... späte Erkenntnis ... nach etwa 10 Jahren ...
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charlotte_
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- Registriert: 25.06.2010, 11:34
... späte Erkenntnis ... nach etwa 10 Jahren ...
Ich beginne mal einfach ...
Ich schreibe, in Ungarns Sonne sitzend, ein paar ausgedruckte Notizen neben mir, und weiss, obgleich ich die meiste Zeit der letzten dreieinhalb Jahre schreibend verbracht habe- erstmals nicht- wie ich beginnen kann.
++++
Ich schreibe eine Geschichte, wie ich sie erlebt habe und bemühe mich absichtlich um Nüchternheit- zu meinem Schutz. Ich möchte um meinetwillen nicht noch einmal so emotional einsteigen, dass es meine innere Ruhe verlagert.
Ich bin damals davon ausgegangen, die Frau- über die ich hier schreibe, sei einem Mann mit krimineller Energie begegnet- sie habe demnach richtig Pech gehabt – beginnend mit einem Trotz-Wut- Urlaub in Tunesien.
Heute ist mir klar, sie ist nur eine von vielen … allerdings kann sie nichts mehr berichten. Sie hat ihre Geschichte nicht überlebt.
Um meinen Status in dieser Geschichte darstellen zu können, muss ich erzählen, wie wir uns kennengelernt haben und vor allem – warum.
Ich nenne sie hier Elke.
1. Vorgeschichte
Wir sind nie beste Freundinnen gewesen. Ich denke, es wäre ebenso übertrieben, uns überhaupt Freundinnen zu nennen. Nicht einmal gute Bekannte sind wir geworden, obzwar wir unglaublich vertraut waren und über Themen gesprochen haben, die sehr privat sind.
Ich hörte, nein ich las, von Elke das erste Mal vor etwa 13 Jahren. Sie hatte mir einen Brief geschrieben, so wie viele Frauen sich damals an mich gewandt hatten.
2. Vorgeschichte
Nach mehr als 20 Jahren eingepackt im monströsen Fett meiner Fresssucht, hatte ich in einem Akt der Verzweiflung – sozusagen als letzte Stufe meines elendigen Lebensgefühls im Leidensdruck des Nichtmehrwollens und Nichtmehrkönnens- nicht nur viel abgenommen, sondern mich mehr als halbiert. Das war an die Öffentlichkeit geraten, ich hatte fürs Fernsehen ein nicht übliches Interview gegeben und nunmehr flatterten unheimlich viele ähnliche „Schicksale“ per Post in mein Leben.
Es ist mir nicht möglich gewesen alle Briefe zu lesen, ich hätte sie auch niemals beantworten können, und so bin ich bei zirka 50 Kontaktaufnahmen geblieben, die sich späterhin auf etwa 20 reduziert haben und schliesslich- mir vollkommen bewusst, ich kann anderen das Gewicht nicht abnehmen, ist nur der Kontakt zu Elke übrig geblieben.
Von ihr habe ich innerhalb eines Jahres das ganze Leben erfahren. Sie sprach sich jede Minute ihrer Lebenszeit von der Seele, immer wieder und wieder und wieder. Nichts sparte sie aus. Manchmal wusste ich nicht, wie ich das Gehörte ertragen kann- hatte ich doch mein eigenes Bündel ebenfalls getragen und beim Abnehmen mit jedem Kilogramm abgearbeitet, verarbeitet, umgearbeitet, weggearbeitet.
Der Kontakt wurde von Elke gehalten, sie war penetrant. Vorzugsweise telefonierten wir. Sie nahm keine Rücksicht auf Abendstunden, Morgenstunden, Feiertage oder Wochenenden. Ich habe ihr öfters gesagt, wie aufdringlich ich sie empfinde, wie sehr sie mein Leben beeinträchtigt. Sie reagierte darauf wie eine Siegerin, nahm mir gelegentlich das Wort ab und sagte in fast stoischer Ruhe, ein wenig schnaufend, wie Fette es nun mal an sich haben, ich könne ja auflegen, wenn es mir zu viel werde.
Wir hatten eine ungeschminkte Umgangsweise. Ich hatte aufgrund meiner Erfahrungen im Umgang mit Selbstbetrug kategorisch jede Form von Verharmlosung aus meinem Leben verbannt und Elke hatte sich dem zumindest billigend unterworfen, da ich ansonsten jedes Gespräch abbrach.
Mit dem Satz:
„Belügen und sich etwas vormachen können Sie sich auch ohne mich“, hatte ich gelegentlich Gespräche, die ohnehin schon mehrere Stunden gedauert hatten, kurzerhand beendet. Ich war noch zu frisch eine „trockene Fresserin“ und zuvörderst mir verantwortlich, nicht in einen Rückfall zu rutschen.
3. Vorgeschichte
Elke wollte seit Jahren unbedingt abnehmen, sie war nicht so schwer wie ich seinerzeit, sie wog nur um die 170 Kilogramm, konnte sich aber von keiner einzigen Essgewohnheit lösen. Ihr System der logischen Beweisführung für jeden Grund, sich selbst etwas zu gönnen, sich zu belohnen und danach darüber zu grämen, ist ebenso manifestiert gewesen, wie vordem meines – und so vermochte ich ihr nicht zu helfen, konnte nur zuhören und ab und zu, wenn ich denn zu Wort kam, etwas dazu sagen.
Mein Leben hingegen hatte sich auf eine Weise verändert, die nicht mit 1000 Worten zu beschreiben ist. Ich entdeckte die Sinnlichkeit des mir selbst die Schuhe zubinden Könnens ebenso - wie das Begreifen eines unbegrenzten Lebenskreises. Natürlich erzählte ich darüber, konnte mir die Begeisterung an den für mich vollkommen neuen Erfahrungen als Frau gar nicht verkneifen und wollte es auch nicht.
Elke gönnte mir die Freude, sagte jedoch ohne Umschweife, wie sehr es sie quäle, wenn sie erfahre, was sie selbst nicht unternehmen könnte. Sie sprach gelegentlich von Neid, von Wut auf mich und mein schön gewordenes Leben.
Eines Tages reiste ich mit meinem damaligen Ehemann und unserem Sohn nach Tunesien. Himmel, es war der erste Urlaub den ich nicht halbkrank von der Reise im Hotelzimmer verbrachte. Ich bin auf Kamelen und Pferden geritten, habe mich an einem Schirm in den Himmel ziehen lassen, bin geschwommen, habe die Blicke der Männer gesehen, die nicht mehr in angstvollen Panikattacken schnell wegsahen und mein Gefühl, die Welt gehört mir und mein Leben ist unbegrenzt, hat mich in nicht zu beschreibende Sphären getrieben.
Und damit beginnt auch die
Hauptgeschichte
Zurückgekehrt erzählte ich via Telefon was ich alles erlebt hatte, wie unglaublich spannend das Leben ist und weder alle Schokolade noch die saftigsten Schinkenstücke der Welt - jemals aufwiegen können, was mein Leben nun ausmacht.
Elke zeigte sich überraschend angesteckt. Sie wolle ab sofort unbedingt und unaufhaltsam ihre Mahlzeiten reduzieren, nicht mehr zwischendurch essen und vor allem nicht mehr nachts.
„Das will ich auch erleben! Das schaffe ich!“, posaunte sie mir ins Ohr und vermittelte das Anzeichen, nun die Ausgangsmotivation gefunden zu haben.
Ich wusste aus eigenen Erfahrungen, das reicht nicht aus, sagte aber nichts dazu.
Einige Tage nach dem Urlaub unterzog ich mich einer lange geplanten Belohnung der besonderen Art. Einiges, was der Sport nicht gegen die Erdanziehungskraft hatte an Ort und Stelle bewegen können, liess ich an mir straffen und war somit für eine Zeit aus dem Kontakt gezogen. Unter dem Slogan: charlotte wird nun restschön- hatte ich mir diesen wesentlichen Schritt ganz allein mit mir verordnet. Auch ich hatte aufzuarbeiten, auch ich war noch jahrelang nicht über den Berg.
Ich nahm mir das Recht, mich um mich zu kümmern- in erster Linie.
Zurück aus der Klinik, hatte ich eine Nachricht im Mailfach, ich solle mich unbedingt sofort bei Elke melden. Ich wartete noch zwei Tage und rief dann an.
Mittels euphorischen Redeschwalls erfuhr ich nun, Elke habe 13 Kilogramm abgenommen, sie wolle mir unbedingt zeigen, wie sehr dies schon zu sehen sei, ich solle sie doch wiedermal besuchen, zumal sie unter allen Umständen sehen wolle, wie ich jetzt aussehe.
Wir lebten ungefähr 350 Kilometer voneinander entfernt. Sobald ich reisefähig war, bin ich zu ihr gefahren. Elke sass wie eh und je auf ihrem Sofa, schniefte in ihr Taschentuch und berichtete von einem erneuten Rückfall, weil sie so lange auf mich habe warten müssen. Optisch hatte sie zugenommen. Was sollte ich machen? Sie hatte zugenommen. Ich konnte nicht für sie annehmen, ich konnte sie nicht bewachen, sondern litt eh‘ schon unter ihren nächtlichen Anrufen, die unter dem Motto: Reden sie mit mir sonst esse ich meinen Kühlschrank leer, offensichtlich nichts genutzt hatten.
Ich hörte mir ihre Ja – aber‘s und Nein – aber‘s an und fuhr am gleichen Tag wieder nach Hause.
Eine Woche später erzählte mir Elke, sie habe einen Flug nach Tunesien gebucht. Sie habe das Recht auf ein bissel Abwechslung und man bekomme ja kein Einreiseverbot, wenn man keine Wespentaille vorweisen könne.
Ich erinnere mich, alle vernünftigen Argumente vorgebracht zu haben, warum eine solche Reise für sie nicht gut ist. Sie warf mir vor, ihr nichts Schönes zu gönnen, sondern nur alleine für mich ein tolles Leben haben zu wollen. Schliesslich gab ich auf, immerhin sei sie erwachsen, sagte ich und müsse wahrhaft selbst wissen, was sie sich zumuten kann und was nicht.
Elke ist nach Tunesien geflogen.
Nach zwei Wochen, sie hatte wohl gerade den Koffer im Flur abgestellt, meldete sie telefonisch ihre Rückkehr und berichtete in gleichen Atemzug, ihr sei der Mann ihres Lebens begegnet.
Ich freute mich ehrlich- nicht zuletzt auch deshalb, weil ich nun eine Verdoppelung ihrer Ansprechpartner erhoffte. Sie erzählte und erzählte, atemlos schwappte sie mir ihren Redeschwall durchs Telefon und ich bekam irgendwann den Eindruck, sie verwechselt Zeit und Namen.
So wollte sie bereits die Eltern des Mannes kennengelernt haben, alle Schwestern und Cousinen und Cousins, die Freunde und all‘ die anderen, die nunmehr in ihrem Leben Familie ausmachen werden.
Ich unterbrach sie und fragte:
„Waren Sie denn gar nicht in Tunesien?“
Sie antwortete fast empört, natürlich sei sie dort gewesen und ich wunderte mich über den Zufall, dort eine Grossfamilie angetroffen zu haben.
Ein Mann, ich vermutete ihn ungefähr in Elkes Alter, würde meiner Erfahrung nach kaum noch mit seinen Eltern gemeinsam in den Urlaub fahren- mit allem Anhang aber war es für mich so gar nicht vorstellbar.
Demnach bin ich davon ausgegangen, sie habe nach ihrem Tunesienurlaub noch einen Abstecher im Wohnort des Mannes gemacht und fragte, wo der denn lebe.
Elke nannte mir einen Ort, den ich unmöglich in Deutschland vermutete. Ich fragte nach und ja- der Mann ist Tunesier – Heimatort ein winziges Dorf irgendwo im Nirgendwo.
Meine erste Reaktion, nicht besonders sensibel dafür aber ehrlich:
„Sie haben ja wohl einen Vogel!“
Elke lachte schrill und ein wenig wie wahnsinnig klingend, bestätigte, ja sie sei verrückt, habe mindestens einen Vogelschwarm, aber es sei Liebe, Liebe, Liebe, Liebe.
Ich fühlte Panik in mir aufsteigen, lud mir in einem Anfall von Selbstvorwürfen die Verantwortung für diesen Unsinn auf die Schultern und meldete meinen Besuch für den kommenden Tag an.
Elke hatte zugenommen. Sie trug ein buntes Stück Tuch um sich gewickelt, sie behauptete- es sei eine Takshita – ich hatte den Eindruck – es könne auch ein überschmücktes Zweimannzelt sein und sagte das geradeheraus. Bissig antwortete sie, ich hätte ja früher wohl einfarbige Viermannzelte getragen. Das bestätigte ich - der Wahrheit geschuldet. Das angespannte Klima löste sich in einem Lachanfall auf.
Nun erzählte sie.
++++
Ich muss das nicht wiederholen, es ist alles so abgelaufen, wie hier im Forum schon x-Mal erzählt- klassisch bis hin zum Grosseinkauf für die Familie,
die OP-Kosten für den kranken aber sehr dankbaren Vater, alles alles alles – wie ich es damals als seltene Dummheit der Elke vermutet habe.
++++
Ich weiss nicht mehr, was ich an Einwände vorgebracht habe. Ich erinnere mich nur noch, beim Betrachten der Urlaubsfotos beinahe ohnmächtig geworden zu sein. Ich vergass regelrecht – auszuatmen.
Der Mann war damals 26 Jahre alt, nicht besonders gross, dafür aber gertenschlank, ein wirklich schönes Menschenkind und ich bekam Brechreiz, weil Elke mir unbedingt sagen musste, sie habe schon ganz vergessen, wie wunderbar Sex sei. Nun aber werde sie alles nachholen, alles Versäumte der letzten 10 Jahre. Elke war damals so alt wie ich, um die 45.
Was immer ich sagte, sie wollte es nicht hören, nicht wahrhaben, nicht glauben. Ich war ruhig geblieben, hatte mich aufgeregt, hatte leise gesprochen, geschrien, war aufbrausend gewesen, habe geschwiegen, alles nutzte nichts. Am späten Abend unterstellte sie mir, eingebildet zu sein, weil ich mal ein paar Gramm abgenommen habe und warf mich aus dem Haus.
Ich rief ihre Mutter an, die redete schon einige Jahre nicht mehr mit ihrer Tochter und wollte nun auch nicht mehr damit beginnen.
Ich suchte nach dem Bruder, fand ihn und erzählte ihm von Elkes Vorhaben.
Er lachte und sagte, wenn sie endlich einen gefunden habe, sei er ja aus dem Schneider. Er sei es ohnehin langsam leid, ihr bei der Hausarbeit helfen zu müssen, damit sie halbwegs klar kommt bei ihrem Übergewicht.
Ich habe an Elke geschrieben. Sie antwortete mir höflich, fast hochmütig, sie plane gerade die nächste Reise zu ihrem Verlobten und melde sich, sobald sie zurück sei.
Meine Tage waren damals eingeteilt in die der höchsten Sorge und die der kompletten inneren Verweigerung. Ich kämpfte jede Nacht wie eine Irre gegen Fressanfälle, war morgens wie gerädert.
Nach zwei Wochen versuchte ich Elke zu erreichen. Das Handy war ausgeschaltet, übers Festnetz quatschte mich der Anrufbeantworter an. Mit überlauter Stimme hatte Elke dort hinterlassen, sie sei im Land der Träume und man könne ihr ruhig eine Nachricht aufsprechen.
Ich sagte, sie solle sich melden, sobald sie zurück sei.
Eine Woche später rief sie mich an. Überglücklich, regelrecht aufgedreht berichtete sie vom höchsten Glück der Welt und dass sie e i g e n t l i c h schon verheiratet sei, denn sie habe vor Zeugen einen Hochzeitsvertrag unterschrieben.
Die richtige Hochzeit käme später auf jeden Fall noch, aber so habe sie mehr Rechte.
Ich legte den Hörer auf und nahm mir vor, mich nie wieder mit diesem Blödsinn konfrontieren zu lassen.
In den darauf folgenden Wochen führte ich einen heissen Krieg gegen die immer wieder aufkeimende Sucht, mich vollzufressen zu wollen.
Der längst überstanden geglaubte kalte Entzug erwischte mich auf eine Weise, die ich nur mit letzter Kraft abfedern und überstehen konnte – ohne rückfällig zu werden.
Das schlechte Gewissen, Elke nicht unterstützen, nicht mal von einem dämlichen Vorhaben abhalten zu können- wechselte sich regelmässig mit Totalverachtung gegenüber einer Frau ab, die ihre Realität nicht wahrnimmt und statt endlich mit dem Fressen aufzuhören, sich lieber von einem Kerl xxxxxxx lässt, der ihr Sohn sein könnte.
Nach meiner Erinnerung meldete sie sich nach 5 Monaten mit einer Ansichtskarte. Laut meiner Aufzeichnungen muss das aber schon nach drei Monaten gewesen sein. Sie schrieb, es gehe ihr wunderbar und wenn ich mal wieder Tunesienurlaub machen wolle, sie könne da gerne etwas drehen für mich. Ich bin kotzen gegangen und habe die Karte mit ins Becken gespült.
Weitere drei Monate später erhielt ich eine Mail. Elke beschrieb darin ein exorbitant wundervolles Leben in einer unbeschreiblich netten Familie in einem zauberhaften Dörfchen, und schickte mit ein Foto von sich. Schätzungsweise wog sie 190 Kilogramm, sie sah aufgedunsen aus. Gut, damit war sie immer noch schlanker als ich in meiner höchsten Zeit- aber ich erschrak.
Dieses Gewicht bei den Temperaturen?
Ich antwortete.
Irgendwie erleichterte es mich in diesem Moment, den Kontakt wieder aufzunehmen. Etwa einen Monat tauschten wir täglich Mails.
Und ab dann begann das Spiel des Kontaktabbruchs über Tage, dem dann eine SMS folgte, sie habe Probleme und melde sich in einigen Tagen, sie sei krank und könne nicht sitzen und schliesslich- bei einem der nächsten Male - der Laptop sei defekt, sie werde sich melden, sobald sie eine Lösung gefunden habe.
Da es in den Mails mehr und mehr Ungereimtheiten gegeben hatte, machten mich diese Pausen vollkommen unsicher, ich wartete jedoch immer bis ich wieder eine Mail von ihr erhielt.
Nach der Information über den defekten Laptop allerdings stellte ich per SMS die Frage, was denn daran kaputt sei und bekam die Antwort, er sei eben alt, sie wisse das auch nicht- ebenso wenig wie der Fachmann, der nun sage, die Reparatur koste ein Vermögen.
Der Laptop war mindestens drei Wochen nicht gebrauchsfähig. In dieser Zeit war ich von Elkes Schicksal so eingenommen, dass ich wieder Gefahr lief, in alte Suchtgewohnheiten zurückzufallen.
Die erste Mail von ihr war wie eine Befreiung.
Sie berichtete, ihr Mann habe sich bei Freunden das Geld für die Instandsetzung des Laptops leihen müssen, all‘ Ihr mitgebrachtes Geld sei verbraucht.
