hallo,
hoffe es ist in Ordnung, das hier rüber zu kopieren ?
Die Stellung der Frau in moslemischen Ländern
http://www.psychotherapeutin.at/pdfs/tu ... ilien_.pdf
Scharade » 02.08.2012, 12:40
Wenn ich an die Aussagen bezüglich der Geschenke, die man beim Urlaub jedem Familienmitglied mitzubringen hat, denke, dann ist mir jedenfalls klar, dass es nicht um den Zusammenhalt der Familie gefühlsmäßig geht, sondern in erster Linie um finanzielle Dinge. Und dieser rote Faden zieht sich beim Heiraten usw. durch.
Ich muss noch einmal sagen, dass diese Menschen einfach anders in ihrem Denken sind.
Mein Ex ist einmal NICHT nach Tunesien gefahren - sonst ging es immer mit dem Auto und der Fähre nach Tunis - und hat sich der Familie gegenüber mit einer heftigen Erkrankung herausgeredet. Da sass er hier und weinte, weil er nicht fahren konnte. Auf meine /deutsche/ verblüffte Frage, warum er der Familie nicht sage, dass er eben keine Geschenke mitbringen könne, hat er sich überwunden und mir die Bedeutung dieser Bestellungen bzw. Forderungen der tunesischen Familie erklärt. Er hatte überhaupt keine Möglichkeit, diesen Forderungen auszuweichen, er konnte sie nur durch das Fernbleiben von Tunesien aushebeln. Tunesier ticken einfach anders - sind aber auf der anderen Seite auch bereit, das Ihrige zu tun, wenn es an ihnen ist. So. z. B. hatten Sie uns ein Jahr nach Nizza eingeladen, weil dort ein Familienmitglied wohnte und alles für uns bezahlt, einschl. Hin- und Rückfahrt mit dem Zug und den kompletten Aufenthalt. Wir hätten das gar nicht verhindern können. Wir haben dort sogar einen neuen offer kaufen müssen, um alles mitzunehmen.
In einem Jahr kam eine Schwester von Z., um uns zu besuchen - sie hatte ein wenig Geld dabei - ich glaube damals so ca. 500,-- DM (normalerweise kann ein Tunesier kein Geld ausführen, aber sie arbeitete für die Regierung) und hatte einen großen Koffer dabei. Als ich den Koffer aufmachte, war ich wirklich verblüfft, sie hatte fast nichts darinnen, außer einmal Garderobe zum Wechseln und der Rest war ausgefüllt mit Damenbinden. Wirklich.
Das Problem mit der Garderobe hat sie schnell gelöst: sie ging einfach an meinen Schrank und nahm sich meine Klamotten. Mein Protest deswegen hat ihr keine Sorgen bereitet: Sie lächelte hinreißend und sehr freundlich. Sie lächelte auch noch, als ich meinen Partner anbrüllte. Vermitteln konnte er nicht und ich musste mich damit abfinden, dass ich meine Sachen nicht mehr anziehen konnte, weil sie eben 2 Nummer größer hatte als ich. Für sie kein Problem. Alllerdings hat sie die Sachen auch nicht mitnehmen wollen, als ich sie ihr geben wollte, das waren ja meine. Sie hat sich nur ganz selbstverständlich bedient.
Einmal habe ich gedacht, ich könne sie allein in die Nachbarschaft zum Einkaufen schicken. Sowas fand sie interessant. Allerdings hat sie die 20,-- Mark, die ich ihr für Brot und Eier mitgegeben hatte, ganz anders genutzt: sie kam nach 2 Stunden fröhlich zurück und hatte sich einen Ring gekauft, der ihr gefiel. Das war so ein Teil, dass bei Temperaturveränderung die Farbe veränderte. Das fand sie toll. Und ich hatte kein Brot und keine Eier und mein Ex die nächste Dusche. Und SIE lächelte und steckte den Ring zurück an den Finger.
Für die 500,-- DM hat sie ganz viele Klamotten gekauft, einen ganzen Koffer voll. Allerdings überwiegend nicht in ihrer Größe, sondern in vielen Größen, von Kind bis Erwachsener. Die waren für die Familie. Bestellungen.
