich auch eine von diesen Personen bin, die erst im Nachhinein verstehen, dass sie nur Mittel zum Zweck waren.
Am besten erzähle ich einfach mal meine momentane Situation.
Ich bin ein sehr reisefreudiger Mensch und habe Dank meines Berufes auch immer wieder die Möglichkeit längere Auslandsaufenthalte zu absolvieren. In vielen fremden Kulturen finde ich mich schnell zurecht und kann mich bis zu einem gewissen Grad auch gut auf sie einlassen.
Noch während des Bürgerkrieges war ich das erste Mal für eine kurze Urlaubsreise im Südwesten Sri Lankas, wo man sich einigermaßen sicher aufhalten konnte. Es war ein schöner Aufenthalt und es war einer dieser Orte, an die ich unbedingt für längere Zeit zurückkehren wollte. Nach Abschluss meines Studiums und Beginn der Berufstätigkeit ergab sich dann die Möglichkeit für drei Monate nach Sri Lanka zu gehen.
Nachdem ich mich zunächst an verschiedenen Orten – sowohl an der West- als auch der Ostküste – aufhielt, schlug ich meine Zelte für die restlichen zwei Monate in einem eher touristischen Gebiet am sogenannten „Speckgürtel“ Sri Lankas auf. Dort hatte ich schon schnell ein Stammrestaurant, in das ich immer wieder zum Essen kam.
Dort lernte ich auch Ravi (nicht sein richtiger Name!) kennen. Er arbeitete dort als Kellner. Anfangs hatten wir nicht besonders viel miteinander zu tun. Ein bisschen Smalltalk und das war's. Mit der Zeit unterhielten wir uns aber immer mehr und witzelten gemeinsam herum. Es entwickelte sich immer mehr und spielerisch kamen wir auch ein bisschen in Körperkontakt miteinander. Damit meine ich keine Küsse und Streicheleinheiten, sondern spöttische Frotzeleien wie kneifen und kitzeln.
Ravi fiel mir durch seine Ehrlichkeit und Besorgtheit auf. Er war es immer, der guckte, dass Gäste gut nachhause kamen, wenn sie eigentlich schon viel zu betrunken waren, der das Trinkgeld ehrlich unter dem Personal aufteilte, sich nichts in die eigene Tasche steckte, den Hunden am Strand die Essensreste zum Fressen gab und vergessene Gegenstände (auch Wertgegenstände) solange verwahrte bis sie vom Eigentümer wieder geholt wurden.
Diese Ehrlichkeit kostete ihn irgendwann seinen Job, da er sich gegen das unmoralische Verhalten seines Chefs stellte. Daraufhin wurde er gekündigt und stand vor dem Ende der Saison ohne Job da.
In dieser Phase hatte er dann viel Zeit, die wir zusammen verbrachten. So kamen wir uns immer näher und sind schließlich auch zusammen durchs Land gereist. Dafür hat er seine Ersparnisse mitgenommen und solange alles bezahlt bis das Geld aufgebraucht war. Danach habe ich bezahlt. Wir sind insgesamt sehr billig gereist.
Wir kehrten von unserer Reise zurück und bald war es an der Zeit sich zu verabschieden. Ich flog zurück nach Deutschland.
Zurück in Deutschland verging kein Tag, an dem ich nicht an ihn dachte. Kontakt zu halten war nicht einfach, weil er aus armen Verhältnissen stammt und keinen Zugriff auf Internet hatte. Wir schickten ab und zu eine SMS und telefonierten alle drei, vier Wochen einmal. Ich hatte mit dem Thema eigentlich schon abgeschlossen als ich beruflich wieder nach Sri Lanka kam. Diesmal gleich für ein halbes Jahr.
Ravi hatte inzwischen schon lange eine neue Arbeit gefunden und war wieder als Kellner beschäftigt. Wir teilten uns ein kleines Apartment und verbrachten in diesem halben Jahr einen ganz normalen Alltag miteinander, in dem wir beide arbeiteten und unsere freie Zeit zusammen verbrachten. Das Zimmer habe ich gezahlt, andere Kosten haben wir geteilt, wobei ich einen höheren Anteil trug, da mein Gehalt auch um vieles höher war.
Ab und an gab es natürlich auch Streitigkeiten und Missverständnisse, aber am Ende vertrugen wir uns wieder. Eben wie in einer ganz normalen Beziehung. Ich erlebte in glücklich, traurig, wütend, eifersüchtig, fürsorglich, besorgt, gestresst, entspannt, … also in allen Gemütszuständen. Nicht alles davon hat mir gefallen, aber auch in negativen Situationen konnte man immer seinen positiven sensiblen Charakter erleben.