Die Ernte sei schlecht gewesen, der Vater wieder krank, er sterbe, werde er nicht noch einmal operiert, ihr Mann sei arbeitslos geworden …
Mir standen die Haare zu Berge.
Da sitze ich in Deutschland und muss lesen, um wie viel schlimmer alles meine Vermutungen übertrifft
und
und
und
stelle doch tatsächlich die Frage, ob und wie ich helfen könne.
Ich bekam ein paar Stunden später eine Bestellung, die mich regelrecht vom Sessel gehoben hat.
Angefangen von einem Laptop, einem Handy, Bargeld und einigen anderen „Kleinigkeiten“ endete sie damit, monatlich einen fest kalkulierbaren Betrag via Western Union schicken zu sollen.
Ich antwortete, dazu nicht bereit zu sein und erhielt mehrere Wochen keine Nachricht mehr.
In dieser Zeit überfielen mich abwechselnd das schlechte Gewissen und empörter Zorn. Beides griff mich in Paarung mit unbeschreiblicher Gier nach Essen an und ich kämpfte den altkannten Kampf gegen meine Fresssucht.
Ich beschloss jede Nacht, ab sofort nicht mehr auf eine Nachricht zu warten und liess gleichsam meinen PC dauernd angeschaltet.
Eines Tages bekam ich eine SMS von einer mir unbekannten Nummer. Ich wurde gebeten – in Sachen Elke - zurückzurufen. Meine Entschlossenheit, dies nicht zu tun, wurde von meinem Daumen unterwandert, der postwendend auf den kleinen grünen Hörer meines Handys drückte.
Eine deutschsprechende Frau meldete sich.
Was ich in der darauffolgenden Stunde erfahren habe, ist mir bis vor wenigen Tagen in der Konsequenz nicht so deutlich gewesen, wie nun, da ich im Forum viele persönliche Geschichten gelesen habe.
Elke, so erfuhr ich, hat wohl tatsächlich einige gute Wochen gehabt und zwar genauso lange, bis sie kein Geld mehr aufbringen konnte. Die Karte ihres schnell vollkommen überzogenen Kontos sei gesperrt worden und ab dem Moment sei sie nach den Worten der Frau, schlechter gehalten worden als ein Tier.
Diese Frau erzählte mir, sie nehme sich gelegentlich ausländischen Frauen an, die sehr schlecht leben und helfe ihnen.
Nachdem sie von der fetten Frau in dem Dorf erfahren habe, sei sie hingefahren und habe nur kurz mit ihr sprechen können.
Sie sei von der Familie weggejagt worden, konnte Elke aber sagen, wo sie zu finden sei.
Ich habe nicht alles verstanden, konnte auch einige Zusammenhänge nicht herstellen, allerdings vermutete ich in der Gedankenkette, ich sei für Elke mit der Erfüllung der Bestellliste möglicherweise eine Art Lebensversicherung geworden.
Jedenfalls hatte Elke wohl einen Infarkt oder Schlaganfall und die „Familie“ muss Angst bekommen haben, diese monumentale Frau – sollte sie sterben- nicht vom Hof zu kriegen- ohne aufzufallen-- und hatte nun diese Frau gerufen.
Die hat Elke abholen und in eine Klinik bringen lassen.
Meine Telefonnummer hatte Elke ihr gegeben, damit sie mich anruft, weil sie hoffte, ich übernähme die Kosten für sie.
Das sagte ich zwar zu, betonte jedoch, ich werde über ein festes Limit nicht hinausgehen und nur auf Rechnung- direkt an den Rechnungsleger überweisen.
Die Frau verstand mich und bestätigte meine Einstellung.
Wir verabredeten für den nächsten Tag ein weiteres Telefonat – auch mit der Aussicht, dass ich direkt mit Elke sprechen kann.
Dazu kam es nicht.
Elke ist in dieser Nacht gestorben.
Ich stellte den direkten Kontakt zu Elkes Bruder her.
Er redete nie wieder mit mir ein Wort.
Ich erinnere mich, einige Jahre immer wieder mit mir gehadert zu haben, diese Frau nicht vor diesem unsäglichen Ende bewahrt haben zu können.
Im Grunde weiss ich erst jetzt, da ich in diesem Forum lese, es ist nur ein Zufall, dem organisierten Raub nicht selbst ins Netz gegangen zu sein.
Ja, das wollte ich erzählen, für Elke.
charlotte_
Ich schreibe, in Ungarns Sonne sitzend, ein paar ausgedruckte Notizen neben mir, und weiss, obgleich ich die meiste Zeit der letzten dreieinhalb Jahre schreibend verbracht habe- erstmals nicht- wie ich beginnen kann.
++++
Ich schreibe eine Geschichte, wie ich sie erlebt habe und bemühe mich absichtlich um Nüchternheit- zu meinem Schutz. Ich möchte um meinetwillen nicht noch einmal so emotional einsteigen, dass es meine innere Ruhe verlagert.
Ich bin damals davon ausgegangen, die Frau- über die ich hier schreibe, sei einem Mann mit krimineller Energie begegnet- sie habe demnach richtig Pech gehabt – beginnend mit einem Trotz-Wut- Urlaub in Tunesien.
Heute ist mir klar, sie ist nur eine von vielen … allerdings kann sie nichts mehr berichten. Sie hat ihre Geschichte nicht überlebt.
Um meinen Status in dieser Geschichte darstellen zu können, muss ich erzählen, wie wir uns kennengelernt haben und vor allem – warum.
Ich nenne sie hier Elke.
1. Vorgeschichte
Wir sind nie beste Freundinnen gewesen. Ich denke, es wäre ebenso übertrieben, uns überhaupt Freundinnen zu nennen. Nicht einmal gute Bekannte sind wir geworden, obzwar wir unglaublich vertraut waren und über Themen gesprochen haben, die sehr privat sind.
Ich hörte, nein ich las, von Elke das erste Mal vor etwa 13 Jahren. Sie hatte mir einen Brief geschrieben, so wie viele Frauen sich damals an mich gewandt hatten.
2. Vorgeschichte
Nach mehr als 20 Jahren eingepackt im monströsen Fett meiner Fresssucht, hatte ich in einem Akt der Verzweiflung – sozusagen als letzte Stufe meines elendigen Lebensgefühls im Leidensdruck des Nichtmehrwollens und Nichtmehrkönnens- nicht nur viel abgenommen, sondern mich mehr als halbiert. Das war an die Öffentlichkeit geraten, ich hatte fürs Fernsehen ein nicht übliches Interview gegeben und nunmehr flatterten unheimlich viele ähnliche „Schicksale“ per Post in mein Leben.
Es ist mir nicht möglich gewesen alle Briefe zu lesen, ich hätte sie auch niemals beantworten können, und so bin ich bei zirka 50 Kontaktaufnahmen geblieben, die sich späterhin auf etwa 20 reduziert haben und schliesslich- mir vollkommen bewusst, ich kann anderen das Gewicht nicht abnehmen, ist nur der Kontakt zu Elke übrig geblieben.
Von ihr habe ich innerhalb eines Jahres das ganze Leben erfahren. Sie sprach sich jede Minute ihrer Lebenszeit von der Seele, immer wieder und wieder und wieder. Nichts sparte sie aus. Manchmal wusste ich nicht, wie ich das Gehörte ertragen kann- hatte ich doch mein eigenes Bündel ebenfalls getragen und beim Abnehmen mit jedem Kilogramm abgearbeitet, verarbeitet, umgearbeitet, weggearbeitet.
Der Kontakt wurde von Elke gehalten, sie war penetrant. Vorzugsweise telefonierten wir. Sie nahm keine Rücksicht auf Abendstunden, Morgenstunden, Feiertage oder Wochenenden. Ich habe ihr öfters gesagt, wie aufdringlich ich sie empfinde, wie sehr sie mein Leben beeinträchtigt. Sie reagierte darauf wie eine Siegerin, nahm mir gelegentlich das Wort ab und sagte in fast stoischer Ruhe, ein wenig schnaufend, wie Fette es nun mal an sich haben, ich könne ja auflegen, wenn es mir zu viel werde.
Wir hatten eine ungeschminkte Umgangsweise. Ich hatte aufgrund meiner Erfahrungen im Umgang mit Selbstbetrug kategorisch jede Form von Verharmlosung aus meinem Leben verbannt und Elke hatte sich dem zumindest billigend unterworfen, da ich ansonsten jedes Gespräch abbrach.
Mit dem Satz:
„Belügen und sich etwas vormachen können Sie sich auch ohne mich“, hatte ich gelegentlich Gespräche, die ohnehin schon mehrere Stunden gedauert hatten, kurzerhand beendet. Ich war noch zu frisch eine „trockene Fresserin“ und zuvörderst mir verantwortlich, nicht in einen Rückfall zu rutschen.
3. Vorgeschichte
Elke wollte seit Jahren unbedingt abnehmen, sie war nicht so schwer wie ich seinerzeit, sie wog nur um die 170 Kilogramm, konnte sich aber von keiner einzigen Essgewohnheit lösen. Ihr System der logischen Beweisführung für jeden Grund, sich selbst etwas zu gönnen, sich zu belohnen und danach darüber zu grämen, ist ebenso manifestiert gewesen, wie vordem meines – und so vermochte ich ihr nicht zu helfen, konnte nur zuhören und ab und zu, wenn ich denn zu Wort kam, etwas dazu sagen.
Mein Leben hingegen hatte sich auf eine Weise verändert, die nicht mit 1000 Worten zu beschreiben ist. Ich entdeckte die Sinnlichkeit des mir selbst die Schuhe zubinden Könnens ebenso - wie das Begreifen eines unbegrenzten Lebenskreises. Natürlich erzählte ich darüber, konnte mir die Begeisterung an den für mich vollkommen neuen Erfahrungen als Frau gar nicht verkneifen und wollte es auch nicht.
Elke gönnte mir die Freude, sagte jedoch ohne Umschweife, wie sehr es sie quäle, wenn sie erfahre, was sie selbst nicht unternehmen könnte. Sie sprach gelegentlich von Neid, von Wut auf mich und mein schön gewordenes Leben.
Eines Tages reiste ich mit meinem damaligen Ehemann und unserem Sohn nach Tunesien. Himmel, es war der erste Urlaub den ich nicht halbkrank von der Reise im Hotelzimmer verbrachte. Ich bin auf Kamelen und Pferden geritten, habe mich an einem Schirm in den Himmel ziehen lassen, bin geschwommen, habe die Blicke der Männer gesehen, die nicht mehr in angstvollen Panikattacken schnell wegsahen und mein Gefühl, die Welt gehört mir und mein Leben ist unbegrenzt, hat mich in nicht zu beschreibende Sphären getrieben.
Und damit beginnt auch die
Hauptgeschichte
Zurückgekehrt erzählte ich via Telefon was ich alles erlebt hatte, wie unglaublich spannend das Leben ist und weder alle Schokolade noch die saftigsten Schinkenstücke der Welt - jemals aufwiegen können, was mein Leben nun ausmacht.
Elke zeigte sich überraschend angesteckt. Sie wolle ab sofort unbedingt und unaufhaltsam ihre Mahlzeiten reduzieren, nicht mehr zwischendurch essen und vor allem nicht mehr nachts.
„Das will ich auch erleben! Das schaffe ich!“, posaunte sie mir ins Ohr und vermittelte das Anzeichen, nun die Ausgangsmotivation gefunden zu haben.
Ich wusste aus eigenen Erfahrungen, das reicht nicht aus, sagte aber nichts dazu.
Einige Tage nach dem Urlaub unterzog ich mich einer lange geplanten Belohnung der besonderen Art. Einiges, was der Sport nicht gegen die Erdanziehungskraft hatte an Ort und Stelle bewegen können, liess ich an mir straffen und war somit für eine Zeit aus dem Kontakt gezogen. Unter dem Slogan: charlotte wird nun restschön- hatte ich mir diesen wesentlichen Schritt ganz allein mit mir verordnet. Auch ich hatte aufzuarbeiten, auch ich war noch jahrelang nicht über den Berg.
Ich nahm mir das Recht, mich um mich zu kümmern- in erster Linie.
Zurück aus der Klinik, hatte ich eine Nachricht im Mailfach, ich solle mich unbedingt sofort bei Elke melden. Ich wartete noch zwei Tage und rief dann an.
Mittels euphorischen Redeschwalls erfuhr ich nun, Elke habe 13 Kilogramm abgenommen, sie wolle mir unbedingt zeigen, wie sehr dies schon zu sehen sei, ich solle sie doch wiedermal besuchen, zumal sie unter allen Umständen sehen wolle, wie ich jetzt aussehe.
Wir lebten ungefähr 350 Kilometer voneinander entfernt. Sobald ich reisefähig war, bin ich zu ihr gefahren. Elke sass wie eh und je auf ihrem Sofa, schniefte in ihr Taschentuch und berichtete von einem erneuten Rückfall, weil sie so lange auf mich habe warten müssen. Optisch hatte sie zugenommen. Was sollte ich machen? Sie hatte zugenommen. Ich konnte nicht für sie annehmen, ich konnte sie nicht bewachen, sondern litt eh‘ schon unter ihren nächtlichen Anrufen, die unter dem Motto: Reden sie mit mir sonst esse ich meinen Kühlschrank leer, offensichtlich nichts genutzt hatten.
Ich hörte mir ihre Ja – aber‘s und Nein – aber‘s an und fuhr am gleichen Tag wieder nach Hause.
Eine Woche später erzählte mir Elke, sie habe einen Flug nach Tunesien gebucht. Sie habe das Recht auf ein bissel Abwechslung und man bekomme ja kein Einreiseverbot, wenn man keine Wespentaille vorweisen könne.
Ich erinnere mich, alle vernünftigen Argumente vorgebracht zu haben, warum eine solche Reise für sie nicht gut ist. Sie warf mir vor, ihr nichts Schönes zu gönnen, sondern nur alleine für mich ein tolles Leben haben zu wollen. Schliesslich gab ich auf, immerhin sei sie erwachsen, sagte ich und müsse wahrhaft selbst wissen, was sie sich zumuten kann und was nicht.
Elke ist nach Tunesien geflogen.
Nach zwei Wochen, sie hatte wohl gerade den Koffer im Flur abgestellt, meldete sie telefonisch ihre Rückkehr und berichtete in gleichen Atemzug, ihr sei der Mann ihres Lebens begegnet.
Ich freute mich ehrlich- nicht zuletzt auch deshalb, weil ich nun eine Verdoppelung ihrer Ansprechpartner erhoffte. Sie erzählte und erzählte, atemlos schwappte sie mir ihren Redeschwall durchs Telefon und ich bekam irgendwann den Eindruck, sie verwechselt Zeit und Namen.
So wollte sie bereits die Eltern des Mannes kennengelernt haben, alle Schwestern und Cousinen und Cousins, die Freunde und all‘ die anderen, die nunmehr in ihrem Leben Familie ausmachen werden.
Ich unterbrach sie und fragte:
„Waren Sie denn gar nicht in Tunesien?“
Sie antwortete fast empört, natürlich sei sie dort gewesen und ich wunderte mich über den Zufall, dort eine Grossfamilie angetroffen zu haben.
Ein Mann, ich vermutete ihn ungefähr in Elkes Alter, würde meiner Erfahrung nach kaum noch mit seinen Eltern gemeinsam in den Urlaub fahren- mit allem Anhang aber war es für mich so gar nicht vorstellbar.
Demnach bin ich davon ausgegangen, sie habe nach ihrem Tunesienurlaub noch einen Abstecher im Wohnort des Mannes gemacht und fragte, wo der denn lebe.
Elke nannte mir einen Ort, den ich unmöglich in Deutschland vermutete. Ich fragte nach und ja- der Mann ist Tunesier – Heimatort ein winziges Dorf irgendwo im Nirgendwo.
Meine erste Reaktion, nicht besonders sensibel dafür aber ehrlich:
„Sie haben ja wohl einen Vogel!“
Elke lachte schrill und ein wenig wie wahnsinnig klingend, bestätigte, ja sie sei verrückt, habe mindestens einen Vogelschwarm, aber es sei Liebe, Liebe, Liebe, Liebe.
Ich fühlte Panik in mir aufsteigen, lud mir in einem Anfall von Selbstvorwürfen die Verantwortung für diesen Unsinn auf die Schultern und meldete meinen Besuch für den kommenden Tag an.
Elke hatte zugenommen. Sie trug ein buntes Stück Tuch um sich gewickelt, sie behauptete- es sei eine Takshita – ich hatte den Eindruck – es könne auch ein überschmücktes Zweimannzelt sein und sagte das geradeheraus. Bissig antwortete sie, ich hätte ja früher wohl einfarbige Viermannzelte getragen. Das bestätigte ich - der Wahrheit geschuldet. Das angespannte Klima löste sich in einem Lachanfall auf.
Nun erzählte sie.
++++
Ich muss das nicht wiederholen, es ist alles so abgelaufen, wie hier im Forum schon x-Mal erzählt- klassisch bis hin zum Grosseinkauf für die Familie,
die OP-Kosten für den kranken aber sehr dankbaren Vater, alles alles alles – wie ich es damals als seltene Dummheit der Elke vermutet habe.
++++
Ich weiss nicht mehr, was ich an Einwände vorgebracht habe. Ich erinnere mich nur noch, beim Betrachten der Urlaubsfotos beinahe ohnmächtig geworden zu sein. Ich vergass regelrecht – auszuatmen.
Der Mann war damals 26 Jahre alt, nicht besonders gross, dafür aber gertenschlank, ein wirklich schönes Menschenkind und ich bekam Brechreiz, weil Elke mir unbedingt sagen musste, sie habe schon ganz vergessen, wie wunderbar Sex sei. Nun aber werde sie alles nachholen, alles Versäumte der letzten 10 Jahre. Elke war damals so alt wie ich, um die 45.
Was immer ich sagte, sie wollte es nicht hören, nicht wahrhaben, nicht glauben. Ich war ruhig geblieben, hatte mich aufgeregt, hatte leise gesprochen, geschrien, war aufbrausend gewesen, habe geschwiegen, alles nutzte nichts. Am späten Abend unterstellte sie mir, eingebildet zu sein, weil ich mal ein paar Gramm abgenommen habe und warf mich aus dem Haus.
Ich rief ihre Mutter an, die redete schon einige Jahre nicht mehr mit ihrer Tochter und wollte nun auch nicht mehr damit beginnen.
Ich suchte nach dem Bruder, fand ihn und erzählte ihm von Elkes Vorhaben.
Er lachte und sagte, wenn sie endlich einen gefunden habe, sei er ja aus dem Schneider. Er sei es ohnehin langsam leid, ihr bei der Hausarbeit helfen zu müssen, damit sie halbwegs klar kommt bei ihrem Übergewicht.
Ich habe an Elke geschrieben. Sie antwortete mir höflich, fast hochmütig, sie plane gerade die nächste Reise zu ihrem Verlobten und melde sich, sobald sie zurück sei.
Meine Tage waren damals eingeteilt in die der höchsten Sorge und die der kompletten inneren Verweigerung. Ich kämpfte jede Nacht wie eine Irre gegen Fressanfälle, war morgens wie gerädert.