Überhaupt hat sie, als sie in Deutschland war, Konflikte durch Lächeln gelöst und auch wenn sie der Anlaß der Streitigkeiten war, sich nie auf Diskussionen eingelassen. Nie kam ein zurechtweisendes Wort oder eine Verteidigung. Es ging sie einfach nichts an. Sie lächelte alles weg - und sie war wirklich, das muss ich als "Schwester" zugeben, eine unglaublich schöne Frau mit dicken Haaren bis zum Po.
In den Folgejahren habe ich dann ab und zu in ihren Garderobenschrank gegriffen, nur, um mal zu testen. Es kam nie eine Abwehr. Und sie hat mir immer alles geholt, von dem sie glaubte, dass ich es gebrauchen könnte, auf ihre Kosten oder auch auf Kosten der anderen Geschwister. Sicher war ich viel zu teuer für Sie und die anderen und eines Tages hat Z. mich darauf aufmerksam gemacht und mich gebeten, auch im Souk nicht mehr irgendwelche Sachen anzusehen, die Familie würde sie mir kaufen. Auch auf diese Art habe ich lernen müssen, wie unterschiedlich die Mentalität der Menschen ist. Manches kann man einfach nicht verstehen, man muss es eben so hinnehmen, wie es ist.
Oder mein unbedachtes Gamba-Essen. Wir waren in einem Restaurant in Tunis - sehr exklusiv am Wasser - und aßen Gambas. Es waren nur 3 oder 4 Stück und sie passten in meine Zahnlücke. Ich kann mich an Gambas sattessen. So fragte mich der Schwager, der uns eingeladen hatte, ob ich satt sei und auf mein verneinen bestellte er noch eine Portion. Und noch eine und immer wieder, bis ich sagte, ich kann nicht mehr. Dann war ich satt. (Er hatte mir vorher gesagt, er würde wetten, dass ich nicht mehr als 3 oder 4 Portionen essen könne). Auf dem Rückweg von diesem Restaurant fragte mich Z.: "Sag mal, weißt du eigentlich, dass A. gerade 160 Dinar bezahlt hat?" Da war ich ausgesprochen erschrocken, allerdings hatte A. auch ausgiebig dem Alkohol zugesprochen, den man ja in Tunesien auch nicht kaufen konnte.....
von Scharade » 03.08.2012, 13:07
Ach, und noch etwas möchte ich bemerken,
die Kinder dieser Familie /kann man sich ja ausrechnen/ 11 Kinder und alle wiederum mit Kindern sind von keinem Erwachsenen jemals unfreundlich oder böse behandelt worden, im Gegenteil, immer wieder habe ich gesehen, wie sich die Kinder erfolgreich Streicheleinheiten abholten und man durchaus sehr freundlich miteinander umging. Nicht ein einziges Mal ist ein Kind geschlagen worden, auch von den anderen Kindern nicht.
Dies hat aber nicht ausgeschlossen, dass die Jungen bevorzugt wurden, es wurde eben so gehandhabt. Die Mädels lernten früh die Hausarbeit und die Jungen spielten so gern Fussball, den gab es natürlich. Und jedes Kind hat ganz selbstverständlich seine Rolle in der Familie gekannt und angenommen, da gab es keine Reibereien.
Eine Ausnahme gab es allerdings leider: einer der großen Brüder wohnte im Stammhaus in der oberen Etage mit seiner Frau und einem Stapel Kinder. Diese Kinder verliessen nicht den oberen Bereich und die Mutter fasste ihre eigenen Kinder nicht an, es gab kein Kuscheln oder irgendeine wie auch immer geartete Zuwendung. Das hat sich auch gezeigt, als ich einmal eines der Kinder sah, nicht mal zwei Jahre alt - welches mitten auf dem Elternbett sass und in einer Art Hospitalismus sich hin- und her bewegte . Aber dieser Bruder war sowieso seltsam, dem durfte ich nicht mal mehr die Hand geben, nachdem er die Jahre zuvor ein so netter Freund gewesen war. Der hatte eine Komplettmetamorphose durchgemacht zum Negativen.
Er hatte das 2. Mal geheiratet, so eine komplett verschleierte Frau - und die Lebensfreude war absolut weg.