Dann war auch dieser Aufenthalt zu Ende und der Abschied fiel schwer. Mittlerweile hat er ein Smartphone mit mobilem Internet und wir können über Skype chatten. Wir telefonieren auch und ab und zu läuft die Webcam.
Da ich in absehbarer Zeit wohl nicht mehr nach Sri Lanka kommen werde und ich soviel von seinem Leben mitbekommen habe, er aber nichts von meinem, wird er mich in zwei Monaten besuchen kommen. Er hat ein Visum für sechs Wochen erhalten.
Warum ich das jetzt alles schreibe? Eigentlich hätte ich nie an seiner Ehrlichkeit und an seinen Gefühlen mir gegenüber gezweifelt. Aber ich habe auch die Geschichten gelesen, in denen sich die Partner als perfekte Schauspieler herausgestellt haben und das macht mir Angst. Schließlich kann es bei mir ja genauso sein. Nun hoffe ich, dass ich mit eurer Hilfe und euren Nachfragen vielleicht etwas Licht ins Dunkel bringen kann und dass ihr mich sensibilisiert, auf was ich genau achten soll, wenn mein Freund hier ist.
Mir ist auf jeden Fall bewusst, dass unsere Konstellation – Bezzie hin oder her – schon keine sehr gute Ausgangsposition ist. Wir kommen aus unterschiedlichen Kulturen und sind auch dementsprechend verschieden aufgewachsen. Unser Bildungsstand könnte unterschiedlicher kaum sein. Aber er hat etwas an sich, das mich einfach nicht loslässt und das ich jeden Tag vermisse, wenn ich nicht mit ihm zusammen bin.
Leide ich unter AMIGA?
Vielleicht gibt es neben den ganzen Maghreb-ExpertInnen hier ja auch den oder anderen Sri Lanka Experten, der mich auf Dinge aufmerksam machen kann, die ich bislang komplett übersehen habe.
Ich freue mich auf einen guten Austausch, auch wenn ich Angst davor habe, dass ich mich gerade in eine Sache verrenne, die nicht so ist, wie sie scheint.
Hui.... der Text ist jetzt doch länger geworden als gedacht.
schon seit sehr langer Zeit lese ich in diesem Forum und auch durch einen großen Teil der wahren Geschichten habe ich mich gelesen. Wie ich auf dieses Forum gestoßen bin, weiß ich nicht mehr. Aber seitdem hat es mich nicht mehr losgelassen und ich stelle mir immer wieder die Frage, ob ich auch eine von diesen Personen bin, die erst im Nachhinein verstehen, dass sie nur Mittel zum Zweck waren.
Am besten erzähle ich einfach mal meine momentane Situation.
Ich bin ein sehr reisefreudiger Mensch und habe Dank meines Berufes auch immer wieder die Möglichkeit längere Auslandsaufenthalte zu absolvieren. In vielen fremden Kulturen finde ich mich schnell zurecht und kann mich bis zu einem gewissen Grad auch gut auf sie einlassen.
Noch während des Bürgerkrieges war ich das erste Mal für eine kurze Urlaubsreise im Südwesten Sri Lankas, wo man sich einigermaßen sicher aufhalten konnte. Es war ein schöner Aufenthalt und es war einer dieser Orte, an die ich unbedingt für längere Zeit zurückkehren wollte. Nach Abschluss meines Studiums und Beginn der Berufstätigkeit ergab sich dann die Möglichkeit für drei Monate nach Sri Lanka zu gehen.
Nachdem ich mich zunächst an verschiedenen Orten – sowohl an der West- als auch der Ostküste – aufhielt, schlug ich meine Zelte für die restlichen zwei Monate in einem eher touristischen Gebiet am sogenannten „Speckgürtel“ Sri Lankas auf. Dort hatte ich schon schnell ein Stammrestaurant, in das ich immer wieder zum Essen kam.
Dort lernte ich auch Ravi (nicht sein richtiger Name!) kennen. Er arbeitete dort als Kellner. Anfangs hatten wir nicht besonders viel miteinander zu tun. Ein bisschen Smalltalk und das war's. Mit der Zeit unterhielten wir uns aber immer mehr und witzelten gemeinsam herum. Es entwickelte sich immer mehr und spielerisch kamen wir auch ein bisschen in Körperkontakt miteinander. Damit meine ich keine Küsse und Streicheleinheiten, sondern spöttische Frotzeleien wie kneifen und kitzeln.