Nach zwei Wochen versuchte ich Elke zu erreichen. Das Handy war ausgeschaltet, übers Festnetz quatschte mich der Anrufbeantworter an. Mit überlauter Stimme hatte Elke dort hinterlassen, sie sei im Land der Träume und man könne ihr ruhig eine Nachricht aufsprechen.
Ich sagte, sie solle sich melden, sobald sie zurück sei.
Eine Woche später rief sie mich an. Überglücklich, regelrecht aufgedreht berichtete sie vom höchsten Glück der Welt und dass sie e i g e n t l i c h schon verheiratet sei, denn sie habe vor Zeugen einen Hochzeitsvertrag unterschrieben.
Die richtige Hochzeit käme später auf jeden Fall noch, aber so habe sie mehr Rechte.
Ich legte den Hörer auf und nahm mir vor, mich nie wieder mit diesem Blödsinn konfrontieren zu lassen.
In den darauf folgenden Wochen führte ich einen heissen Krieg gegen die immer wieder aufkeimende Sucht, mich vollzufressen zu wollen.
Der längst überstanden geglaubte kalte Entzug erwischte mich auf eine Weise, die ich nur mit letzter Kraft abfedern und überstehen konnte – ohne rückfällig zu werden.
Das schlechte Gewissen, Elke nicht unterstützen, nicht mal von einem dämlichen Vorhaben abhalten zu können- wechselte sich regelmässig mit Totalverachtung gegenüber einer Frau ab, die ihre Realität nicht wahrnimmt und statt endlich mit dem Fressen aufzuhören, sich lieber von einem Kerl xxxxxxx lässt, der ihr Sohn sein könnte.
Nach meiner Erinnerung meldete sie sich nach 5 Monaten mit einer Ansichtskarte. Laut meiner Aufzeichnungen muss das aber schon nach drei Monaten gewesen sein. Sie schrieb, es gehe ihr wunderbar und wenn ich mal wieder Tunesienurlaub machen wolle, sie könne da gerne etwas drehen für mich. Ich bin kotzen gegangen und habe die Karte mit ins Becken gespült.
Weitere drei Monate später erhielt ich eine Mail. Elke beschrieb darin ein exorbitant wundervolles Leben in einer unbeschreiblich netten Familie in einem zauberhaften Dörfchen, und schickte mit ein Foto von sich. Schätzungsweise wog sie 190 Kilogramm, sie sah aufgedunsen aus. Gut, damit war sie immer noch schlanker als ich in meiner höchsten Zeit- aber ich erschrak.
Dieses Gewicht bei den Temperaturen?
Ich antwortete.
Irgendwie erleichterte es mich in diesem Moment, den Kontakt wieder aufzunehmen. Etwa einen Monat tauschten wir täglich Mails.
Und ab dann begann das Spiel des Kontaktabbruchs über Tage, dem dann eine SMS folgte, sie habe Probleme und melde sich in einigen Tagen, sie sei krank und könne nicht sitzen und schliesslich- bei einem der nächsten Male - der Laptop sei defekt, sie werde sich melden, sobald sie eine Lösung gefunden habe.
Da es in den Mails mehr und mehr Ungereimtheiten gegeben hatte, machten mich diese Pausen vollkommen unsicher, ich wartete jedoch immer bis ich wieder eine Mail von ihr erhielt.
Nach der Information über den defekten Laptop allerdings stellte ich per SMS die Frage, was denn daran kaputt sei und bekam die Antwort, er sei eben alt, sie wisse das auch nicht- ebenso wenig wie der Fachmann, der nun sage, die Reparatur koste ein Vermögen.
Der Laptop war mindestens drei Wochen nicht gebrauchsfähig. In dieser Zeit war ich von Elkes Schicksal so eingenommen, dass ich wieder Gefahr lief, in alte Suchtgewohnheiten zurückzufallen.
Die erste Mail von ihr war wie eine Befreiung.
Sie berichtete, ihr Mann habe sich bei Freunden das Geld für die Instandsetzung des Laptops leihen müssen, all‘ Ihr mitgebrachtes Geld sei verbraucht.
Die Ernte sei schlecht gewesen, der Vater wieder krank, er sterbe, werde er nicht noch einmal operiert, ihr Mann sei arbeitslos geworden …
Mir standen die Haare zu Berge.
Da sitze ich in Deutschland und muss lesen, um wie viel schlimmer alles meine Vermutungen übertrifft
und
und
und
stelle doch tatsächlich die Frage, ob und wie ich helfen könne.
Ich bekam ein paar Stunden später eine Bestellung, die mich regelrecht vom Sessel gehoben hat.
Angefangen von einem Laptop, einem Handy, Bargeld und einigen anderen „Kleinigkeiten“ endete sie damit, monatlich einen fest kalkulierbaren Betrag via Western Union schicken zu sollen.
Ich antwortete, dazu nicht bereit zu sein und erhielt mehrere Wochen keine Nachricht mehr.
In dieser Zeit überfielen mich abwechselnd das schlechte Gewissen und empörter Zorn. Beides griff mich in Paarung mit unbeschreiblicher Gier nach Essen an und ich kämpfte den altkannten Kampf gegen meine Fresssucht.
Ich beschloss jede Nacht, ab sofort nicht mehr auf eine Nachricht zu warten und liess gleichsam meinen PC dauernd angeschaltet.
Eines Tages bekam ich eine SMS von einer mir unbekannten Nummer. Ich wurde gebeten – in Sachen Elke - zurückzurufen. Meine Entschlossenheit, dies nicht zu tun, wurde von meinem Daumen unterwandert, der postwendend auf den kleinen grünen Hörer meines Handys drückte.
Eine deutschsprechende Frau meldete sich.
Was ich in der darauffolgenden Stunde erfahren habe, ist mir bis vor wenigen Tagen in der Konsequenz nicht so deutlich gewesen, wie nun, da ich im Forum viele persönliche Geschichten gelesen habe.
Elke, so erfuhr ich, hat wohl tatsächlich einige gute Wochen gehabt und zwar genauso lange, bis sie kein Geld mehr aufbringen konnte. Die Karte ihres schnell vollkommen überzogenen Kontos sei gesperrt worden und ab dem Moment sei sie nach den Worten der Frau, schlechter gehalten worden als ein Tier.
Diese Frau erzählte mir, sie nehme sich gelegentlich ausländischen Frauen an, die sehr schlecht leben und helfe ihnen.
Nachdem sie von der fetten Frau in dem Dorf erfahren habe, sei sie hingefahren und habe nur kurz mit ihr sprechen können.
Sie sei von der Familie weggejagt worden, konnte Elke aber sagen, wo sie zu finden sei.
Ich habe nicht alles verstanden, konnte auch einige Zusammenhänge nicht herstellen, allerdings vermutete ich in der Gedankenkette, ich sei für Elke mit der Erfüllung der Bestellliste möglicherweise eine Art Lebensversicherung geworden.
Jedenfalls hatte Elke wohl einen Infarkt oder Schlaganfall und die „Familie“ muss Angst bekommen haben, diese monumentale Frau – sollte sie sterben- nicht vom Hof zu kriegen- ohne aufzufallen-- und hatte nun diese Frau gerufen.
Die hat Elke abholen und in eine Klinik bringen lassen.
Meine Telefonnummer hatte Elke ihr gegeben, damit sie mich anruft, weil sie hoffte, ich übernähme die Kosten für sie.
Das sagte ich zwar zu, betonte jedoch, ich werde über ein festes Limit nicht hinausgehen und nur auf Rechnung- direkt an den Rechnungsleger überweisen.
Die Frau verstand mich und bestätigte meine Einstellung.
Wir verabredeten für den nächsten Tag ein weiteres Telefonat – auch mit der Aussicht, dass ich direkt mit Elke sprechen kann.
Dazu kam es nicht.
Elke ist in dieser Nacht gestorben.
Ich stellte den direkten Kontakt zu Elkes Bruder her.
Er redete nie wieder mit mir ein Wort.
Ich erinnere mich, einige Jahre immer wieder mit mir gehadert zu haben, diese Frau nicht vor diesem unsäglichen Ende bewahrt haben zu können.
Im Grunde weiss ich erst jetzt, da ich in diesem Forum lese, es ist nur ein Zufall, dem organisierten Raub nicht selbst ins Netz gegangen zu sein.
Ja, das wollte ich erzählen, für Elke.
charlotte_
Das Leben schreibt seine Rechnungen und will sie bezahlt haben. Offenbar zahlt der Mensch, ohne sich bewusst zu machen, es ist seine Lebenszeit, die ihm aufgerechnet wird, und nimmt unbedacht in Kauf, sein Glück hergeben zu müssen. (ACR)
-
Micky1244
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- Registriert: 29.03.2008, 11:55
Re: ... späte Erkenntnis ... nach etwa 10 Jahren ...
Liebe Charlotte,charlotte_ hat geschrieben:Ich beginne mal einfach ...
Ich schreibe, in Ungarns Sonne sitzend, ein paar ausgedruckte Notizen neben mir, und weiss, obgleich ich die meiste Zeit der letzten dreieinhalb Jahre schreibend verbracht habe- erstmals nicht- wie ich beginnen kann.
++++
Ich schreibe eine Geschichte, wie ich sie erlebt habe und bemühe mich absichtlich um Nüchternheit- zu meinem Schutz. Ich möchte um meinetwillen nicht noch einmal so emotional einsteigen, dass es meine innere Ruhe verlagert.
Ich bin damals davon ausgegangen, die Frau- über die ich hier schreibe, sei einem Mann mit krimineller Energie begegnet- sie habe demnach richtig Pech gehabt – beginnend mit einem Trotz-Wut- Urlaub in Tunesien.
Heute ist mir klar, sie ist nur eine von vielen … allerdings kann sie nichts mehr berichten. Sie hat ihre Geschichte nicht überlebt.
Um meinen Status in dieser Geschichte darstellen zu können, muss ich erzählen, wie wir uns kennengelernt haben und vor allem – warum.
Ich nenne sie hier Elke.
1. Vorgeschichte
Wir sind nie beste Freundinnen gewesen. Ich denke, es wäre ebenso übertrieben, uns überhaupt Freundinnen zu nennen. Nicht einmal gute Bekannte sind wir geworden, obzwar wir unglaublich vertraut waren und über Themen gesprochen haben, die sehr privat sind.
Ich hörte, nein ich las, von Elke das erste Mal vor etwa 13 Jahren. Sie hatte mir einen Brief geschrieben, so wie viele Frauen sich damals an mich gewandt hatten.
2. Vorgeschichte
Nach mehr als 20 Jahren eingepackt im monströsen Fett meiner Fresssucht, hatte ich in einem Akt der Verzweiflung – sozusagen als letzte Stufe meines elendigen Lebensgefühls im Leidensdruck des Nichtmehrwollens und Nichtmehrkönnens- nicht nur viel abgenommen, sondern mich mehr als halbiert. Das war an die Öffentlichkeit geraten, ich hatte fürs Fernsehen ein nicht übliches Interview gegeben und nunmehr flatterten unheimlich viele ähnliche „Schicksale“ per Post in mein Leben.
Es ist mir nicht möglich gewesen alle Briefe zu lesen, ich hätte sie auch niemals beantworten können, und so bin ich bei zirka 50 Kontaktaufnahmen geblieben, die sich späterhin auf etwa 20 reduziert haben und schliesslich- mir vollkommen bewusst, ich kann anderen das Gewicht nicht abnehmen, ist nur der Kontakt zu Elke übrig geblieben.
Von ihr habe ich innerhalb eines Jahres das ganze Leben erfahren. Sie sprach sich jede Minute ihrer Lebenszeit von der Seele, immer wieder und wieder und wieder. Nichts sparte sie aus. Manchmal wusste ich nicht, wie ich das Gehörte ertragen kann- hatte ich doch mein eigenes Bündel ebenfalls getragen und beim Abnehmen mit jedem Kilogramm abgearbeitet, verarbeitet, umgearbeitet, weggearbeitet.
Der Kontakt wurde von Elke gehalten, sie war penetrant. Vorzugsweise telefonierten wir. Sie nahm keine Rücksicht auf Abendstunden, Morgenstunden, Feiertage oder Wochenenden. Ich habe ihr öfters gesagt, wie aufdringlich ich sie empfinde, wie sehr sie mein Leben beeinträchtigt. Sie reagierte darauf wie eine Siegerin, nahm mir gelegentlich das Wort ab und sagte in fast stoischer Ruhe, ein wenig schnaufend, wie Fette es nun mal an sich haben, ich könne ja auflegen, wenn es mir zu viel werde.
Wir hatten eine ungeschminkte Umgangsweise. Ich hatte aufgrund meiner Erfahrungen im Umgang mit Selbstbetrug kategorisch jede Form von Verharmlosung aus meinem Leben verbannt und Elke hatte sich dem zumindest billigend unterworfen, da ich ansonsten jedes Gespräch abbrach.
Mit dem Satz:
„Belügen und sich etwas vormachen können Sie sich auch ohne mich“, hatte ich gelegentlich Gespräche, die ohnehin schon mehrere Stunden gedauert hatten, kurzerhand beendet. Ich war noch zu frisch eine „trockene Fresserin“ und zuvörderst mir verantwortlich, nicht in einen Rückfall zu rutschen.
3. Vorgeschichte
Elke wollte seit Jahren unbedingt abnehmen, sie war nicht so schwer wie ich seinerzeit, sie wog nur um die 170 Kilogramm, konnte sich aber von keiner einzigen Essgewohnheit lösen. Ihr System der logischen Beweisführung für jeden Grund, sich selbst etwas zu gönnen, sich zu belohnen und danach darüber zu grämen, ist ebenso manifestiert gewesen, wie vordem meines – und so vermochte ich ihr nicht zu helfen, konnte nur zuhören und ab und zu, wenn ich denn zu Wort kam, etwas dazu sagen.
Mein Leben hingegen hatte sich auf eine Weise verändert, die nicht mit 1000 Worten zu beschreiben ist. Ich entdeckte die Sinnlichkeit des mir selbst die Schuhe zubinden Könnens ebenso - wie das Begreifen eines unbegrenzten Lebenskreises. Natürlich erzählte ich darüber, konnte mir die Begeisterung an den für mich vollkommen neuen Erfahrungen als Frau gar nicht verkneifen und wollte es auch nicht.
Elke gönnte mir die Freude, sagte jedoch ohne Umschweife, wie sehr es sie quäle, wenn sie erfahre, was sie selbst nicht unternehmen könnte. Sie sprach gelegentlich von Neid, von Wut auf mich und mein schön gewordenes Leben.
Eines Tages reiste ich mit meinem damaligen Ehemann und unserem Sohn nach Tunesien. Himmel, es war der erste Urlaub den ich nicht halbkrank von der Reise im Hotelzimmer verbrachte. Ich bin auf Kamelen und Pferden geritten, habe mich an einem Schirm in den Himmel ziehen lassen, bin geschwommen, habe die Blicke der Männer gesehen, die nicht mehr in angstvollen Panikattacken schnell wegsahen und mein Gefühl, die Welt gehört mir und mein Leben ist unbegrenzt, hat mich in nicht zu beschreibende Sphären getrieben.
Und damit beginnt auch die
Hauptgeschichte
Zurückgekehrt erzählte ich via Telefon was ich alles erlebt hatte, wie unglaublich spannend das Leben ist und weder alle Schokolade noch die saftigsten Schinkenstücke der Welt - jemals aufwiegen können, was mein Leben nun ausmacht.
Elke zeigte sich überraschend angesteckt. Sie wolle ab sofort unbedingt und unaufhaltsam ihre Mahlzeiten reduzieren, nicht mehr zwischendurch essen und vor allem nicht mehr nachts.
„Das will ich auch erleben! Das schaffe ich!“, posaunte sie mir ins Ohr und vermittelte das Anzeichen, nun die Ausgangsmotivation gefunden zu haben.
Ich wusste aus eigenen Erfahrungen, das reicht nicht aus, sagte aber nichts dazu.
Einige Tage nach dem Urlaub unterzog ich mich einer lange geplanten Belohnung der besonderen Art. Einiges, was der Sport nicht gegen die Erdanziehungskraft hatte an Ort und Stelle bewegen können, liess ich an mir straffen und war somit für eine Zeit aus dem Kontakt gezogen. Unter dem Slogan: charlotte wird nun restschön- hatte ich mir diesen wesentlichen Schritt ganz allein mit mir verordnet. Auch ich hatte aufzuarbeiten, auch ich war noch jahrelang nicht über den Berg.
Ich nahm mir das Recht, mich um mich zu kümmern- in erster Linie.
Zurück aus der Klinik, hatte ich eine Nachricht im Mailfach, ich solle mich unbedingt sofort bei Elke melden. Ich wartete noch zwei Tage und rief dann an.
Mittels euphorischen Redeschwalls erfuhr ich nun, Elke habe 13 Kilogramm abgenommen, sie wolle mir unbedingt zeigen, wie sehr dies schon zu sehen sei, ich solle sie doch wiedermal besuchen, zumal sie unter allen Umständen sehen wolle, wie ich jetzt aussehe.
Wir lebten ungefähr 350 Kilometer voneinander entfernt. Sobald ich reisefähig war, bin ich zu ihr gefahren. Elke sass wie eh und je auf ihrem Sofa, schniefte in ihr Taschentuch und berichtete von einem erneuten Rückfall, weil sie so lange auf mich habe warten müssen. Optisch hatte sie zugenommen. Was sollte ich machen? Sie hatte zugenommen. Ich konnte nicht für sie annehmen, ich konnte sie nicht bewachen, sondern litt eh‘ schon unter ihren nächtlichen Anrufen, die unter dem Motto: Reden sie mit mir sonst esse ich meinen Kühlschrank leer, offensichtlich nichts genutzt hatten.
Ich hörte mir ihre Ja – aber‘s und Nein – aber‘s an und fuhr am gleichen Tag wieder nach Hause.
Eine Woche später erzählte mir Elke, sie habe einen Flug nach Tunesien gebucht. Sie habe das Recht auf ein bissel Abwechslung und man bekomme ja kein Einreiseverbot, wenn man keine Wespentaille vorweisen könne.
Ich erinnere mich, alle vernünftigen Argumente vorgebracht zu haben, warum eine solche Reise für sie nicht gut ist. Sie warf mir vor, ihr nichts Schönes zu gönnen, sondern nur alleine für mich ein tolles Leben haben zu wollen. Schliesslich gab ich auf, immerhin sei sie erwachsen, sagte ich und müsse wahrhaft selbst wissen, was sie sich zumuten kann und was nicht.
Elke ist nach Tunesien geflogen.
Nach zwei Wochen, sie hatte wohl gerade den Koffer im Flur abgestellt, meldete sie telefonisch ihre Rückkehr und berichtete in gleichen Atemzug, ihr sei der Mann ihres Lebens begegnet.
Ich freute mich ehrlich- nicht zuletzt auch deshalb, weil ich nun eine Verdoppelung ihrer Ansprechpartner erhoffte. Sie erzählte und erzählte, atemlos schwappte sie mir ihren Redeschwall durchs Telefon und ich bekam irgendwann den Eindruck, sie verwechselt Zeit und Namen.