Sie las den ganzen Tag im Koran und tat ansonsten praktisch nichts, was mich erkennen ließ, dass sie Frau oder Mutter war.
Meine Frage nach diesem seltsamen Benehmen quittierten die anderen Familienmitglieder mit einem Schulterzucken und dem Hinweis, die Frau sei "verrückt" und der Bruder hätte beschlossen, jetzt "heilig" zu werden. Niemand hat Kontakt zu ihr gesucht, nur die Ommi hat für alle gekocht, denn das tat diese Frau auch nicht.
von nabila » 03.08.2012, 17:26
hallo,
....Und jedes Kind hat ganz selbstverständlich seine Rolle in der Familie gekannt und angenommen...... ???
Fein, damit ist dann ja die Ausführung der Psychotherapeutin aus dem Link untermauert !!!!
Friede - Freude - Eierkuchen ?
Seite 5…… Körperkontakt gibt es viel, dann wenn Mutter oder Vater oder sonst ein Mitglied der Familie das gerne möchte eher als
wenn das Kind ein Verlangen danach hat. Sicherlich tut er oft gut und wärmt, vor allem im Winter , Körper und Seele. Eine weitere
Ressource der Kinder ist die räumlichen Nähe in der die Großfamilie lebt, wo genügend Ansprechpersonen sind. Ist die Mama grantig,
so geht Kind halt zur Tante oder Oma, die sich über seine Anwesenheit freut
Seite 6 ….. Es entsteht das, was Winnicot als falsches Selbst bezeichnet, hier würde ich sagen das gesellschaftlich erwünschte
Selbst. Die Kinder identifizieren sich vollkommen mir ihren Eltern und nehmen den Auftrag, so zu leben wie sie, an. Zitat: Solchen Verhaltensweisen sind zu verstehen als Rolle, die man übernommen hat, als Tradition. Der schicksalhaften unbewussten Überzeugung: „Es geschieht eben so, wie es immer so geschehen ist“, fehlt der Abwehr-Charakter des zweckhaften individuellen Handelns.
von Scharade » 03.08.2012, 18:27
Nabila, ich konnte die Handlungen meiner Familie über eine Reihe von Jahren verfolgen und ich muss sagen, es war beileibe nicht immer alles Friede-Freude-Eierkuchen. Einfluss konnte ich leider nur peripher nehmen, manchmal war manches sehr bitter. Ich habe als Beobachter sehr viel wahrgenommen und manches ging mir in seiner ganzen Tragweite erst Jahre später auf.
So z. B. gab es in der Familie 11 Kinder. Von ca. 2 - 25 Jahre. Darunter waren 5 Mädchen, die bis auf eine alle die Möglichkeit hatten, sich nach Neigung weiterzubilden. Leider galt die nicht für ein damals 7-jähriges Mädchen, dem man eine Rolle im Haus zugedacht hatte. N. hatte nur einen kleinen optischen Fehler, sie schielte. Ansonsten war sie ein ganz liebes, reizendes Kind. Sie bekam nicht die Möglichkeit, das Gymnasium oder die Universität zu besuchen, ihr war auch letztlich kein Ehemann zugedacht. Über die Jahre habe ich sie als eine Art bessere Hausmagd wahrgenommen. Sie hat alle Arbeiten im Haus gemacht, war lieb und sanft und hatte von sich aus nicht das Bedürfnis zu haben, mal zu heiraten oder Kinder zu bekommen. Es wurde einfach nicht als gegeben angenommen. Meine Nachfragen über die Jahre wurden ein wenig belächelt nach dem Motto, N. sei sowieso ein bisschen dumm und bisher hätte sich kein Mann nach ihr umgesehen. Wie denn auch! Sie ging ja kaum aus der Tür. Viele Jahre später, als ich telefonisch mal nach ihr fragte, wurde mir lapidar mitgeteilt. N. sei verrückt geworden. Dann war das Thema erledigt.
Für die Leute dort ist das selbstverständlich, wenn ihr Schicksal im Familienkreis beschlossen ist, kommen die meisten nicht darauf, sich dagegen aufzulehnen. Und wenn, dann nur hinter vorgehaltener Hand - z. B. rauchte D. und durfte sich dabei nicht von den Brüdern erwischen lassen, die allerdings dann auch nur pro Forma Theater machten, weil sie teilweise selber rauchten.