Ravi fiel mir durch seine Ehrlichkeit und Besorgtheit auf. Er war es immer, der guckte, dass Gäste gut nachhause kamen, wenn sie eigentlich schon viel zu betrunken waren, der das Trinkgeld ehrlich unter dem Personal aufteilte, sich nichts in die eigene Tasche steckte, den Hunden am Strand die Essensreste zum Fressen gab und vergessene Gegenstände (auch Wertgegenstände) solange verwahrte bis sie vom Eigentümer wieder geholt wurden.
Diese Ehrlichkeit kostete ihn irgendwann seinen Job, da er sich gegen das unmoralische Verhalten seines Chefs stellte. Daraufhin wurde er gekündigt und stand vor dem Ende der Saison ohne Job da.
In dieser Phase hatte er dann viel Zeit, die wir zusammen verbrachten. So kamen wir uns immer näher und sind schließlich auch zusammen durchs Land gereist. Dafür hat er seine Ersparnisse mitgenommen und solange alles bezahlt bis das Geld aufgebraucht war. Danach habe ich bezahlt. Wir sind insgesamt sehr billig gereist.
Wir kehrten von unserer Reise zurück und bald war es an der Zeit sich zu verabschieden. Ich flog zurück nach Deutschland.
Zurück in Deutschland verging kein Tag, an dem ich nicht an ihn dachte. Kontakt zu halten war nicht einfach, weil er aus armen Verhältnissen stammt und keinen Zugriff auf Internet hatte. Wir schickten ab und zu eine SMS und telefonierten alle drei, vier Wochen einmal. Ich hatte mit dem Thema eigentlich schon abgeschlossen als ich beruflich wieder nach Sri Lanka kam. Diesmal gleich für ein halbes Jahr.
Ravi hatte inzwischen schon lange eine neue Arbeit gefunden und war wieder als Kellner beschäftigt. Wir teilten uns ein kleines Apartment und verbrachten in diesem halben Jahr einen ganz normalen Alltag miteinander, in dem wir beide arbeiteten und unsere freie Zeit zusammen verbrachten. Das Zimmer habe ich gezahlt, andere Kosten haben wir geteilt, wobei ich einen höheren Anteil trug, da mein Gehalt auch um vieles höher war.
Ab und an gab es natürlich auch Streitigkeiten und Missverständnisse, aber am Ende vertrugen wir uns wieder. Eben wie in einer ganz normalen Beziehung. Ich erlebte in glücklich, traurig, wütend, eifersüchtig, fürsorglich, besorgt, gestresst, entspannt, … also in allen Gemütszuständen. Nicht alles davon hat mir gefallen, aber auch in negativen Situationen konnte man immer seinen positiven sensiblen Charakter erleben.
Dann war auch dieser Aufenthalt zu Ende und der Abschied fiel schwer. Mittlerweile hat er ein Smartphone mit mobilem Internet und wir können über Skype chatten. Wir telefonieren auch und ab und zu läuft die Webcam.
Da ich in absehbarer Zeit wohl nicht mehr nach Sri Lanka kommen werde und ich soviel von seinem Leben mitbekommen habe, er aber nichts von meinem, wird er mich in zwei Monaten besuchen kommen. Er hat ein Visum für sechs Wochen erhalten.
Warum ich das jetzt alles schreibe? Eigentlich hätte ich nie an seiner Ehrlichkeit und an seinen Gefühlen mir gegenüber gezweifelt. Aber ich habe auch die Geschichten gelesen, in denen sich die Partner als perfekte Schauspieler herausgestellt haben und das macht mir Angst. Schließlich kann es bei mir ja genauso sein. Nun hoffe ich, dass ich mit eurer Hilfe und euren Nachfragen vielleicht etwas Licht ins Dunkel bringen kann und dass ihr mich sensibilisiert, auf was ich genau achten soll, wenn mein Freund hier ist.
Mir ist auf jeden Fall bewusst, dass unsere Konstellation – Bezzie hin oder her – schon keine sehr gute Ausgangsposition ist. Wir kommen aus unterschiedlichen Kulturen und sind auch dementsprechend verschieden aufgewachsen. Unser Bildungsstand könnte unterschiedlicher kaum sein. Aber er hat etwas an sich, das mich einfach nicht loslässt und das ich jeden Tag vermisse, wenn ich nicht mit ihm zusammen bin.
Leide ich unter AMIGA?
Vielleicht gibt es neben den ganzen Maghreb-ExpertInnen hier ja auch den oder anderen Sri Lanka Experten, der mich auf Dinge aufmerksam machen kann, die ich bislang komplett übersehen habe.
Ich freue mich auf einen guten Austausch, auch wenn ich Angst davor habe, dass ich mich gerade in eine Sache verrenne, die nicht so ist, wie sie scheint.
Hui.... der Text ist jetzt doch länger geworden als gedacht.