So wollte sie bereits die Eltern des Mannes kennengelernt haben, alle Schwestern und Cousinen und Cousins, die Freunde und all‘ die anderen, die nunmehr in ihrem Leben Familie ausmachen werden.
Ich unterbrach sie und fragte:
„Waren Sie denn gar nicht in Tunesien?“
Sie antwortete fast empört, natürlich sei sie dort gewesen und ich wunderte mich über den Zufall, dort eine Grossfamilie angetroffen zu haben.
Ein Mann, ich vermutete ihn ungefähr in Elkes Alter, würde meiner Erfahrung nach kaum noch mit seinen Eltern gemeinsam in den Urlaub fahren- mit allem Anhang aber war es für mich so gar nicht vorstellbar.
Demnach bin ich davon ausgegangen, sie habe nach ihrem Tunesienurlaub noch einen Abstecher im Wohnort des Mannes gemacht und fragte, wo der denn lebe.
Elke nannte mir einen Ort, den ich unmöglich in Deutschland vermutete. Ich fragte nach und ja- der Mann ist Tunesier – Heimatort ein winziges Dorf irgendwo im Nirgendwo.
Meine erste Reaktion, nicht besonders sensibel dafür aber ehrlich:
„Sie haben ja wohl einen Vogel!“
Elke lachte schrill und ein wenig wie wahnsinnig klingend, bestätigte, ja sie sei verrückt, habe mindestens einen Vogelschwarm, aber es sei Liebe, Liebe, Liebe, Liebe.
Ich fühlte Panik in mir aufsteigen, lud mir in einem Anfall von Selbstvorwürfen die Verantwortung für diesen Unsinn auf die Schultern und meldete meinen Besuch für den kommenden Tag an.
Elke hatte zugenommen. Sie trug ein buntes Stück Tuch um sich gewickelt, sie behauptete- es sei eine Takshita – ich hatte den Eindruck – es könne auch ein überschmücktes Zweimannzelt sein und sagte das geradeheraus. Bissig antwortete sie, ich hätte ja früher wohl einfarbige Viermannzelte getragen. Das bestätigte ich - der Wahrheit geschuldet. Das angespannte Klima löste sich in einem Lachanfall auf.
Nun erzählte sie.
++++
Ich muss das nicht wiederholen, es ist alles so abgelaufen, wie hier im Forum schon x-Mal erzählt- klassisch bis hin zum Grosseinkauf für die Familie,
die OP-Kosten für den kranken aber sehr dankbaren Vater, alles alles alles – wie ich es damals als seltene Dummheit der Elke vermutet habe.
++++
Ich weiss nicht mehr, was ich an Einwände vorgebracht habe. Ich erinnere mich nur noch, beim Betrachten der Urlaubsfotos beinahe ohnmächtig geworden zu sein. Ich vergass regelrecht – auszuatmen.
Der Mann war damals 26 Jahre alt, nicht besonders gross, dafür aber gertenschlank, ein wirklich schönes Menschenkind und ich bekam Brechreiz, weil Elke mir unbedingt sagen musste, sie habe schon ganz vergessen, wie wunderbar Sex sei. Nun aber werde sie alles nachholen, alles Versäumte der letzten 10 Jahre. Elke war damals so alt wie ich, um die 45.
Was immer ich sagte, sie wollte es nicht hören, nicht wahrhaben, nicht glauben. Ich war ruhig geblieben, hatte mich aufgeregt, hatte leise gesprochen, geschrien, war aufbrausend gewesen, habe geschwiegen, alles nutzte nichts. Am späten Abend unterstellte sie mir, eingebildet zu sein, weil ich mal ein paar Gramm abgenommen habe und warf mich aus dem Haus.
Ich rief ihre Mutter an, die redete schon einige Jahre nicht mehr mit ihrer Tochter und wollte nun auch nicht mehr damit beginnen.
Ich suchte nach dem Bruder, fand ihn und erzählte ihm von Elkes Vorhaben.
Er lachte und sagte, wenn sie endlich einen gefunden habe, sei er ja aus dem Schneider. Er sei es ohnehin langsam leid, ihr bei der Hausarbeit helfen zu müssen, damit sie halbwegs klar kommt bei ihrem Übergewicht.
Ich habe an Elke geschrieben. Sie antwortete mir höflich, fast hochmütig, sie plane gerade die nächste Reise zu ihrem Verlobten und melde sich, sobald sie zurück sei.
Meine Tage waren damals eingeteilt in die der höchsten Sorge und die der kompletten inneren Verweigerung. Ich kämpfte jede Nacht wie eine Irre gegen Fressanfälle, war morgens wie gerädert.
Nach zwei Wochen versuchte ich Elke zu erreichen. Das Handy war ausgeschaltet, übers Festnetz quatschte mich der Anrufbeantworter an. Mit überlauter Stimme hatte Elke dort hinterlassen, sie sei im Land der Träume und man könne ihr ruhig eine Nachricht aufsprechen.
Ich sagte, sie solle sich melden, sobald sie zurück sei.
Eine Woche später rief sie mich an. Überglücklich, regelrecht aufgedreht berichtete sie vom höchsten Glück der Welt und dass sie e i g e n t l i c h schon verheiratet sei, denn sie habe vor Zeugen einen Hochzeitsvertrag unterschrieben.
Die richtige Hochzeit käme später auf jeden Fall noch, aber so habe sie mehr Rechte.
Ich legte den Hörer auf und nahm mir vor, mich nie wieder mit diesem Blödsinn konfrontieren zu lassen.
In den darauf folgenden Wochen führte ich einen heissen Krieg gegen die immer wieder aufkeimende Sucht, mich vollzufressen zu wollen.
Der längst überstanden geglaubte kalte Entzug erwischte mich auf eine Weise, die ich nur mit letzter Kraft abfedern und überstehen konnte – ohne rückfällig zu werden.
Das schlechte Gewissen, Elke nicht unterstützen, nicht mal von einem dämlichen Vorhaben abhalten zu können- wechselte sich regelmässig mit Totalverachtung gegenüber einer Frau ab, die ihre Realität nicht wahrnimmt und statt endlich mit dem Fressen aufzuhören, sich lieber von einem Kerl xxxxxxx lässt, der ihr Sohn sein könnte.
Nach meiner Erinnerung meldete sie sich nach 5 Monaten mit einer Ansichtskarte. Laut meiner Aufzeichnungen muss das aber schon nach drei Monaten gewesen sein. Sie schrieb, es gehe ihr wunderbar und wenn ich mal wieder Tunesienurlaub machen wolle, sie könne da gerne etwas drehen für mich. Ich bin kotzen gegangen und habe die Karte mit ins Becken gespült.
Weitere drei Monate später erhielt ich eine Mail. Elke beschrieb darin ein exorbitant wundervolles Leben in einer unbeschreiblich netten Familie in einem zauberhaften Dörfchen, und schickte mit ein Foto von sich. Schätzungsweise wog sie 190 Kilogramm, sie sah aufgedunsen aus. Gut, damit war sie immer noch schlanker als ich in meiner höchsten Zeit- aber ich erschrak.
Dieses Gewicht bei den Temperaturen?
Ich antwortete.
Irgendwie erleichterte es mich in diesem Moment, den Kontakt wieder aufzunehmen. Etwa einen Monat tauschten wir täglich Mails.
Und ab dann begann das Spiel des Kontaktabbruchs über Tage, dem dann eine SMS folgte, sie habe Probleme und melde sich in einigen Tagen, sie sei krank und könne nicht sitzen und schliesslich- bei einem der nächsten Male - der Laptop sei defekt, sie werde sich melden, sobald sie eine Lösung gefunden habe.
Da es in den Mails mehr und mehr Ungereimtheiten gegeben hatte, machten mich diese Pausen vollkommen unsicher, ich wartete jedoch immer bis ich wieder eine Mail von ihr erhielt.
Nach der Information über den defekten Laptop allerdings stellte ich per SMS die Frage, was denn daran kaputt sei und bekam die Antwort, er sei eben alt, sie wisse das auch nicht- ebenso wenig wie der Fachmann, der nun sage, die Reparatur koste ein Vermögen.
Der Laptop war mindestens drei Wochen nicht gebrauchsfähig. In dieser Zeit war ich von Elkes Schicksal so eingenommen, dass ich wieder Gefahr lief, in alte Suchtgewohnheiten zurückzufallen.
Die erste Mail von ihr war wie eine Befreiung.
Sie berichtete, ihr Mann habe sich bei Freunden das Geld für die Instandsetzung des Laptops leihen müssen, all‘ Ihr mitgebrachtes Geld sei verbraucht.
Die Ernte sei schlecht gewesen, der Vater wieder krank, er sterbe, werde er nicht noch einmal operiert, ihr Mann sei arbeitslos geworden …
Mir standen die Haare zu Berge.
Da sitze ich in Deutschland und muss lesen, um wie viel schlimmer alles meine Vermutungen übertrifft
und
und
und
stelle doch tatsächlich die Frage, ob und wie ich helfen könne.
Ich bekam ein paar Stunden später eine Bestellung, die mich regelrecht vom Sessel gehoben hat.
Angefangen von einem Laptop, einem Handy, Bargeld und einigen anderen „Kleinigkeiten“ endete sie damit, monatlich einen fest kalkulierbaren Betrag via Western Union schicken zu sollen.
Ich antwortete, dazu nicht bereit zu sein und erhielt mehrere Wochen keine Nachricht mehr.
In dieser Zeit überfielen mich abwechselnd das schlechte Gewissen und empörter Zorn. Beides griff mich in Paarung mit unbeschreiblicher Gier nach Essen an und ich kämpfte den altkannten Kampf gegen meine Fresssucht.
Ich beschloss jede Nacht, ab sofort nicht mehr auf eine Nachricht zu warten und liess gleichsam meinen PC dauernd angeschaltet.
Eines Tages bekam ich eine SMS von einer mir unbekannten Nummer. Ich wurde gebeten – in Sachen Elke - zurückzurufen. Meine Entschlossenheit, dies nicht zu tun, wurde von meinem Daumen unterwandert, der postwendend auf den kleinen grünen Hörer meines Handys drückte.
Eine deutschsprechende Frau meldete sich.
Was ich in der darauffolgenden Stunde erfahren habe, ist mir bis vor wenigen Tagen in der Konsequenz nicht so deutlich gewesen, wie nun, da ich im Forum viele persönliche Geschichten gelesen habe.
Elke, so erfuhr ich, hat wohl tatsächlich einige gute Wochen gehabt und zwar genauso lange, bis sie kein Geld mehr aufbringen konnte. Die Karte ihres schnell vollkommen überzogenen Kontos sei gesperrt worden und ab dem Moment sei sie nach den Worten der Frau, schlechter gehalten worden als ein Tier.
Diese Frau erzählte mir, sie nehme sich gelegentlich ausländischen Frauen an, die sehr schlecht leben und helfe ihnen.
Nachdem sie von der fetten Frau in dem Dorf erfahren habe, sei sie hingefahren und habe nur kurz mit ihr sprechen können.
Sie sei von der Familie weggejagt worden, konnte Elke aber sagen, wo sie zu finden sei.
Ich habe nicht alles verstanden, konnte auch einige Zusammenhänge nicht herstellen, allerdings vermutete ich in der Gedankenkette, ich sei für Elke mit der Erfüllung der Bestellliste möglicherweise eine Art Lebensversicherung geworden.
Jedenfalls hatte Elke wohl einen Infarkt oder Schlaganfall und die „Familie“ muss Angst bekommen haben, diese monumentale Frau – sollte sie sterben- nicht vom Hof zu kriegen- ohne aufzufallen-- und hatte nun diese Frau gerufen.
Die hat Elke abholen und in eine Klinik bringen lassen.
Meine Telefonnummer hatte Elke ihr gegeben, damit sie mich anruft, weil sie hoffte, ich übernähme die Kosten für sie.
Das sagte ich zwar zu, betonte jedoch, ich werde über ein festes Limit nicht hinausgehen und nur auf Rechnung- direkt an den Rechnungsleger überweisen.
Die Frau verstand mich und bestätigte meine Einstellung.
Wir verabredeten für den nächsten Tag ein weiteres Telefonat – auch mit der Aussicht, dass ich direkt mit Elke sprechen kann.
Dazu kam es nicht.
Elke ist in dieser Nacht gestorben.
Ich stellte den direkten Kontakt zu Elkes Bruder her.
Er redete nie wieder mit mir ein Wort.
Ich erinnere mich, einige Jahre immer wieder mit mir gehadert zu haben, diese Frau nicht vor diesem unsäglichen Ende bewahrt haben zu können.
Im Grunde weiss ich erst jetzt, da ich in diesem Forum lese, es ist nur ein Zufall, dem organisierten Raub nicht selbst ins Netz gegangen zu sein.
Ja, das wollte ich erzählen, für Elke.
charlotte_
ich hatte mich gefragt, was dich in dies Forum geführt haben könnte, hatte allerdings angenommen, dass du es schon schreiben würdest.
Dein Bericht hat mich völlig umgehauen, ich bin sehr betroffen von dem , was du über dich und Elke schreibst.
Deine Art zu schreiben ist so plastisch, so packend,so bildhaft, ich habe deinem Schreiben entnommen, dass das Schreiben dein Metier ist.
Diese traurige Geschichte deiner Bekannten, die so lehrbuchhaft verläuft, dazu die Beschreibung der Essstörung, die im Grunde das einzige
verbindende Glied zwischen dir und Elke war, ich bin tief bewegt.
Mir ist bis jetzt nicht klar gewesen, wie der Suchtcharakter der Essstörung sich auswirkt, ich habe darüber nicht viel gewusst.
Elke war mit einer adipositas permagna in Tunesien in Lebensgefahr, einige scheinbar glückliche Momente hat sie noch erlebt , dann das Elend, Krankheit, Siechtum, Tod.
Die seltsame Rivalität zwischen dir und Elke, die schon ausschloss, dass ihr wirklich befreundet sein konntet, deine große Nachsicht und Geduld mit Elke, eine eigenartige Gefühlsverstrickung.
Nein, du konntest Elke nicht helfen, es wäre allenfalls vorstellbar, dass sie mit fachlicher Hilfe vielleicht einen Ausweg aus der Sucht gefunden hätte.
Liebe Abendgrüße, Micky
Liebe Grüße, Micky
"Lass uns angeln gehen", sagte der Haken zum Wurm.
Isaiah Berlin: Die Freiheit der Wölfe ist der Tod der Lämmer.
"Lass uns angeln gehen", sagte der Haken zum Wurm.
Isaiah Berlin: Die Freiheit der Wölfe ist der Tod der Lämmer.
-
leokadia
- Beiträge: 70
- Registriert: 25.05.2010, 00:46
Re: ... späte Erkenntnis ... nach etwa 10 Jahren ...
Oh mein Gott...das ist ja schrecklich....
...habe eine Gänsehaut bekommen beim lesen...
Wie lange ist das denn her und wie geht es Dir heute? Aber bitte, bitte mach Dir keine Vorwürfe. Wenn ich das hier richtig entnehemen kann, hat sich Elke an Dir hochgezogen, fand es toll, daß sie seinerzeit mal weniger wog als Du und hat in Ihrem unvorstellbaren Neid, Dir gegenüber zeigen wollen..ha , guck her...ich habs drauf.
Wenn man mit Leuten in Kontakt tritt, egal wie die Verbindung auch ist, fühlt man sich immer verantwortlich, zumal wenn der Andere schwächer zu sein scheint und auch wenn diese Personen mitunter nerven.
Sie hat sich maßlos überschätzt und verloren...da hätte sie keiner retten können...Du warst für sie diejenige, die wahrscheinlich aus dem ganzen Umfeld doch noch immer für sie da war, auch wenn sie Dich ausgelacht und verpönt hat.
Sie wollte es nicht zugeben.
Aber in ihrer letzten Not wußte sie, daß sie sich auf Dich verlassen kann und Du hast ja auch alles getan, was in Deiner Macht .
stand.
Mehr geht nicht.........
Wieso hat denn der Bruder so komisch reagiert?...Super...alles sehr hilfreich um sich selber nicht die schuld zu geben.
Das sind trauernde Menschen...insgeheim muß er sich doch die Schuld geben, wird es nur niemals zugeben.
Und wenn er es verstanden hat, wird es für Dein Gefühl hoffentlich nicht zu spät sein.
Was ist überhaupt Schuld..?
Sie hat es so gewollt. Was bitte schön hättest Du machen sollen????
Und was ist, da es ja schon 10 Jahre her ist aus den Fressattaken geworden ?
Es kann doch nicht sein, daß die Frau, Dir als Erbe ein ewig schlechtes Gewissen hinterlassen hat, die sich in unstillbaren Hunger breitmachen.
Schuld ist etwas ganz schreckliches, aber DU HAST KEINE SCHULD.
Ich wünsche Dir von herzen, daß Du dies verinnerlichen kannst.
Alles Gute dazu
leokadia
...habe eine Gänsehaut bekommen beim lesen...
Wie lange ist das denn her und wie geht es Dir heute? Aber bitte, bitte mach Dir keine Vorwürfe. Wenn ich das hier richtig entnehemen kann, hat sich Elke an Dir hochgezogen, fand es toll, daß sie seinerzeit mal weniger wog als Du und hat in Ihrem unvorstellbaren Neid, Dir gegenüber zeigen wollen..ha , guck her...ich habs drauf.
Wenn man mit Leuten in Kontakt tritt, egal wie die Verbindung auch ist, fühlt man sich immer verantwortlich, zumal wenn der Andere schwächer zu sein scheint und auch wenn diese Personen mitunter nerven.
Sie hat sich maßlos überschätzt und verloren...da hätte sie keiner retten können...Du warst für sie diejenige, die wahrscheinlich aus dem ganzen Umfeld doch noch immer für sie da war, auch wenn sie Dich ausgelacht und verpönt hat.
Sie wollte es nicht zugeben.
Aber in ihrer letzten Not wußte sie, daß sie sich auf Dich verlassen kann und Du hast ja auch alles getan, was in Deiner Macht .
stand.
Mehr geht nicht.........
Wieso hat denn der Bruder so komisch reagiert?...Super...alles sehr hilfreich um sich selber nicht die schuld zu geben.
Das sind trauernde Menschen...insgeheim muß er sich doch die Schuld geben, wird es nur niemals zugeben.
Und wenn er es verstanden hat, wird es für Dein Gefühl hoffentlich nicht zu spät sein.
Was ist überhaupt Schuld..?
Sie hat es so gewollt. Was bitte schön hättest Du machen sollen????
Und was ist, da es ja schon 10 Jahre her ist aus den Fressattaken geworden ?
Es kann doch nicht sein, daß die Frau, Dir als Erbe ein ewig schlechtes Gewissen hinterlassen hat, die sich in unstillbaren Hunger breitmachen.
Schuld ist etwas ganz schreckliches, aber DU HAST KEINE SCHULD.
Ich wünsche Dir von herzen, daß Du dies verinnerlichen kannst.
Alles Gute dazu
leokadia
-
charlotte_
- Beiträge: 83
- Registriert: 25.06.2010, 11:34
Re: ... späte Erkenntnis ... nach etwa 10 Jahren ...
