Jetzt im Nachhinein kann ich das Ganze etwas neutraler und objektiver betrachten.
Ja, wahrscheinlich wäre ich nicht glücklich geworden. Meine Mutter sagt immer zu mir: "Dinge, die einen an jemanden anfangs stören, die man aber mit Verliebtheit schönredet, die zeigen sich im Alter besonders unschön."
Ja, und da hat sie wahrscheinlich recht, denn es gab ein paar Dinge, die mir nicht gefallen haben. Gut, folgendes Beispiel fußt wohl auf seiner Religion. Er machte mal eine doofe Bemerkung über einen Freund von mir, den er auf einem Foto gesehen hat. Er fragte mich, ob dieser Freund schwul sei. Ich antwortete "nein, der ist alles andere als schwul, aber wenn, das wäre doch auch egal. Ich mag Schwule, soll doch jeder leben, wie er es für richtig hält." Das sah er komplett anders als ich, er findet Schwule "ekelhaft". Sorry, damit kann ich echt gar nicht. Solche Sätzen verursachen mir echte Schmerzen in der linken Brusthälfte.
Ach ja, letztens hat mich ein Freund zu sich nach Hause eingeladen, dieser Freund ist verheiratet, also kein Grund für Stress.
Das fand er gar nicht toll und bat mich inständig, nicht hinzugehen. Ich solle dies nicht tun, er hätte keine ruhige Minute. "I beg you, don´t do that... please please", kam als. Ich sagte ihm, dass ich diesen Mann über den Daumen gepeilt 10 Jahre länger kenne als ihn und er ein Freund sei. Spielte keine Rolle, er wollte es nicht. Klar, kann ich verstehen, aber mein Leben gestaltet sich anders, ich habe andere Vorstellungen als er.
Im Gegenzug berichtete er mir dann, dass sein Nachbar ihn gefragt hätte, zusammen mit zwei anderen Mädels zum Strand zu fahren. Er hätte natürlich sofort abgelehnt. Ich sagte, dass er dies hoffentlich nicht meinetwegen getan habe, dass er ruhig zum Strand gehen soll, wenn er das möchte. Das fand meine (zugegebener weise nur gespielte) Gelassenheit schrecklich: "Please don´t say that again. I´d never never meet other girls."
Ich kann mir vorstellen, dass dieses Verhalten, sobald man das Ganze in trockenen Tüchern gehabt hätte, doch sehr ausgeatet wäre. Das passt dann nicht zu meiner Lebensweise. Denn ich kann (gute) Freunde haben, völlig ohne Hintergedanken und dies seit Jahren und da lasse ich mir auch nicht vorschreiben, ob ich die zu sehen habe oder nicht. Alleine in dieser Hinsicht driften unsere Meinungen doch sehr auseinander.
Ach ja, was mich misstrauisch gemacht hat: Er spielte mit dem Gedanken, zu modeln. Er sei in der Ukraine öfters angesprochen worden, weil er gewisse Voraussetzungen mitbringt. Größe, Aussehen, das passt schon (das war ja mein Verderben). Aber das wollte er zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Jetzt würde er dies gerne nebenher machen. Ob ICH ihm da nicht helfen könne und für ihn schauen. HALLO?? Ich bin doch nicht die Künstlervermittlung. Ich habe dann geantwortet, er solle doch bitte selbst im Inet schauen. Und wo bitte soll ich denn schauen? In Deutschland?? Wieso, wenn er nicht nach Deutschland kommt?? Will er also doch nach D oder wie oder was?
Er kennt ja meine Pläne bezüglich leben in einem anderen Land. Meine Vorstellung ist Italien, er mag Italien, will aber dort nicht leben. Er möchte nach Kanada, weil er der Meinung ist, dort mit seinem Diplom gut arbeiten zu können. Ich sagte ihm (auch um zu sehen, wie er auf das Thema Deutschland reagiert), dass er in D wahrscheinlich keine sonderlichen Chancen hat, mit diesem Diplom weit zu kommen. Hier stehen ja selbst die Deutschen ohne Job da. Er wüsste dies. Und trotzdem hat er sich, 2 Wochen nach unserem Kennenlernen Deutsch-Software gekauft und jeden Abend fleißig Deutsch gelernt. Er sagte: Das mache ich für dich, ich will mich mit dir in deiner Sprache unterhalten. Ich dachte, vielleicht tut er es, weil er seine Zukunft durch mich in good old Germany sieht.
So ziemlich am Schluss habe ich dann mal die von mir geplante Sache mit dem Job angesprochen. Ich sagte, dass ich wohl demnächst meinen Job verliere, der Firma würde es extrem schlecht gehen und ich wüsste nicht, wie ich das alles bezahlen und schaffen soll, wenn dem so wäre. Große Verzweiflung, traurige Augen meinerseits. Und zum Besuch nach D könnte ich ihn so dann ja auch nicht einladen. Was mich dann wiederum überraschte war, dass er mir dann gleich Hilfe anbot. Alles kein Problem, er würde mir Geld schicken bis ich wieder einen Job hätte. Und ich solle mir nie Gedanken machen, er würde so viel arbeiten, dass ich irgendwann gar nicht mehr arbeiten müsse.
Ist ja nett, dass er mir so unter die Arme greifen möchte, aber den letzten Satz könnte man schon als böse Vorahnung sehen. So nach dem Motto: Irgendwann bleibst du daheim!
Ach, ich wollte das einfach noch mal aufgeschrieben haben, um meine Zweifel schwarz auf weiß zu sehen. Hinterher sieht man ja vieles ganz anders.
Ich mag ihn trotzdem, er war mir eine nette Bekanntschaft, das Internet ist halt eine schlechte Voraussetzung und meist zum Scheitern verurteilt. Aber wenigstens muss ich ihm nun nichts übel nehmen, da ich ihm mit dem Kontaktabbruch keine Chance mehr auf Fehler mit mir gegeben habe. So halte ich ihn mir als gute Erinnerung... Eins muss man dem Mann lassen: Der hat wirklich die besten Voraussetzungen: Er ist intelligent, witzig, sensibel, leider zu gutaussehend, hat das gewinnenste Lächeln und hat so ziemlich die schönste Stimme, die ich je gehört habe. Auch, wenn ich die Sprache Französisch so gar nicht mag (mein heimliches Trauma aus der Schulzeit

), aber ich habe nie zuvor einen süßeren, ja fast erotischen französischen Akzent gehört als seinen. Meine Güte, sein Akzent ist der Hammer. Besonders, wenn er dann noch deutsche Worte von sich gibt.

So, genug der guten Worte... ich will ja nicht rückfällig werden, halte mich so tapfer. Bin richtig stolz auf mich. Aber leicht isses nicht.
Ihr Lieben, sorry für mein "Geschwafel", ich wollte einfach mal drüber schreiben. Gehe heute abend ins Varieté mit Freunden, freue mich total. Sorgt für Ablenkung und gute Laune.
Bis dann.