Mir war damals auch sehr extrem aufgefallen, dass es praktisch keine Behinderten gab und Hunde und Katzen wurden auf der Straße gequält und getreten. Sie waren Spielbälle für die Launen der Kinder und niemanden schien es zu stören.
Es ist nicht immer alles gut gegangen, der oder die eine oder andere haben sich nach Kräften gewehrt. Gerne wurde das nicht gemacht, weil man sich immer der Gefahr aussetzte, von der Familie ausgegrenzt zu werden.
So wohnten im Laufe der Jahre die Geschwister alle in eigenen Häusern in der Siedlung, aber immer doch sehr dicht beieinander, fußläufig erreichbar.
Jeden ging alles was an und wer denkt, ein Kranker wurde isoliert und allein gelassen zur Genesung, der irrt. Tunesier werden nur gesund, wenn die ganze Familie da ist und ihnen beim Gesundwerden zuschaut. Da ist es schon mal laut im Krankenzimmer. Und wenn die Toten besucht werden, dann sitzt die Familie bei und auf dem blauen oder weißen Grabstein und es wird gefeiert und gegessen. Und Musik gemacht. Picknick.
Ommi (Mama) war nicht dagegen, wenn aus Liebe ein Herzenspartner geheiratet wurde; stand allerdings immer warnend im Hintergrund, weil sie meinte, Liebe würde vergehen und dann würde alles anders. Und sie behielt Recht. 2 Liebesehen wurden ausgesprochen turbulent.
Ehrlich gesagt habe ich nie alles verstanden, weil es teilweise meiner eigenen Lebensauffassung widersprach. Dennoch konnte ich nicht viel ändern, die Strukturen waren eben im Laufe der Jahre gewachsen und man hörte mir im Wesentlichen amüsiert überheblich zu, ohne den Sinn, meinen Sinn, erkennen zu wollen.
Ach ja, beobachten konnte ich noch, dass diejenigen Familienmitglieder, die sehr gebildet waren, weniger Kinder hatten als die ohne dieses Privileg. Da gab es in aller Regel nur 2 - 3 Kinder. D. hatte ihren Sohn und ihre Tochter sogar in eine - katholische oder Nonnen? - Schule gebracht, die damals mitten im Souk in Tunis war. Die kostete sogar einen Haufen Geld für damalige Verhältnisse. Was das im Wesentlichen bedeutete, wird mir erst nach und nach klar. Aber es ging eben um die Bildung und mir wurde gesagt, die Lehrer an den öffentlichen Schulen würden die Kinder auch schlagen...
Und als die älteste Schwester - Lehrerin auch für Englisch - eines Tages beschloss, nun eine Kaschabia zu tragen, flog sie hochkant von der Schule, als sie darauf beharrte. Erst Jahre später durfte sie wieder unterrichten, allerdings nach wie vor ohne Verschleierung.
Die Frauen der Familie waren als junge Leute durchaus aufgeschlossen und flippig, aber je älter sie wurden, umso mehr wandten sie sich auch in Maßen dem Glauben zu. In den Liebesehen konnte ich Partnerschaften beobachten, in den arrangierten Ehen eher weniger, da war der Mann der Herr im Haus und hatte das Sagen.
Die Männe redeten nicht über ihre persönlichsten Probleme untereinander, die Frauen dafür umso mehr. Besonders interessant war bei den verheirateten Frauen auch Intimes. Da hatten die Frauen wenig Hemmungen. Von den Frauen erfuhr ich, dass Männer nie über sich selbst reflektieren würden. Mir gegenüber haben die jungen Männer der Familie das aber durchaus getan, sie konnten sicher sein, dass ich nicht darüber reden würde. Da kam sehr viel Frust zum Vorschein, auch darüber, immer die erste Geige spielen zu müssen, nicht jeder mochte das super gern, das war aber die ihnen zugedachte Rolle ----
von nabila » 03.08.2012, 20:10
hallo Scharade,
in keiner Weise wollt ich Dich angreifen, kenn Dich ja gar nicht und die family auch nicht, lediglich aufmerksam machen auf die Ausführungen in dem Link, die sich ja decken mit Deinen Erlebnissen.