Guten Abend- allen-
ich habe diese Geschichte erlebt, sie hat noch viele andere- sehr persönliche Facetten, ich habe sie so kurz und absichtlich nüchtern gehalten.
Über Elke wesentlich mehr zu sagen, von Ihrem Leben weitgehenderes zu berichten, steht mir nicht zu.
Zur Vervollständigung jedoch hier:
Natürlich ist sie lange in ärztlicher Behandlung gewesen, jedoch muss man für das "Entsuchten" aus der Fressucht wahrscheinlich andere Massstäbe ansetzen als ein Diätprogramm
und und und
es ist eben kein Schalter im Kopf, der endlich umgelegt wird und das Abnehmen beginnt.
Das wirklich Blöde ist, Essen muss der Mensch allemal.
Es ist ein langer Prozess, die Erkenntnis, es kann so nicht weiter gehen ----> umzusetzen ----> in eine ewig lang erscheinende Zeitspanne, in der man Gewicht reduziert und trotzdem fett bleibt.
Es beginnt nicht mit dem Essen, es beginnt mit dem ans Essen denken. Diät bedeutet aber ---> ans Essen denken.
Bei mir waren z.B. die ersten 30 Kilogramm nicht mal zu sehen.
Es hatte lediglich den Effekt als würde man bei einem Bäcker 1 Brötchen aus einem riesigen Korb geklaut haben.
Das fiele nämlich auch keinem auf.
Aber gerade da braucht man unglaublich viel Zuspruch. Es ist eine erhebliche Prüfung, mitten in dem Prozess auf der Strasse zu hören, dass sich hinter einem die Bewohner eines ganzen Hochhauses umziehen könnten- ohne gesehen zu werden. Und das sind noch harmlose Bemerkungen.
Elke ging kaum noch vor die Tür- ich hatte mich nie wirklich ganz zurückziehen können, war allenfalls immer der Umwelt ausgesetzt, die übrigens in ihrem Erstaunen und Unverständnis meiner Erscheinung gegenüber- immer mein volles Verständnis hatte.
Elke war noch nicht so weit.
Das habe ich verstanden.
Sie wollte meine Kraft, meine Erfahrung, deshalb war sie so penedrant- aber sie war noch gar nicht in der Lage, die zu nutzen- also hat sie mich intuitiv auf Eis gelegt, behalten wollen, bis sie etwas mit mir anfangen kann- als Hilfestellung. Das hat sie nicht bewusst gemacht- obgleich es gelegentlich für mich so anzufühlen gewesen ist.
Doch ich habe mich immer wieder besonnen- Geduld geübt. Schliesslich ist mir das Denken eines süchtigen Menschen nach mehr als 20 Jahren Selbsterfahrung nicht fremd gewesen.
Ich habe Elke verstanden- trotzdem ging sie mir desöfteren schrecklich auf die Nerven.
Ich war selbst noch im Erkenntnisprozess der Entdeckung meiner Identität. Ich erkannte mich noch nicht mal auf jedem Foto sofort und sollte ihr für unausgegorene Hoch`'s und Tief''s jederzeit zur Verfügung stehen. Ich jubelte noch wie eine Verrückte, weil ich nach ewigen Zeiten wieder in meine BHadewanne und Duschkabine passte und sollte sofort umschalten und mir anhörenb, welcher ( für mich inzwischen Unsinn) sie wiedereinmal zum Verzehr einer halben Torte zwischendurch verleitet hatte.
Ausserdem erinnerten mich ihre täglichen Rückfälle immer daran, dass ich bei gleicher Gelegenheit ja mal drei Torten geschafft hatte.
Sie wurde für mich wie ein Spiegel der Vergangenheit und ich war für sie der Spiegel der Zukunft.
Diesbezüglich "quälten" wir uns gegenseitig.
Elke hat mich nicht ausgelacht- sie hat mich monströs fett gar nicht gekannt, hatte nur Fotos in jener Fernsehsendung gesehen.
Als sie mir den ersten Brief schrieb - hatte ich schon fast ein Jahr lang - meine Zielfigur erreicht und gehalten.
Sie hatte oftmals so etwas wie boshaften Neid und ich habe sie verstanden.
Meine Geduld hatte ihre Wurzel in diesem Verstehen.
Ich wusste, weiss und werde nie vergessen, wie ich mich bei vollem Verstand etwas falsches zu tun, mit medizinischem Hintergrundwissen ---- beinahe zu Tode gefressen hätte.
Ich weiss:
Wenn Wissen, Erkenntnis und Vernunft ausreichen würden, wäre z.B. kein Arzt übergewichtig oder Raucher, schliefe täglich mindestens 8 Stunden und triebe regelmässig Sport - und und und z.B. auch die Bezness fänden keine Opfer.
Elke hatte vieles probiert. Allerdings lebte sie nach einer dramatischen Scheidung alleine und es blieb ihr scheinbar nur das Essen- jedenfalls empfand sie es so. Ich konnte es nachfühlen.
Männer näherten sich ihr in Deutschland kaum noch, und wenn, dann waren es Fetischisten, darauf einzugehen verdürbe mir aber die Nacht. (Euch sicherlich auch)
Sie liess sich auf sowas ein, um wenigstens ab und an so etwas wie Leben zu fühlen, dass nichts mit Essen zu tun hatte.
Hinterher ging es ihr schlecht, dann rief sie mich an und es ging mir auch noch misserable.
Ich wusste aber, wäre ich nicht ansprechbar- würde sie sich umzubringen versuchen.
Ich wusste zu viel von ihr- um sie wegschicken zu können.
Ihre Familie war nie stabil, Elke hatte nie ein haltbares soziales Umfeld. Ohne Grund frisst sich ein Mensch nicht kaputt.
Jeder süchtige Mensch hat sein eigenes Ursachenforschungsprogramm vor sich und muss es durchstehen- sie kannte ihres und hatte noch nicht die Kraft, es anzufassen.
+++++
Auch ohne Elke hätte ich noch einige Jahre in permanentem Rückfallrisiko gelebt. Daran hatte sie nicht Schuld.
Es ist meine Überzeugung:
Man überwindet eine Sucht, aber man hatte sie nicht- sondern sie bleibt- sie gehört in das betreffende Menschenprofil. Man kann sie beherrschen, mit ausreichendem Training dauerhaft und immer leichter.
Allerdings , dass ich mich eben nicht nur auf mich konzentrieren konnte- und das Belagern und Überlagern meiner Gedanken -von ihr bis zur Überlastung ausgelebt worden ist, hat mich zusätzlich in solch' schwere Risiken und Machtkrisen mit der Sucht gebracht.
Allerdings- heute sehe ich es als Kraftprobe- ich weiss, ich kann immer wieder gewinnen, sollte mich meine Sucht wieder einholen.
Dazu müsste es jedoch einen Anlass geben - den ich noch nicht erprobt habe.
Ob es den gibt?????????????
Kaum!
Ich lebe seit etwa 3 Jahren frei von jedem Rückfallrisiko- keine Nacht mehr die Unruhe der Gier nach allem was essbar ist.
Ich habe einen vollen Kühlschrank, volle Vorratsschränke, bin immer so ausgestattet, dass ich gut 14 Tage ohne Mangel leben kann- ohne in die nächste Stadt zu müssen- und verhalte mich wie jeder Mensch, der ein gesundes Verhältnis zu Lebensmitteln hat. Ich habe Gewichtsschwankungen von +/- 2 Kilo - ganz normal also.
Ich bin glücklich, lebe erfüllt, werde geliebt, liebe.
Ich kann das machen, was ich schon immer wollte - schreiben.
Und ich bin in einem Alter, in dem mir niemand mehr verbieten kann, so zu leben wie ich es will. Erwachsener geht ja nun wirklich nicht
+++++
Ich habe nur sehr kurzfristig mit der Vorstellung gekämpft- eine Schuld an Elkes Geschichte zu tragen.
- Ihr Gewicht war für Tunesien nicht gemacht - das wusste ich- habe es ihr - ich weiss nicht mehr, wie oft gesagt.
Mich schuldig zu fühlen, dass ich mit meiner Familie in Tunesien Urlaub gemacht hatte, wäre mir nicht in den Sinn gekommen.
Ihr nicht ausreden gekonnt zu haben- sich auf diesen Burschen einzulassen- habe ich mir lange vorgeworfen.
Ich haderte mit meiner mangelnden Eloquenz, meiner fehlenden Überzeugunskraft ... naja all' die Mechanismen, über die ich auch anderen Orts schon geschrieben habe ... tangierten, trafen oder beeinflussten mich natürlich auch.
Eine Grenze habe ich allerdings klar dort gezogen, entschieden zu haben, eben nicht bereit zu sein, jemandem einen nicht unerheblichen finanziellen monatlichen Etat einzuräumen.
Die späterhin ins Haus stehende Ausbildung unseres Sohnes, das Auskommen meiner Familie stand schon allein der
Vernunft und Gerechtigkeit verbunden, an vorderster Stelle, zumal ich in den vergangenen Jahre ohnehin die Haushaltskasse bis an den Rand der Möglichkeiten verfresssen hatte.
+++++++++++++++
@Micky1244: In der Rubrik -User stellen sich vor- habe ich den Weg hierher beschrieben. Hier angekommen- konnte ich plötzlich die Geschichte einordnen- ich begriff, dass es eben nicht die ausgemachte Dummheit einer fetten Frau war- gegen jede Vernunft in dieses Land zu gehen- in dem sie dann einem Kriminellen in die Hand gefallen ist- sondern dass das Ganze System hatte und Elke ein perfektes Opfer darstellte.
Ich erkannte durch dieses Forum hier die Struktur, der sie nicht wiederstehen konnte.
Es hat etwas von süchtig sein- werden können ????
Das ändert zwar nichts am "Ergebnis" aber Elke gewinnt nachträglich an Würde.
++++++++++++++++++
Und wenn ich nun hier dazu beitragen kann, dass die eine oder andere Frau ihre eigene Situation näher betrachtet- hat auch Elke daran einen Anteil.
Ich wünsche Euch allen eine angenehme Nacht.
Herzlichst
charlotte_
ich habe diese Geschichte erlebt, sie hat noch viele andere- sehr persönliche Facetten, ich habe sie so kurz und absichtlich nüchtern gehalten.
Über Elke wesentlich mehr zu sagen, von Ihrem Leben weitgehenderes zu berichten, steht mir nicht zu.
Zur Vervollständigung jedoch hier:
Natürlich ist sie lange in ärztlicher Behandlung gewesen, jedoch muss man für das "Entsuchten" aus der Fressucht wahrscheinlich andere Massstäbe ansetzen als ein Diätprogramm
und und und
es ist eben kein Schalter im Kopf, der endlich umgelegt wird und das Abnehmen beginnt.
Das wirklich Blöde ist, Essen muss der Mensch allemal.
Es ist ein langer Prozess, die Erkenntnis, es kann so nicht weiter gehen ----> umzusetzen ----> in eine ewig lang erscheinende Zeitspanne, in der man Gewicht reduziert und trotzdem fett bleibt.
Es beginnt nicht mit dem Essen, es beginnt mit dem ans Essen denken. Diät bedeutet aber ---> ans Essen denken.
Bei mir waren z.B. die ersten 30 Kilogramm nicht mal zu sehen.
Es hatte lediglich den Effekt als würde man bei einem Bäcker 1 Brötchen aus einem riesigen Korb geklaut haben.
Das fiele nämlich auch keinem auf.
Aber gerade da braucht man unglaublich viel Zuspruch. Es ist eine erhebliche Prüfung, mitten in dem Prozess auf der Strasse zu hören, dass sich hinter einem die Bewohner eines ganzen Hochhauses umziehen könnten- ohne gesehen zu werden. Und das sind noch harmlose Bemerkungen.
Elke ging kaum noch vor die Tür- ich hatte mich nie wirklich ganz zurückziehen können, war allenfalls immer der Umwelt ausgesetzt, die übrigens in ihrem Erstaunen und Unverständnis meiner Erscheinung gegenüber- immer mein volles Verständnis hatte.
Elke war noch nicht so weit.
Das habe ich verstanden.
Sie wollte meine Kraft, meine Erfahrung, deshalb war sie so penedrant- aber sie war noch gar nicht in der Lage, die zu nutzen- also hat sie mich intuitiv auf Eis gelegt, behalten wollen, bis sie etwas mit mir anfangen kann- als Hilfestellung. Das hat sie nicht bewusst gemacht- obgleich es gelegentlich für mich so anzufühlen gewesen ist.
Doch ich habe mich immer wieder besonnen- Geduld geübt. Schliesslich ist mir das Denken eines süchtigen Menschen nach mehr als 20 Jahren Selbsterfahrung nicht fremd gewesen.
Ich habe Elke verstanden- trotzdem ging sie mir desöfteren schrecklich auf die Nerven.
Ich war selbst noch im Erkenntnisprozess der Entdeckung meiner Identität. Ich erkannte mich noch nicht mal auf jedem Foto sofort und sollte ihr für unausgegorene Hoch`'s und Tief''s jederzeit zur Verfügung stehen. Ich jubelte noch wie eine Verrückte, weil ich nach ewigen Zeiten wieder in meine BHadewanne und Duschkabine passte und sollte sofort umschalten und mir anhörenb, welcher ( für mich inzwischen Unsinn) sie wiedereinmal zum Verzehr einer halben Torte zwischendurch verleitet hatte.
Ausserdem erinnerten mich ihre täglichen Rückfälle immer daran, dass ich bei gleicher Gelegenheit ja mal drei Torten geschafft hatte.
Sie wurde für mich wie ein Spiegel der Vergangenheit und ich war für sie der Spiegel der Zukunft.
Diesbezüglich "quälten" wir uns gegenseitig.
Elke hat mich nicht ausgelacht- sie hat mich monströs fett gar nicht gekannt, hatte nur Fotos in jener Fernsehsendung gesehen.
Als sie mir den ersten Brief schrieb - hatte ich schon fast ein Jahr lang - meine Zielfigur erreicht und gehalten.
Sie hatte oftmals so etwas wie boshaften Neid und ich habe sie verstanden.
Meine Geduld hatte ihre Wurzel in diesem Verstehen.
Ich wusste, weiss und werde nie vergessen, wie ich mich bei vollem Verstand etwas falsches zu tun, mit medizinischem Hintergrundwissen ---- beinahe zu Tode gefressen hätte.
Ich weiss:
Wenn Wissen, Erkenntnis und Vernunft ausreichen würden, wäre z.B. kein Arzt übergewichtig oder Raucher, schliefe täglich mindestens 8 Stunden und triebe regelmässig Sport - und und und z.B. auch die Bezness fänden keine Opfer.
Elke hatte vieles probiert. Allerdings lebte sie nach einer dramatischen Scheidung alleine und es blieb ihr scheinbar nur das Essen- jedenfalls empfand sie es so. Ich konnte es nachfühlen.
Männer näherten sich ihr in Deutschland kaum noch, und wenn, dann waren es Fetischisten, darauf einzugehen verdürbe mir aber die Nacht. (Euch sicherlich auch)
Sie liess sich auf sowas ein, um wenigstens ab und an so etwas wie Leben zu fühlen, dass nichts mit Essen zu tun hatte.
Hinterher ging es ihr schlecht, dann rief sie mich an und es ging mir auch noch misserable.
Ich wusste aber, wäre ich nicht ansprechbar- würde sie sich umzubringen versuchen.
Ich wusste zu viel von ihr- um sie wegschicken zu können.
Ihre Familie war nie stabil, Elke hatte nie ein haltbares soziales Umfeld. Ohne Grund frisst sich ein Mensch nicht kaputt.
Jeder süchtige Mensch hat sein eigenes Ursachenforschungsprogramm vor sich und muss es durchstehen- sie kannte ihres und hatte noch nicht die Kraft, es anzufassen.
+++++
Auch ohne Elke hätte ich noch einige Jahre in permanentem Rückfallrisiko gelebt. Daran hatte sie nicht Schuld.
Es ist meine Überzeugung:
Man überwindet eine Sucht, aber man hatte sie nicht- sondern sie bleibt- sie gehört in das betreffende Menschenprofil. Man kann sie beherrschen, mit ausreichendem Training dauerhaft und immer leichter.
Allerdings , dass ich mich eben nicht nur auf mich konzentrieren konnte- und das Belagern und Überlagern meiner Gedanken -von ihr bis zur Überlastung ausgelebt worden ist, hat mich zusätzlich in solch' schwere Risiken und Machtkrisen mit der Sucht gebracht.
Allerdings- heute sehe ich es als Kraftprobe- ich weiss, ich kann immer wieder gewinnen, sollte mich meine Sucht wieder einholen.
Dazu müsste es jedoch einen Anlass geben - den ich noch nicht erprobt habe.
Ob es den gibt?????????????
Kaum!
Ich lebe seit etwa 3 Jahren frei von jedem Rückfallrisiko- keine Nacht mehr die Unruhe der Gier nach allem was essbar ist.
Ich habe einen vollen Kühlschrank, volle Vorratsschränke, bin immer so ausgestattet, dass ich gut 14 Tage ohne Mangel leben kann- ohne in die nächste Stadt zu müssen- und verhalte mich wie jeder Mensch, der ein gesundes Verhältnis zu Lebensmitteln hat. Ich habe Gewichtsschwankungen von +/- 2 Kilo - ganz normal also.
Ich bin glücklich, lebe erfüllt, werde geliebt, liebe.
Ich kann das machen, was ich schon immer wollte - schreiben.
Und ich bin in einem Alter, in dem mir niemand mehr verbieten kann, so zu leben wie ich es will. Erwachsener geht ja nun wirklich nicht
+++++
Ich habe nur sehr kurzfristig mit der Vorstellung gekämpft- eine Schuld an Elkes Geschichte zu tragen.
- Ihr Gewicht war für Tunesien nicht gemacht - das wusste ich- habe es ihr - ich weiss nicht mehr, wie oft gesagt.
Mich schuldig zu fühlen, dass ich mit meiner Familie in Tunesien Urlaub gemacht hatte, wäre mir nicht in den Sinn gekommen.
Ihr nicht ausreden gekonnt zu haben- sich auf diesen Burschen einzulassen- habe ich mir lange vorgeworfen.
Ich haderte mit meiner mangelnden Eloquenz, meiner fehlenden Überzeugunskraft ... naja all' die Mechanismen, über die ich auch anderen Orts schon geschrieben habe ... tangierten, trafen oder beeinflussten mich natürlich auch.
Eine Grenze habe ich allerdings klar dort gezogen, entschieden zu haben, eben nicht bereit zu sein, jemandem einen nicht unerheblichen finanziellen monatlichen Etat einzuräumen.
Die späterhin ins Haus stehende Ausbildung unseres Sohnes, das Auskommen meiner Familie stand schon allein der
Vernunft und Gerechtigkeit verbunden, an vorderster Stelle, zumal ich in den vergangenen Jahre ohnehin die Haushaltskasse bis an den Rand der Möglichkeiten verfresssen hatte.