-------- hatte von sich aus nicht das Bedürfnis zu haben --------
Das Bild von Friede-Freude-Eierkuchen-heile-Welt wird gern nach draußen getragen und gestützt, auch innen sozusagen zur Schau getragen.
schaut man jedoch intensiv und gründlich, sieht man sehr wohl die "Verklemmungen und Verkrüppelungen.". Das ist so komplex,
so vernetzt. Schule, Haushalt, Nachbarschaft > alles agiert nach diesen "Prinzipien". Gemäßigte Freiheiten evtl. ja, aber immer schön in "erreichbarer Armeslänge" > damit jeder weiß, wo der Hammer hängt., der Daumen ist, auf den man achten muss.
Und Du hast Recht, vieles versteht man vielleicht erst später, wenn man denn will, mit geänderter Sichtweise und Blickwinkel.
Liebe Grüße
von Scharade » 03.08.2012, 21:43
Liebe Nabila, das hatte ich auch nicht so verstanden. Ich habe von dem tunesischen Leben berichtet, so, wie ich es erlebt hatte. Dabei hatte ich wohl den Vorteil, dass ich sowas wie einen Freifahrtschein bekommen hatte und daher - von allen sehr gemocht - das eine oder andere Mal Ohrenzeuge von Dingen war, die man sonst nicht so offensichtlich mit sich herumträgt und mitteilt. Ich genoss großes Vertrauen, gerade auch vor den Brüdern.
Manchmal geschahen dort Dinge, die einem erst nach langem Nachdenken bewusst werden, man nimmt Vorfälle hin, weil so selbstverständlich damit umgegangen wird. Erst nach langer Zeit schaltet sich manchmal das Gehirn ein nach dem Motto: Moment mal: wie war das doch gleich? Und erst dann geht einem das eine oder andere Mal die Ungeheuerlichkeit mancher Handlungen auf.
Mir war nie aufgefallen, dass die Tochter des ältesten Bruders immer ein Kind auf dem Rücken mit sich herumtrug. Das war ganz selbstverständlich. Die Kleine war damals auch nicht älter als vieleicht 8 Jahre, was muss da das schon laufende Kleinkind wohl in Relation zum Körpergewicht gewogen haben? Ständig waren noch 3 weitere Kinder um sie herum - sie war sowas wie ein Hütehund. Das habe ich nie bemerkt, alle gingen damit um, als sei das selbstverständlich. Also war es das. Da ich versucht hatte, mich den Gewohnheiten dort einigermaßen mit Respekt anzupassen, habe ich das damals gar nicht so wirklich wahrgenommen. Und da gibt es eine große Reihe von Vorkommnissen. Ich wurde zu allen Freundinnen von D. geschleppt - und das waren viele. Diese Frauen waren außerordentlich interessiert daran, wie das Leben in Deutschland läuft. Sie waren sehr offen und auch sehr neidisch, weil so viele Selbstverständlichkeiten aus meinem Leben für sie etwas ganz Besonderes waren. Das wollten sie auch gern, wussten aber keinen Weg, dorthin zu kommen. Es gibt so unendlich viele Dinge, die mir gerade auch im Rückblick klar wurden, die ich persönlich nicht hätte akzeptieren wollen, die tunesischen Frauen auch nicht, aber sie hatten nicht wirklich eine Wahl.
Wer aus der Reihe tanzte, der bekam erhebliche Schwierigkeiten. Dem wollte sich fast keine aussetzen. Und viele dieser Frauen waren durchaus berufstätig und trugen zum Einkommen der Familie bei. Nach außen stolz, schön und selbstbewusst, nach Innen traurig, verzagt und oftmals mutlos und zusammengestaucht bei jedem Versuch, sie zumindest ein Stück weit zu emanzipieren. Das Leben in Deutschland erschien sehr erstrebenswert, der wichtigste Grund war bemerkenswerterweise die Freiheit, die die Frauen hierzulande leben können. Das wollten die Frauen auch gern - und sahen dennoch keinen Weg, obwohl Tunesien schon damals westlich orientiert war und die Frauen unverschleiert und ausgesprochen chic herumliefen. Chic in Kleidern, nicht in Hosen.