+++++++++++++++
@Micky1244: In der Rubrik -User stellen sich vor- habe ich den Weg hierher beschrieben. Hier angekommen- konnte ich plötzlich die Geschichte einordnen- ich begriff, dass es eben nicht die ausgemachte Dummheit einer fetten Frau war- gegen jede Vernunft in dieses Land zu gehen- in dem sie dann einem Kriminellen in die Hand gefallen ist- sondern dass das Ganze System hatte und Elke ein perfektes Opfer darstellte.
Ich erkannte durch dieses Forum hier die Struktur, der sie nicht wiederstehen konnte.
Es hat etwas von süchtig sein- werden können ????
Das ändert zwar nichts am "Ergebnis" aber Elke gewinnt nachträglich an Würde.
++++++++++++++++++
Und wenn ich nun hier dazu beitragen kann, dass die eine oder andere Frau ihre eigene Situation näher betrachtet- hat auch Elke daran einen Anteil.
Ich wünsche Euch allen eine angenehme Nacht.
Herzlichst
charlotte_
Das Leben schreibt seine Rechnungen und will sie bezahlt haben. Offenbar zahlt der Mensch, ohne sich bewusst zu machen, es ist seine Lebenszeit, die ihm aufgerechnet wird, und nimmt unbedacht in Kauf, sein Glück hergeben zu müssen. (ACR)
-
leokadia
- Beiträge: 70
- Registriert: 25.05.2010, 00:46
Re: ... späte Erkenntnis ... nach etwa 10 Jahren ...
hallo Charlotte, du bist noch wach...??
ich auch...kan einfach nicht schlafen....
leokadia
ich auch...kan einfach nicht schlafen....
leokadia
-
leokadia
- Beiträge: 70
- Registriert: 25.05.2010, 00:46
Re: ... späte Erkenntnis ... nach etwa 10 Jahren ...
Wie genau meinst Du das eigentlich mit dem "Fett sein" ist für diese Länder nicht geschaffen?
Mußte mir immer wieder anhören, daß ich nix gut Frau, weil ich habe zu wenig Kilo...ich sei ein Sklett...ich bin krank
Ich denke die stehen auf körperlich gut situierte Frauen????
Ok..ich habe auch schon von Geschichten gehört, daß diese Frauen ach so hoch gelobt werden und dann von ihren Spargeltarzans als fette Kuh bezeichnet worden sind.
Gott ist das armseelig...wenn man jemand liebt, dann doch so wie er ist, oder nicht
Ha ha ha ha ...müßte mich selber mal hören..nee..dazu sind diese Kerle einfach nicht in der Lage...die wollen einen nur fertg machen, ob so oder so.
Meiner hat mich regelrecht gezwungen zu essen, obwohl ich einfach nicht mehr konnte...er sagte...wenn Du mich liebst, dann esse viele...jeden Tag fragte er m ich was ich genau gegessen habe. Konnte ich nicht viel antworten, hat er das Gespräch beendet...selber war er aber ziemlich untypisch für einen Tunesier..übergewichtig.
Von daher weiß ich zu glauben...denen macht man es nicht recht...ob füllig oder nicht.
Es fällt mir schwer, mir vorzustellen, daß die ganze Problematik, die Elke hatte, nur am Gewicht lag..es wurde nur daraus gemacht...man hat sie damit fertig gemacht, weil sie glaubte ein Problem damit zu haben.
Eure Worte....schwachpunkte und so....
Ich als "sklett", wie ich immer bezeichnet wurde, hätte genau so aus der geschichte resultieren können, wenn ich es nur
zugelassen hätte.
Ich denke mal, die leidgeprüfte Elke war noch mehr unten, als wir uns das vorstellen können, und es eine von uns war oder ist.
Sie ist an gebrochenem Verstand und Herz zu Grunde gegangen.
Diese Geschichte geht mir so schnell nicht merh aus dem Kopf
Gute Nacht...
Mußte mir immer wieder anhören, daß ich nix gut Frau, weil ich habe zu wenig Kilo...ich sei ein Sklett...ich bin krank
Ich denke die stehen auf körperlich gut situierte Frauen????
Ok..ich habe auch schon von Geschichten gehört, daß diese Frauen ach so hoch gelobt werden und dann von ihren Spargeltarzans als fette Kuh bezeichnet worden sind.
Gott ist das armseelig...wenn man jemand liebt, dann doch so wie er ist, oder nicht
Ha ha ha ha ...müßte mich selber mal hören..nee..dazu sind diese Kerle einfach nicht in der Lage...die wollen einen nur fertg machen, ob so oder so.
Meiner hat mich regelrecht gezwungen zu essen, obwohl ich einfach nicht mehr konnte...er sagte...wenn Du mich liebst, dann esse viele...jeden Tag fragte er m ich was ich genau gegessen habe. Konnte ich nicht viel antworten, hat er das Gespräch beendet...selber war er aber ziemlich untypisch für einen Tunesier..übergewichtig.
Von daher weiß ich zu glauben...denen macht man es nicht recht...ob füllig oder nicht.
Es fällt mir schwer, mir vorzustellen, daß die ganze Problematik, die Elke hatte, nur am Gewicht lag..es wurde nur daraus gemacht...man hat sie damit fertig gemacht, weil sie glaubte ein Problem damit zu haben.
Eure Worte....schwachpunkte und so....
Ich als "sklett", wie ich immer bezeichnet wurde, hätte genau so aus der geschichte resultieren können, wenn ich es nur
zugelassen hätte.
Ich denke mal, die leidgeprüfte Elke war noch mehr unten, als wir uns das vorstellen können, und es eine von uns war oder ist.
Sie ist an gebrochenem Verstand und Herz zu Grunde gegangen.
Diese Geschichte geht mir so schnell nicht merh aus dem Kopf
Gute Nacht...
-
charlotte_
- Beiträge: 83
- Registriert: 25.06.2010, 11:34
Re: ... späte Erkenntnis ... nach etwa 10 Jahren ...
Guten Morgen an alle,
ich danke denen,
die bisher schriftlich reagiert haben
und gehe
- ohne Zitate- nach der Erinnerung des Gelesenen
darauf ein.
Mit einem solchen Gewicht in Temperaturen zu leben, wie sie in Tunesien vorzufinden sind, bedeutet- permanent Lebensgefahren.
Es hatte also nichts damit zu tun, ob man in Tunesien übergewichtige Frauen mag oder nicht, sondern ist ein klassisches Gesundheitsrisiko.
++++++
Ich habe sehr viele Jahre meines Lebens damit zugebracht- meine Umwelt aus einem monströsen Körper heraus wahrzunehmen- und weiss sehr gut- wie Menschen damit umgehen, wenn jemand z.B. optisch vollkommen aus der Rolle fällt. Ich habe immer den Eindruck gehabt,
Übergewichtigen wird grobe Fahrlässigkeit mit sich selbst, absolut mangelnde Disziplin, Blödheit und vor allem auch Schwerhörigkeit unterstellt-
Ich habe das wahrhaftig immer verstanden.
Wie soll jemand auch nachvollziehen können, was einen anderen zu so unglaublichen Fressmengen bringt? Jedes Baby hört auf zu saugen und spuckt aus, was es einfach nicht mehr schlucken will, weil es satt ist.
Wieso sollten Erwachsene nicht merken, wann sie satt sind?
Ausserdem - damals war das Thema Essstörung in den Medien noch gar nicht so präsent wie heute - und ob heutzutage tatsächlich begriffen wird, was in den Köpfen und in dem - was man Seele nennt- vor sich geht, weiss niemand, weil das Thema an sich- noch immer nicht wirklich von allen Tabus befreit ist.
++++++++
Was Elke betrifft ...
Ich konnte Elke auf bestimmte Weise fühlen- erfassen ….
Seitdem ich nicht mehr dermassen fett bin- sehe ich übergewichtige Menschen anders als ich es noch vorher getan habe.
Waren sie vormals so etwas wie ein Beweis dafür, dass auch ich eine Lebensberechtigung habe und nicht alleine so elendig dran bin- bekomme ich heutzutage so etwas wie Atemnot. Ich fühle ein riesiges Gewicht auf meinem Brustkorb, möchte zu dem Menschen laufen, ihn umarmen und weinen und gleichermassen schütteln und darum bitten, sein Inneres zuzulassen und sich damit aus dem würdelosen Leben zu befreien.
Natürlich mache ich das nicht!
Natürlich sind es nur kurze Momente, ich bin davon nicht tagelang beeindruckt.
Natürlich weiss ich, die meisten dieser Leute würden mich für verrückt halten und darauf bestehen, es gehe ihnen blendend und sie wollen so sein und haben ein Recht darauf so zu sein.
Natürlich würden die meisten sich dagegen verwahren, ihr Leben sei würdelos.
Elke war dafür ein klassischen Beispiel. Vielleicht habe ich mich in ihrem Verhalten noch einmal als Fette gespiegelt.
Ich kann mich an stundenlange Gespräche erinnern, in denen sie mir erklärte, sie esse gar nichts und nehme trotzdem zu.
Anderentags behauptete sie, so fett nun auch wieder nicht zu sein- ihre inneren Wert würde niemand erkennen und sie habe es satt nur auf ihre Hülle reduziert zu werden.
Nur Stunden später beschimpfte sie sich selbst als unwert und hasste sich für ihre Gier nach Essen.
Das alles und noch viel mehr - hatte ich hinter mir- ich hatte bereits einen anderen Blick auf das Thema, mir schwer erarbeitet - bis zur absoluten (symbolischen) Enthäutung und komplett auf Links gedreht.
Ich war ihr als Ansprechpartner durchaus wichtig- da ich sie aber nur verstehen konnte und ihr trotzdem nicht Recht geben konnte –
hatte dieser Bursche in Tunesien so leichtes Spiel.
Er gab vor - sie zu verstehen UND gab Ihr RECHT!
Er hörte sich an, was sie sagte, bedauerte sie ein wenig und versprach, für sie da zu sein.
Versteht Ihr? ER spiegelte sie NICHT- sondern war wie eine Fotomontage, auf der das Bild immer genauso gestaltet wurde, wie Elke es gerne sehen wollte.
Er passte sich ihrem aktuellen Zustand an.
ER ist eine Emotionshure für sie gewesen.
Elke hatte in ihm jemand gefunden, der nicht hinterfragte, sondern eben mal `ne Frage stellte, damit sie denkt, er interessiert sich für ihre Problematik.
Wenn sie telefonierten wurde das Thema ungefähr so abgehandelt:
Er: „Du heut schon essen?“
Sie: „Nein noch nicht!“
Er: „Du gut. Aber ein bisschen Du müssen essen!“
Sie: „OK, dann bin ich mal brav und esse nachher etwas.“
Sie hatte bis dahin schon längst die ersten 5000 kcal des Tages in sich hineingestopft und dieser Kerl wusste das auch.
Trotzdem behauptete sie, er kümmere sich mehr um sie als jeder andere Mensch auf der Welt und verstehe sie als einziger richtig.
Das ist absolut nachvollziehbar für mich gewesen ____> Auch- wenn Ihr jetzt alle denkt, ich habe einen Vogel. Ich hatte und habe dafür Verständnis, wie man mit einer Essstörung, mit einer Sucht- tickt.
Ich bin überzeugt:
Lädt man 10 massiv Übergewichtige zur Vereinsgründung ein, entscheiden die sich viel eher zum Thema:
Dicke an die Macht
als
Gemüse, Obst und Sport machen glücklich
Für die Einsicht, es liegt nur an mir, meinen Zustand zu ändern, niemand kann meine Würde mehr beschädigen als ich selbst -----> habe ich mehr als 20 Jahre gebraucht.
Naja ganz so stimmt es nicht-
siehe dazu bitte den letzten Absatz-
ich kann das so nicht stehen lassen.
Nach meinem Empfinden ist mit übermässigem Essen auch der perfekte Selbstbetrug verknüpft.
Daraus kann man niemanden holen, der es nicht wirklich wirklich wirklich will. Ich meine damit nicht das Wollen einer tollen Figur – (bei anderen Suchterkrankungen ist es genauso oder ganz anders aber die Struktur ist immer die Gleiche, denke ich) ich meine das Wollen der Auseinandersetzung mit sich selbst.
Für ein fettes Leben braucht man so viel Kraft – da scheint das Essen die einzige und vor allem wohlverdiente Belohnung zu sein. Der enorme Aufwand, sich auch noch mit sich selbst auseinandersetzen zu sollen – hat irgendwann gar keinen Platz mehr.
Elke steckte mitten in dem Prozess- das erkannt zu haben – aber aber aber (eines der Lieblingswörter und Argumenteinleitungen gegen Erkenntnisse) – sie hatte noch keine Kraft – dem ersten Schritt alle weiteren folgen zu lassen.
Sinnbildlich stand sie zwar auf, stellte aber fest, Stehen ist anstrengend und meinte, sich erst noch mal setzen zu müssen, um noch etwas auszuruhen.
Ich habe das verstanden, war ich doch selbst mit eigenem ausgebildeten medizinischen Wissen mehr als 20 Jahre sinnbildlich aufgestanden, hatte festgestellt, das ist eine unangenehme und vor allem anstrengende Sache, wollte mich nur noch kurz ausruhen und habe mich wieder hingesetzt.
Da gleichnishaft dieses Aufstehen schon mal eine Riesenleistung ist, braucht man dafür eine Belohnung und die kann nur in Form von Essen wirksam sein.
So gerät der Mensch immer wieder in genau den Kreislauf, den er
e i g e n t l i c h
verlassen WILL.
Letztendlich sieht es für Aussenstehende so aus, als wolle sich da jemand das Essen mit Essen abgewöhnen.
Was wiederum vergleichbar damit ist, dass eine Frau noch einmal ihrem Bezness begegnen will, um zu überprüfen, wie geheilt sie von ihm ist.
Es ist auch ähnlich mit – lieber die Lügen des Bezness auszuhalten - als sich auseinanderzusetzen mit sich selbst – und zuzugeben, man habe sich in die Irre führen lassen und sei dorthin auch noch gefolgt. An den Kraftaufwand für die Lügen hat man sich gewöhnt, nun noch die Kraft für tiefgehende Auseinandersetzung mit sich selbst aufzubringen, scheint unmöglich.
+++++++
Ich denke nicht, dass Elke mich Co-abhängig gemacht hat.
Abhängigkeit ist nMn keine passive, sondern aktive Sache. Wenn überhaupt, habe ich mich in eine Co-Abhängigkeit ziehen lassen - denke jedoch- ich hatte meine Abgrenzung durchaus im Griff.
Es war eine eigenartige Wechselbeziehung zwischen uns- ich denke- mein Spiegelbildvergleich (im vorigen Beitrag) trifft es am allerbesten.
++++++
Ich möchte hier, der Wahrheit geschuldet, unbedingt etwas klarstellen:
Ich habe nicht der Einsicht gehorchend die Kraft aufgebracht – abzunehmen.
Liesse ich das so stehen, würde ich lügen.
Mein Denkprozess hat viel später begonnen- da hatte ich schon erheblich, wenn auch optisch unsichtbar- abgenommen. (Der oben genannte „Brötcheneffekt!)
Ich hatte schlichtweg versucht diesem Sch… leben ein Ende zu setzen und musste trotz allumfassender Vorbereitung feststellen – ich bin zu fett zum Suizid.
In absoluter Verzweiflung habe ich in diesem Moment beschlossen, solange abzunehmen, bis ich es schaffe, mich umzubringen.
Ich habe das Essen sozusagen als Protest gegen die Ungerechtigkeit, nicht mal meinen eigenen Tod bestimmen zu können und ein würdevolles Leben nicht mehr zu haben- eingestellt.
Da sich nun eine Unmenge freie Zeit anbot, die ich vorher mit Essen gefüllt hatte – in der jetzt unbegrenzt Denkprozesse Platz hatten – hatte ich das mit dem Sterben Wollen schon vergessen ... als ich es hätte bequem schaffen können.
Also nichts mit früher Erkenntnis- sondern viel zu späte Einsicht.
Vielleicht habe ich deshalb so viel Verständnis für aussergewöhnliche Situationen?
Keine Ahnung- auch nicht wichtig – ich hab‘ sie und fühle mich damit in meiner Mitte.
Herzliche Grüsse an alle
charlotte_
ich danke denen,
die bisher schriftlich reagiert haben
und gehe
- ohne Zitate- nach der Erinnerung des Gelesenen
darauf ein.
Mit einem solchen Gewicht in Temperaturen zu leben, wie sie in Tunesien vorzufinden sind, bedeutet- permanent Lebensgefahren.
Es hatte also nichts damit zu tun, ob man in Tunesien übergewichtige Frauen mag oder nicht, sondern ist ein klassisches Gesundheitsrisiko.
++++++
Ich habe sehr viele Jahre meines Lebens damit zugebracht- meine Umwelt aus einem monströsen Körper heraus wahrzunehmen- und weiss sehr gut- wie Menschen damit umgehen, wenn jemand z.B. optisch vollkommen aus der Rolle fällt. Ich habe immer den Eindruck gehabt,
Übergewichtigen wird grobe Fahrlässigkeit mit sich selbst, absolut mangelnde Disziplin, Blödheit und vor allem auch Schwerhörigkeit unterstellt-
Ich habe das wahrhaftig immer verstanden.
Wie soll jemand auch nachvollziehen können, was einen anderen zu so unglaublichen Fressmengen bringt? Jedes Baby hört auf zu saugen und spuckt aus, was es einfach nicht mehr schlucken will, weil es satt ist.
Wieso sollten Erwachsene nicht merken, wann sie satt sind?
Ausserdem - damals war das Thema Essstörung in den Medien noch gar nicht so präsent wie heute - und ob heutzutage tatsächlich begriffen wird, was in den Köpfen und in dem - was man Seele nennt- vor sich geht, weiss niemand, weil das Thema an sich- noch immer nicht wirklich von allen Tabus befreit ist.
++++++++
Was Elke betrifft ...
Ich konnte Elke auf bestimmte Weise fühlen- erfassen ….
Seitdem ich nicht mehr dermassen fett bin- sehe ich übergewichtige Menschen anders als ich es noch vorher getan habe.
Waren sie vormals so etwas wie ein Beweis dafür, dass auch ich eine Lebensberechtigung habe und nicht alleine so elendig dran bin- bekomme ich heutzutage so etwas wie Atemnot. Ich fühle ein riesiges Gewicht auf meinem Brustkorb, möchte zu dem Menschen laufen, ihn umarmen und weinen und gleichermassen schütteln und darum bitten, sein Inneres zuzulassen und sich damit aus dem würdelosen Leben zu befreien.
Natürlich mache ich das nicht!
Natürlich sind es nur kurze Momente, ich bin davon nicht tagelang beeindruckt.
Natürlich weiss ich, die meisten dieser Leute würden mich für verrückt halten und darauf bestehen, es gehe ihnen blendend und sie wollen so sein und haben ein Recht darauf so zu sein.
Natürlich würden die meisten sich dagegen verwahren, ihr Leben sei würdelos.
Elke war dafür ein klassischen Beispiel. Vielleicht habe ich mich in ihrem Verhalten noch einmal als Fette gespiegelt.
Ich kann mich an stundenlange Gespräche erinnern, in denen sie mir erklärte, sie esse gar nichts und nehme trotzdem zu.
Anderentags behauptete sie, so fett nun auch wieder nicht zu sein- ihre inneren Wert würde niemand erkennen und sie habe es satt nur auf ihre Hülle reduziert zu werden.
Nur Stunden später beschimpfte sie sich selbst als unwert und hasste sich für ihre Gier nach Essen.
Das alles und noch viel mehr - hatte ich hinter mir- ich hatte bereits einen anderen Blick auf das Thema, mir schwer erarbeitet - bis zur absoluten (symbolischen) Enthäutung und komplett auf Links gedreht.
Ich war ihr als Ansprechpartner durchaus wichtig- da ich sie aber nur verstehen konnte und ihr trotzdem nicht Recht geben konnte –
hatte dieser Bursche in Tunesien so leichtes Spiel.
Er gab vor - sie zu verstehen UND gab Ihr RECHT!
Er hörte sich an, was sie sagte, bedauerte sie ein wenig und versprach, für sie da zu sein.
Versteht Ihr? ER spiegelte sie NICHT- sondern war wie eine Fotomontage, auf der das Bild immer genauso gestaltet wurde, wie Elke es gerne sehen wollte.
Er passte sich ihrem aktuellen Zustand an.
ER ist eine Emotionshure für sie gewesen.
Elke hatte in ihm jemand gefunden, der nicht hinterfragte, sondern eben mal `ne Frage stellte, damit sie denkt, er interessiert sich für ihre Problematik.
Wenn sie telefonierten wurde das Thema ungefähr so abgehandelt:
Er: „Du heut schon essen?“
Sie: „Nein noch nicht!“
Er: „Du gut. Aber ein bisschen Du müssen essen!“
Sie: „OK, dann bin ich mal brav und esse nachher etwas.“
Sie hatte bis dahin schon längst die ersten 5000 kcal des Tages in sich hineingestopft und dieser Kerl wusste das auch.
Trotzdem behauptete sie, er kümmere sich mehr um sie als jeder andere Mensch auf der Welt und verstehe sie als einziger richtig.
Das ist absolut nachvollziehbar für mich gewesen ____> Auch- wenn Ihr jetzt alle denkt, ich habe einen Vogel. Ich hatte und habe dafür Verständnis, wie man mit einer Essstörung, mit einer Sucht- tickt.
Ich bin überzeugt:
Lädt man 10 massiv Übergewichtige zur Vereinsgründung ein, entscheiden die sich viel eher zum Thema:
Dicke an die Macht
als
Gemüse, Obst und Sport machen glücklich
Für die Einsicht, es liegt nur an mir, meinen Zustand zu ändern, niemand kann meine Würde mehr beschädigen als ich selbst -----> habe ich mehr als 20 Jahre gebraucht.
Naja ganz so stimmt es nicht-
siehe dazu bitte den letzten Absatz-
ich kann das so nicht stehen lassen.
Nach meinem Empfinden ist mit übermässigem Essen auch der perfekte Selbstbetrug verknüpft.
Daraus kann man niemanden holen, der es nicht wirklich wirklich wirklich will. Ich meine damit nicht das Wollen einer tollen Figur – (bei anderen Suchterkrankungen ist es genauso oder ganz anders aber die Struktur ist immer die Gleiche, denke ich) ich meine das Wollen der Auseinandersetzung mit sich selbst.
Für ein fettes Leben braucht man so viel Kraft – da scheint das Essen die einzige und vor allem wohlverdiente Belohnung zu sein. Der enorme Aufwand, sich auch noch mit sich selbst auseinandersetzen zu sollen – hat irgendwann gar keinen Platz mehr.
Elke steckte mitten in dem Prozess- das erkannt zu haben – aber aber aber (eines der Lieblingswörter und Argumenteinleitungen gegen Erkenntnisse) – sie hatte noch keine Kraft – dem ersten Schritt alle weiteren folgen zu lassen.
Sinnbildlich stand sie zwar auf, stellte aber fest, Stehen ist anstrengend und meinte, sich erst noch mal setzen zu müssen, um noch etwas auszuruhen.
Ich habe das verstanden, war ich doch selbst mit eigenem ausgebildeten medizinischen Wissen mehr als 20 Jahre sinnbildlich aufgestanden, hatte festgestellt, das ist eine unangenehme und vor allem anstrengende Sache, wollte mich nur noch kurz ausruhen und habe mich wieder hingesetzt.
Da gleichnishaft dieses Aufstehen schon mal eine Riesenleistung ist, braucht man dafür eine Belohnung und die kann nur in Form von Essen wirksam sein.
So gerät der Mensch immer wieder in genau den Kreislauf, den er
e i g e n t l i c h
verlassen WILL.
Letztendlich sieht es für Aussenstehende so aus, als wolle sich da jemand das Essen mit Essen abgewöhnen.
Was wiederum vergleichbar damit ist, dass eine Frau noch einmal ihrem Bezness begegnen will, um zu überprüfen, wie geheilt sie von ihm ist.
Es ist auch ähnlich mit – lieber die Lügen des Bezness auszuhalten - als sich auseinanderzusetzen mit sich selbst – und zuzugeben, man habe sich in die Irre führen lassen und sei dorthin auch noch gefolgt. An den Kraftaufwand für die Lügen hat man sich gewöhnt, nun noch die Kraft für tiefgehende Auseinandersetzung mit sich selbst aufzubringen, scheint unmöglich.
+++++++
Ich denke nicht, dass Elke mich Co-abhängig gemacht hat.
Abhängigkeit ist nMn keine passive, sondern aktive Sache. Wenn überhaupt, habe ich mich in eine Co-Abhängigkeit ziehen lassen - denke jedoch- ich hatte meine Abgrenzung durchaus im Griff.
Es war eine eigenartige Wechselbeziehung zwischen uns- ich denke- mein Spiegelbildvergleich (im vorigen Beitrag) trifft es am allerbesten.
++++++
Ich möchte hier, der Wahrheit geschuldet, unbedingt etwas klarstellen:
Ich habe nicht der Einsicht gehorchend die Kraft aufgebracht – abzunehmen.
Liesse ich das so stehen, würde ich lügen.
Mein Denkprozess hat viel später begonnen- da hatte ich schon erheblich, wenn auch optisch unsichtbar- abgenommen. (Der oben genannte „Brötcheneffekt!)
Ich hatte schlichtweg versucht diesem Sch… leben ein Ende zu setzen und musste trotz allumfassender Vorbereitung feststellen – ich bin zu fett zum Suizid.
In absoluter Verzweiflung habe ich in diesem Moment beschlossen, solange abzunehmen, bis ich es schaffe, mich umzubringen.
Ich habe das Essen sozusagen als Protest gegen die Ungerechtigkeit, nicht mal meinen eigenen Tod bestimmen zu können und ein würdevolles Leben nicht mehr zu haben- eingestellt.
Da sich nun eine Unmenge freie Zeit anbot, die ich vorher mit Essen gefüllt hatte – in der jetzt unbegrenzt Denkprozesse Platz hatten – hatte ich das mit dem Sterben Wollen schon vergessen ... als ich es hätte bequem schaffen können.
Also nichts mit früher Erkenntnis- sondern viel zu späte Einsicht.
Vielleicht habe ich deshalb so viel Verständnis für aussergewöhnliche Situationen?
Keine Ahnung- auch nicht wichtig – ich hab‘ sie und fühle mich damit in meiner Mitte.
Herzliche Grüsse an alle
charlotte_
Zuletzt geändert von charlotte_ am 29.06.2010, 10:54, insgesamt 1-mal geändert.
Das Leben schreibt seine Rechnungen und will sie bezahlt haben. Offenbar zahlt der Mensch, ohne sich bewusst zu machen, es ist seine Lebenszeit, die ihm aufgerechnet wird, und nimmt unbedacht in Kauf, sein Glück hergeben zu müssen. (ACR)
-
charlotte_
- Beiträge: 83
- Registriert: 25.06.2010, 11:34
Re: ... späte Erkenntnis ... nach etwa 10 Jahren ...
Hallo Realista,
für Euch alle einen herzlichen Gruss,
Ich hatte schon vor meiner Registratur Charlottes Geschichte gelesen - nur einmal- sie bedarf aufmerksamerer Betrachtung- damit bin ich noch nicht zum Ende gekommen- und hatte überlegt, ob ich mir einen anderen Nick ausdenke. Aber ich heisse nun mal so und bin beinahe stur, wenn es darum geht, etwas an mir verbiegen zu sollen. Also entschied ich mich für charlotte_.
Der einzige Unterschied wäre- ich möchte auf etwas gar nicht antworten, dann werde ich es frei heraus sagen und hoffe auf Verständnis, kann aber auch mit dem Gegenteil umgehen.
Damit es keine Umstände des Blättern macht, schiebe ich es hier noch mal ein - ich hoffe, ich verstosse damit nicht gegen Forumsregeln.
Es gibt wenige Phasen in meinem Leben, die so langanhaltend wundervoll sind, wie ich sie in den letzten Jahre erlebt habe.
Ich habe sozusagen mit mir Brüderschaft getrunken - bin der einzige Mensch, der mich selbst am Kragen packt und ohne Rücksicht vor den Spiegel zerrt, wenn es angesagt ist. Ich rede mit mir in der Spracher meiner Wirklichkeit- rücksichtlos- und gehe davon aus, somit auch die Sprache der Wahrhaftigkeit gefunden zu haben.
In vielen Beiträgen betroffener Frauen habe ich WORTGLEICH Gedanken wiedergefunden, die ich damals als Fette mir gegenüber auch als Erklärung für meinen Zustand verwendet habe.
Einige habe ich schon angesprochen - aufgezeichnet - manche sehr bildhaft. Leider kann ich wesentliche Gedanken nur in Bildern schreiben.
Der Ablauf der Erkenntnisprozesse und das sich daraus trotzdem nicht oder nur sehr schwer lösen zu können- erscheint mir identisch. Der Status sich eher selbst zu schaden als sich mit sich selbst auseinandersetzen zu können- ebenfalls.
Die Frage, wie ich mir selbst sowas antun kann, es zulassen kann, dass ich mir so etwas anzutun zulasse - habe ich mir ebenso gestellt - als Fette- wie sie von einigen - vielleicht sogar vielen- Frauen gestellt wird, wenn sie sich auf dem Ausstieg befinden oder ihn vollzogen haben.
Ich bin über die Schleifen, wie Du es bezeichnest, derzeit immer wieder höchst erstaunt.
Inzwischen helfe ich mir, jemandem zu folgen, indem ich über die Profile die Beiträge finde.
Wobei ich den Anteil an Eigenverantwortung in meinem Leben inzwischen auf korrekt 100% festgelegt habe.
Nein.
Ich habe ihn nach mehr als 23 Jahren Ehe verlassen.
Er war ein wunderbarer Ehemann und ein einzigartig toller Vater. Jedoch ... ich war nicht mehr fett, war hungrig auf Leben. Ich war im Fortbewegungszustand nicht mehr aufzuhalten.
Er war stehen geblieben, Jahre vorher schon- ausgebremst durch mein Fett.
Wir hatten nunmehr unterschiedliche Lebensperspektiven, -ansichten, -ziele, -neu-gierden.
Er konnte mich nicht mehr erfassen. Welcher Mann hält es schon aus, wenn seine Frau ihm kreischend in die Arme fliegt und wie vom Wahnsinn gepackt berichtet, sie habe in der Badewanne sitzend, selbst den Stöpsel ziehen können?
Nachdem dieser Mann eine ganze Ehe lang jede Diät miterlebt hat - und natürlich auch deren Abbrüche. Gewichtsabnahme- Gewichtszunahme- Jubel-erbärmliche Traurigkeit- Häme und Spott der Umwelt (Er hatte ja auch anhören müssen, was mir hinterhergerufen wurde) ...
Die Liste ist lang- was ein Partner alles mitmacht- durch, für, wegen, mit seiner Frau, wenn diese ihr eigenes Leben nicht zu strukturieren vermag.
Wir haben noch heute eine sehr gute Verbindung, schliesslich sind wir Eltern. Er lebt seit langem in einer Beziehung - viel eher als ich.
Herzlich
charlotte_
für Euch alle einen herzlichen Gruss,
Kann ich nachvollziehen ...ich hab Dich doch gestern tatsächlich mit der anderen Charlotte aus dem Thread mit wer kennt Bxx....verwechselt...
Ich hatte schon vor meiner Registratur Charlottes Geschichte gelesen - nur einmal- sie bedarf aufmerksamerer Betrachtung- damit bin ich noch nicht zum Ende gekommen- und hatte überlegt, ob ich mir einen anderen Nick ausdenke. Aber ich heisse nun mal so und bin beinahe stur, wenn es darum geht, etwas an mir verbiegen zu sollen. Also entschied ich mich für charlotte_.
Wer im Internet schreibt, muss sich darüber im Klaren sein, das Internet vergisst nichts und der Scheiber/ die Schreiberin gibt etwas von sich her, was sie nie wieder zurückholen kann. Ob ich nun per Mail oder per PN an jemand persönlich Unbekanntes schreibe- oder in einem öffentlichen Thread - ist für mich das Gleiche.Wenn die Antworten zu persönlich sind, magst Du vielleicht per PN antworten oder per Mail?
Der einzige Unterschied wäre- ich möchte auf etwas gar nicht antworten, dann werde ich es frei heraus sagen und hoffe auf Verständnis, kann aber auch mit dem Gegenteil umgehen.
Darüber habe ich in der Rubrik: User stellen sich vor - erklärend geschrieben.Was hat Dich hierhergeführt, wie kommt es dass Du hier liest und schreibst...?
kennst Du diese Seite schon lange...?
wie bist Du auf 1001 aufmerksam geworden oder gemacht worden...?
Damit es keine Umstände des Blättern macht, schiebe ich es hier noch mal ein - ich hoffe, ich verstosse damit nicht gegen Forumsregeln.
Re: User stellen sich vor
Beitragvon charlotte_ » 27.06.2010, 15:28
Ein herzliches Hallo an alle,
ich lese schon seit einigen Tagen, habe mich danach registrieren lassen, bereits spontan zwei Beiträge geschrieben und denke,
es ist an der Zeit- Euch Gelegenheit zu geben, trotz der Anonymität des Internets- zu erfahren,
wer charlotte_ ist,
die sich Stück für Stück durch Euer Leben blättert.
Ich bin 57, lebe seit zwei Jahren in Ungarn, habe einen fast schon 26 jährigen Sohn, der sein Leben in Deutschland meistert. Nachdem ich jahrelang absolut überzeugte Alleinleberin gewesen bin, lebe ich nun schon seit mehr als einem Jahr in einer Beziehung, klassisch unter einem gemeinsamen Dach - mit einem Deutschen, der allerdings beruflich überall in der Welt arbeitet. So zeichnet sich unsere Lebens- und Liebesbeziehung – je nach Einsatzland - als Wochenendbeziehung - bis hin zu - aller 4-6 Wochen eine gemeinsame Woche – ab - Urlaub, Feiertage & Co sowieso und das ist absolut perfekt für uns beide.
Das weltbekannte Lied der Sehnsucht singen wir allemal regelmässig.
Was bringt mich zu Euch in dieses Forum?
In einem anderen Forum- in ihm kommunizieren Auswanderer- gab es eine Anfrage über „ Männer in Ägypten“, von einer Frau, die gerade aus dem Urlaub zurück und völlig durcheinander erscheint. Sie hat dort wohl einen Ägypter kennengelernt und wollte, (wenn ich es Recht gedeutet habe) erfahren, ob die immer so schnell sind mit der Liebe.
Sie bekam Antworten von:
„Ach ist das niedlich“ bis „Die Zeit wird es zeigen“ und „Ich bin gespannt, wie sich das entwickelt, bitte halte uns auf dem Laufenden“.
Aus dem kurzen aber doch für mich deutlichen Wirrwarr der Erzählungen, entstand für mich der Eindruck, es handele sich möglichweise um ein sehr sehr junges Mädel.
Ich fragte nach dem Alter, weil ich nicht mit Allgemeinplätzen um mich werfen, sondern auf den sozialen Hintergrund der Schreiberin verweisen wollte, sollte es sich tatsächlich um ein sehr junges Mädchen handeln.
Die Reaktionen der Leserinnen – nicht der Fragerin- war sensationell.
Man klopfte mir auf die Finger und unterstellte mir doch glatt, also omnipotent auftretende Oma etwas gegen die Liebe zu haben, weil mein Haar schon ergraut sei (**Lache, stimmt ich, ich habe mohnrotes Haar und das sieht man dort auch auf dem Profilfoto) und belehrte mich, die Liebe sei völlig altersunabhängig und die eine oder andere erwähnte, sie selbst sei schon nicht mehr ganz jung und habe sich letztlich verliebt und sei wie eine Pubertierende wie verrückt gewesen.
(ich wiederhole hier nicht wortgetreu- sondern nach meinem Eindruck, jedoch unter Verwendung der mir besonders aufgefallenen Worte.)
Jetzt lache ich darüber, doch für den kurzen Moment der Erkenntnis dieser Oberflächlichkeit ist mir glatt jeder mögliche Buchstabe auf der Tastatur- symbolisch- zu Staub zerfallen.
Es gab später noch zwei bemerkenswerte Antworten:
Eine Frau setzte eine URL ein -zu ihrem eigenen Forum- und lud ein, sich dort anzumelden und danach mit Frauen zu sprechen können, die in Beziehungen mit Ägyptern leben. Ich folgte diesem Link. Allerdings kann man sich dort gar nicht so einfach registrieren lassen, die Sicherheitsbestimmungen sind weit ausgeprägter als hier. Ohne genaues Hintergrundwissen drängte sich mir sofort der Gedanke auf – dies geschehe allein zur Sicherheit der Frauen. Doch wieso, wenn sie in guten Beziehungen leben? Können da viele nur heimlich …. ?
Ich unterliess es, mich den Bestimmungen anzupassen, zumal ich mir vorgekommen wäre ---> wie ein Spion.
Eine andere Userin dieses Forums für Auswanderer setzte – ohne jegliches Schmuckwerk- den Link in dieses Forum ein.
Dem Link folgte ich auch, konnte „von aussen“ lesen und … ja, nun bin ich hier.
Die Fragestellerin übrigens hat sich wieder gemeldet und daraus ging hervor, sie hat sich im anderen Forum regsitrieren lassen.
Was weiss ich über das Thema oder was habe ich dazu zu sagen?
Auf den ersten Blick: Im Grunde nichts.
Im Gegenteil, bis vor wenigen Tagen hätte ich aus Höflichkeit diesbezüglich immer den Mund gehalten,
weil mir das Verständnis gefehlt hat,
wieso eine Frau „so etwas zulässt“.
Allerdings allerdings allerdings habe ich bisher auch nicht ausreichend Einfühlungsvermögen aufbringen können,
weil mir die Kenntnis fehlte,
die Einzelschicksale sich gebündelt zur Opfergruppe völlig anders anfühlen
und der logische Schluss aus genau dieser Zusammenballung ganz und gar nicht mehr so aussieht,
wie wenn nachträglich pubertierende mittelalte Frauen sich von dunkelhäutigen Männern noch mal ein wenig Jugend borgen wollen.