Etwas ganz Simples: Allein einkaufen gehen. Oder allein mit einer Freundin in ein Café. Nur einige Frauen unter sich im öffentlichen Raum, das war schon nicht richtig, man wurde deswegen schief angesehen, jedenfalls, wenn man ohne Kinder unterwegs sein wollte.
Oder Kino: Sowas wie ein Kino in Tunis habe ich nirgendwo anders gesehen. Ich war mit 3 Männern aus der Familie in einem Kino mitten in Tunis - und die Begleitung war auch bitter nötig.
Der Kinosaal stickig heiß, praktisch nur Männer im vollbesetzen Kino und auf der Leinwand eine 50jährige Berühmtheit, die eine 18jährige Verliebte spielte. Von oben laute Ventilatoren, laut rufende Essen- und Getränkeverkäufer und ein Kinosaal, der am Kochen war. Jedesmal, wenn sich eine Liebesszene andeutete - und es gab deren viele - sprangen die Männer auf und fingen an zu toben und zu applaudieren. Die Kussgeräusche wurden laut und ausgiebig nachgeahmt, das ganze Kino war am "knutschen". Schlimmer als beim Fußball, wenn ein Tor geschossen wird. Die Schauspielerin war absolut grottenschlecht und sang, dass einem Angst und Bange wurde, aber diese Vorstellung war ein einmaliges Erlebnis für mich, ich habe es nie vergessen, rieche heute noch die Luft in diesem Saal. Wo sonst auf der Welt spielt das Publikum alles mit?
Oder der "Imbiss" an einer Landstraße, derer es so viele gab. Man konnte dort einkehren und gegrilltes Lamm essen. Wirklich bemerkenswert lecker und immer wieder gern genommen. Und dann eines Tages der unterdrückte wütende Fluch von D., als Polizisten in den Laden kamen. Ich war erstaunt, dass D. so wütend wurde und schaute sie fragend an: Sie sagte mit ihrer guttural tiefen Stimme:"Ochti, lookkk" (Schwester, schau) und deutete mit dem Kopf auf die beiden Beamten.
Was ich sah? Die Polizisten setzen sich erwartungsfroh an einen freien Tisch und wurden beflissentlich von dem Wirt mit gutem Fleisch und Getränken bewirtet. Ich konnte nichts Negatives entdecken. "Wait"
Dann kam unser Fleisch an den Tisch und ich wunderte mich über die mindere Qualität. Als ich reklamieren wollte, hielt D. mich zurück und sagte: "Wait."
Die Polizisten ließen es sich gut gehen und wischten sich mit einer Stoffserviette die Zähne ab. Dann standen sie auf, grüßten freundlich und verließen das Lokal. Und dann bekam D. die Rechnung. Sie kniff die Augen zusammen und zahlte. Der Wirt hatte einen Teil der Bewirtungskosten für die Polizisten auf ihre Rechnung gesetzt. Warum sie sich nicht wehre, war meine nächste Frage: "Look Ochti, this is Tunisia. Kifkif"
Aber sie war wirklich sauer.
von nabila » 03.08.2012, 22:05
@ Scharade
das würd ich analog nach Ägypten versetzen können. Nein, nicht an ein männliches Wesen gekoppelt, aber so doch durch lange Aufenthalte ähnlich erlebt, nachdem Akzeptanz und Respekt erreicht war > zum Bücher füllen !
Und das ist genau das, wenn ich schreibe es gibt reale Unterschiede in Kultur, Mentalität, Religion, Tradition, Alltagsleben usw.
Um das auch nur im Ansatz zu verstehen, muss man die europäische Denkweise komplett ausschalten. Und genau deshalb
halt ich egal welch europäische Urlauberin > nicht für kompatibel.
Liebe Grüße
لا يزال بإمكانك الذهاب ببطء. لأنه في النهاية سوف نعود إلى نفسك فقط.
Du kannst ruhig langsam gehen. Denn am Ende findest Du nur wieder zu Dir selbst zurück.