Erst beim Lesen ist mir klar geworden, es könnte auch mich getroffen haben, da der Mensch im Allgemeinen und wir (um nicht zu verallgemeinern, reduziere ich auf einige) Frauen im Besonderen so gerne an das Aussergewöhnliche glauben wollen, was nur uns wiederfährt. Und sollte es Zweifler geben, die da vermuten, wir seien möglicherweise gar nicht besser gestellt als andere, sondern eher zu einer gesichtslosen grauen Masse verallgemeinert worden, schachteln wir (ich erinnere, ich meine hier nicht alle, sondern einige) sie schnell ein - in die vermeintlich grosse Gruppe der Neider/innen und Missgünstler/innen, die dem jeweils anderen die Butter nicht aufs Brot gönnen und (uns) einen jungen, knackigen, exotisch anmutenden, erotisch anziehenden Mann schon mal gar nicht.
Wer hat nicht schon mindestens einmal im Leben, das Mikroskop aus dem (Lebens-) Fenster geworfen, alle Lupen verbannt, die Lesebrille gegen jene rosarote Brille vertauscht und die zusätzlich noch mit Plüschgardinen verhangen, um nunmehr versonnen glücklich die Dinge so gesehen, wie sie ihm am besten gefallen und am meisten gut tun?
Wer hat in seinem Leben nicht mindestens einmal mit der Nase an einem Felsen geklebt und sowohl subjektiv als auch objektiv wahrheitsgemäss berichtet, er sehe den gesamten Berg gar nicht?
Wer hat in seinem Leben nicht schon mindestens einmal den Stab gebrochen über jemanden oder etwas und schlussendlich unbemerkt und unabsichtlich damit die eigene Gehhilfe entsorgt?
Ich schon mindestens dreimal und in jedem Falle mit so grosser Überzeugung, sodass ich mir hinterher nur nicht in mein Sitzorgan gebissen habe, weil ich die dazu notwendige körperliche Verrenkung nicht bewältigen konnte.
Was will ich also hier bei Euch- mit Euch in diesem Forum?
Denken, reden, mitdenken, nachdenken, Toleranz üben, erkennen, lernen, sehen lernen, mehr sehen können lernen ---- > alles eben, was das Leben ausmacht, wenn der Mensch nicht meint, bereits alles zu wissen und begriffen zu haben.
Und und und, ich möchte eine Geschichte erzählen, von einer Frau, die selbst nichts mehr sagen kann. Sie hat ihre eigene Geschichte nicht überlebt – vor etwa 10 Jahren.
Lasst mir ein wenig Zeit damit, ich muss in meinen Aufzeichnungen suchen, muss mich deutlicher erinnern als bisher und freigeben können, was ich bisher längst begraben hatte- weil ich dachte, es sei eine beinahe einmalige Geschichte einer Frau, die schlichtweg nur an den falschen geraten ist – im Urlaub in Tunesien.
Für alle
herzliche Grüsse aus Ungarn
von charlotte_,
die jetzt Fussball schaut – auf Ungarisch, weil sie hier nicht den dafür richtigen deutschen Sender findet - klingt lustig
Das Leben schreibt seine Rechnungen und will sie bezahlt haben. Offenbar zahlt der Mensch, ohne sich bewusst zu machen, es ist seine Lebenszeit, die ihm aufgerechnet wird, und nimmt unbedacht in Kauf, sein Glück hergeben zu müssen. (ACR)
Realista, ich weiss nicht genau, ob ich Dich hier richtig verstehe, bitte erkläre mir, was Du meinst.Ist es für Dich vielleicht hilfreich noch einen anderen Punkt in Deiner
Lebensgeschichte zu verstehen, zu verarbeiten...?
Ich bin mit mir eins, so sehr, wie ein Mensch das mit sich sein kann, der neu----> gierig ist auf alles, was sein Horizont erweitern kann.Hast Du eventuell schon deutlich, wohin die Reise gehen kann... ?
Es gibt wenige Phasen in meinem Leben, die so langanhaltend wundervoll sind, wie ich sie in den letzten Jahre erlebt habe.
Ich habe sozusagen mit mir Brüderschaft getrunken - bin der einzige Mensch, der mich selbst am Kragen packt und ohne Rücksicht vor den Spiegel zerrt, wenn es angesagt ist. Ich rede mit mir in der Spracher meiner Wirklichkeit- rücksichtlos- und gehe davon aus, somit auch die Sprache der Wahrhaftigkeit gefunden zu haben.
Das ist mir zu vage, zumal ich Sprüche und Zitate nicht mag. Ich habe begriffen, dass ich für jede Situation, die mir nicht angenehm ist, für jede Lüge, die mir besser gefällt als die Wahrheit, im Grunde für alles ein Zitat eines berühmten - Malgelebten oder Immernochlebenden - finden und mir damit Trost oder/und Erklärungen ertrotzen kann. Seitdem mir das klar ist- für mich- habe ich zu Sprüchen und Zitaten keinen bis maximal sehr wenigen Bezug.Wie siehst Du die Einstellung: "Jeder ist schon auch seines Glückes eigener Schmied...?
Ich sehe, fühle, vermute sehr viele Paralellen zum Thema Beznessopfer als ich bisher überhaupt durchdenken, durchfühlen konnte.Magst Du die Schleifen dahin eventuell für potentielle Beznessopfer als Vorbeugung verständlich
herausarbeiten...?
In vielen Beiträgen betroffener Frauen habe ich WORTGLEICH Gedanken wiedergefunden, die ich damals als Fette mir gegenüber auch als Erklärung für meinen Zustand verwendet habe.
Einige habe ich schon angesprochen - aufgezeichnet - manche sehr bildhaft. Leider kann ich wesentliche Gedanken nur in Bildern schreiben.
Der Ablauf der Erkenntnisprozesse und das sich daraus trotzdem nicht oder nur sehr schwer lösen zu können- erscheint mir identisch. Der Status sich eher selbst zu schaden als sich mit sich selbst auseinandersetzen zu können- ebenfalls.
Die Frage, wie ich mir selbst sowas antun kann, es zulassen kann, dass ich mir so etwas anzutun zulasse - habe ich mir ebenso gestellt - als Fette- wie sie von einigen - vielleicht sogar vielen- Frauen gestellt wird, wenn sie sich auf dem Ausstieg befinden oder ihn vollzogen haben.
Ich bin über die Schleifen, wie Du es bezeichnest, derzeit immer wieder höchst erstaunt.
Möglicherweise ... aber das Forum ist ja auch umfangreich - ich vermag auch nicht, alles zu lesen.Habe ich vielleicht auch etwas überlesen...?
Inzwischen helfe ich mir, jemandem zu folgen, indem ich über die Profile die Beiträge finde.
Ja!Nach meinen Verständnis ist der Anteil an Selbst- und Eigenverantwortung im Leben,
bei Dir begriffen worden...
Ist dies so?
Wobei ich den Anteil an Eigenverantwortung in meinem Leben inzwischen auf korrekt 100% festgelegt habe.
Mit meinem Ehemann?Bist Du noch mit Deinem Partner von damals zusammen?
Nein.
Ich habe ihn nach mehr als 23 Jahren Ehe verlassen.
Er war ein wunderbarer Ehemann und ein einzigartig toller Vater. Jedoch ... ich war nicht mehr fett, war hungrig auf Leben. Ich war im Fortbewegungszustand nicht mehr aufzuhalten.
Er war stehen geblieben, Jahre vorher schon- ausgebremst durch mein Fett.
Wir hatten nunmehr unterschiedliche Lebensperspektiven, -ansichten, -ziele, -neu-gierden.
Er konnte mich nicht mehr erfassen. Welcher Mann hält es schon aus, wenn seine Frau ihm kreischend in die Arme fliegt und wie vom Wahnsinn gepackt berichtet, sie habe in der Badewanne sitzend, selbst den Stöpsel ziehen können?
Nachdem dieser Mann eine ganze Ehe lang jede Diät miterlebt hat - und natürlich auch deren Abbrüche. Gewichtsabnahme- Gewichtszunahme- Jubel-erbärmliche Traurigkeit- Häme und Spott der Umwelt (Er hatte ja auch anhören müssen, was mir hinterhergerufen wurde) ...
Die Liste ist lang- was ein Partner alles mitmacht- durch, für, wegen, mit seiner Frau, wenn diese ihr eigenes Leben nicht zu strukturieren vermag.
Wir haben noch heute eine sehr gute Verbindung, schliesslich sind wir Eltern. Er lebt seit langem in einer Beziehung - viel eher als ich.
Nein, ich lebe in Ungarn. (Siehe auch oben- die Kopie des Vorstellungsbeitrages).Sorry, da sind Fragen über Fragen... doch ich habe es auch so aufgefasst, dass
Du gerade Urlaub machst und ein wenig mehr Zeit Dir nehmen kannst...
Herzlich
charlotte_
Das Leben schreibt seine Rechnungen und will sie bezahlt haben. Offenbar zahlt der Mensch, ohne sich bewusst zu machen, es ist seine Lebenszeit, die ihm aufgerechnet wird, und nimmt unbedacht in Kauf, sein Glück hergeben zu müssen. (ACR)
-
steckchen
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- Registriert: 01.08.2008, 18:03
Re: ... späte Erkenntnis ... nach etwa 10 Jahren ...
Hallo Charlotte,
jetzt ist es endlich raus, die Geschichte von Elke. Ehrlich gesagt, konnte ich auch nie verstehen, wieso sich Leute dick und unglücklich fressen. Ich selber hatte mit dem Stoffwechsel nie Probleme und war eigentlich immer mit irgendwelchen Sachen beschäftigt, daß ich auch schonmal das Essen vergessen hatte. Und dann plötzlich Hunger bekam. Und wenn man die Essenszeiten ein bischen auseinanderzerrt, dann kann der Magen weniger aufnehmen, weil er nämlich kleiner geworden ist. Deswegen nehmen ja Bulimie-Kranke, die endlich wieder normal essen, nur sehr langsam zu. Du hast das Beispiel mit dem Baby gebracht, das aufhört, zu saugen, wenn es genug ist. Wenn doch die Eltern es dabei belassen würden.
Aber ich habe nur zu oft gesehen, daß Kinder geradezu genötigt werden, doch noch ein Stück zu essen, daß unsichere Mütter sich von anderen einreden ließen, ihr Kind sei zu dünn, in welchem Akkordtempo die absolut zu lange gekochten und fad schmeckenden Babyfertigbreichen in die armen Kindermünder hineingestopft wurden, weil Mutti gerade mal wieder keine Zeit hat und im Streß ist. Da werden Kinder nur drei Monate gestillt, wenn überhaupt, obwohl bekannt ist, daß gerade langes Stillen die beste Voraussetzung dafür ist, daß Kinder ein gesundes Eßverhalten bekommen und ein natürliches Gefühl dafür, wann es genug ist. Ist es da ein Wunder, wenn Kinder desorientiert und deformiert werden, was Essen anbelangt?
Userin Solodonna hat übrigens einmal in ihrem Thread den figurfreundlichen Aspekt des Forums hervorgehoben, die vielen Geschichten und Informationen, der sie schon mal Malzeiten vergessen oder verschieben ließen. Da kann jetzt jemand sagen, da wird eine Abhängigkeit durch eine andere ersetzt. Aber vielleicht läßt sich diese neue Abhängigkeit besser kontrollieren als die alte?
Ich denke auch wie Bigi, daß Du in einer Weise emotional co-abhängig mit Elke warst, allerdings weniger, was das Essen anbelangt, sondern, weil Elke Deinen Helferinstinkt aktiviert hat. Im Grunde hat sie fatalerweise sogar dasselbe mit Dir gemacht, was die Beznesser mit ihren Opfern machen. Sie hat Dich eingewickelt, wenngleich auch unbewußt. Sie hat Deine Energie abgesaugt und Deine Unbeschwertheit, nachdem Du schlank wurdest. Gottseidank hast Du eine Grenze gezogen, jedoch hast auch Du auf Elkes Heilung und Wandlung gewartet und dieses Dein Warten war für sie der Trigger, den sie immer bedienen konnte, um sich Deiner Aufmerksamkeit und Teilnahme zu versichern. Wenn sie diese Energie mal in die Veränderung ihres Lebenswandels gesteckt hätte, anstatt ihren Frust bei Dir abzuladen, um dann zeitweilig befreit genauso weiterzumachen wie bisher, dann wäre sie u.U. nicht in dieser fatalen Falle in Tunesien geendet. Und es ist mir hier in einigen Threads aufgefallen, wo Frauen hier lediglich ihren Frust abluden, ohne wirklich ihr Schicksal ändern zu wollen oder dazu in der Lage zu sein. Und auf diese Art und Weise reichten sie den in ihnen vom Beznesser angerichteten seelischen Schaden dann an die User hier weiter und reagierten sich emotional ab, ohne ihr eigenes verhängnisvolles Denk-Fühl-Muster zu ändern, woran sie genesen hätten können. Und nach einiger Zeit hörte man nichts mehr von ihnen.
Und letztendlich wurde Elke dann auch wirklich der verlängerte Arm der Beznesser, verlangte von Dir nicht mehr nur Energie, sondern auch materielle Güter. Aber so fängt Bezness an, immer erst das Emotionale. Mit dem Unterschied, daß Elke süchtig war und sich nicht kontrollieren konnte und nun auch noch von fremden Menschen abhängig, die ihr nicht wohlwollten, während ein Beznesser genau weiß was er tut, und über sein Tun die absolute Kontrolle hat.
Elke hatte leider wohl keine Kinder und keinen Ehemann, zumindest schreibst Du nichts darüber, welche ihr einen gewissen Halt gegeben und sie in eine gewisse Verantwortung genommen hätten. Genausowenig wie ihr Bruder oder ihre Mutter es konnten/wollten und so trudelte sie haltlos in ihr Unglück.
Noch eine Frage: Hast Du bei der Auswahl des Namens für diese Frau an ein gewisses Lied von den Ärzten gedacht?
http://www.youtube.com/watch?v=jFTvkN15tRE
LG
Steckchen
jetzt ist es endlich raus, die Geschichte von Elke. Ehrlich gesagt, konnte ich auch nie verstehen, wieso sich Leute dick und unglücklich fressen. Ich selber hatte mit dem Stoffwechsel nie Probleme und war eigentlich immer mit irgendwelchen Sachen beschäftigt, daß ich auch schonmal das Essen vergessen hatte. Und dann plötzlich Hunger bekam. Und wenn man die Essenszeiten ein bischen auseinanderzerrt, dann kann der Magen weniger aufnehmen, weil er nämlich kleiner geworden ist. Deswegen nehmen ja Bulimie-Kranke, die endlich wieder normal essen, nur sehr langsam zu. Du hast das Beispiel mit dem Baby gebracht, das aufhört, zu saugen, wenn es genug ist. Wenn doch die Eltern es dabei belassen würden.
Userin Solodonna hat übrigens einmal in ihrem Thread den figurfreundlichen Aspekt des Forums hervorgehoben, die vielen Geschichten und Informationen, der sie schon mal Malzeiten vergessen oder verschieben ließen. Da kann jetzt jemand sagen, da wird eine Abhängigkeit durch eine andere ersetzt. Aber vielleicht läßt sich diese neue Abhängigkeit besser kontrollieren als die alte?
Ich denke auch wie Bigi, daß Du in einer Weise emotional co-abhängig mit Elke warst, allerdings weniger, was das Essen anbelangt, sondern, weil Elke Deinen Helferinstinkt aktiviert hat. Im Grunde hat sie fatalerweise sogar dasselbe mit Dir gemacht, was die Beznesser mit ihren Opfern machen. Sie hat Dich eingewickelt, wenngleich auch unbewußt. Sie hat Deine Energie abgesaugt und Deine Unbeschwertheit, nachdem Du schlank wurdest. Gottseidank hast Du eine Grenze gezogen, jedoch hast auch Du auf Elkes Heilung und Wandlung gewartet und dieses Dein Warten war für sie der Trigger, den sie immer bedienen konnte, um sich Deiner Aufmerksamkeit und Teilnahme zu versichern. Wenn sie diese Energie mal in die Veränderung ihres Lebenswandels gesteckt hätte, anstatt ihren Frust bei Dir abzuladen, um dann zeitweilig befreit genauso weiterzumachen wie bisher, dann wäre sie u.U. nicht in dieser fatalen Falle in Tunesien geendet. Und es ist mir hier in einigen Threads aufgefallen, wo Frauen hier lediglich ihren Frust abluden, ohne wirklich ihr Schicksal ändern zu wollen oder dazu in der Lage zu sein. Und auf diese Art und Weise reichten sie den in ihnen vom Beznesser angerichteten seelischen Schaden dann an die User hier weiter und reagierten sich emotional ab, ohne ihr eigenes verhängnisvolles Denk-Fühl-Muster zu ändern, woran sie genesen hätten können. Und nach einiger Zeit hörte man nichts mehr von ihnen.
Und letztendlich wurde Elke dann auch wirklich der verlängerte Arm der Beznesser, verlangte von Dir nicht mehr nur Energie, sondern auch materielle Güter. Aber so fängt Bezness an, immer erst das Emotionale. Mit dem Unterschied, daß Elke süchtig war und sich nicht kontrollieren konnte und nun auch noch von fremden Menschen abhängig, die ihr nicht wohlwollten, während ein Beznesser genau weiß was er tut, und über sein Tun die absolute Kontrolle hat.
Elke hatte leider wohl keine Kinder und keinen Ehemann, zumindest schreibst Du nichts darüber, welche ihr einen gewissen Halt gegeben und sie in eine gewisse Verantwortung genommen hätten. Genausowenig wie ihr Bruder oder ihre Mutter es konnten/wollten und so trudelte sie haltlos in ihr Unglück.
Noch eine Frage: Hast Du bei der Auswahl des Namens für diese Frau an ein gewisses Lied von den Ärzten gedacht?
http://www.youtube.com/watch?v=jFTvkN15tRE
LG
Steckchen
Die Liebe vernachlässigt diejenigen am meisten, die ihrer am meisten bedürfen.
(Madame de Rosemonde im Film: Gefährliche Liebschaften (Regie: Stephen Frears) 1988
(Madame de Rosemonde im Film: Gefährliche Liebschaften (Regie: Stephen Frears) 1988
-
charlotte_
- Beiträge: 83
- Registriert: 25.06.2010, 11:34
Re: ... späte Erkenntnis ... nach etwa 10 Jahren ...
Hallo Steckchen,
und
ein Hallo an alle,
danke für die interessanten Gedanken.
**************
Mal ein Beispiel:
Ich esse gern Eis. Ich konnte Eis essen bis ich friere. Um in diesen Zustand zu kommen, brauchte ich damals 3- 4 Kilogramm.
In der Phase, bereits um die 50 Kilogramm abgenommen zu haben - kämpfte ich mit ganz individuellen Mitteln gegen alles an, was mit Essen zu tun hatte.
Ich hatte sogar Tagträume von Eis und allem anderen - ich halluzinierte regelrecht.
Bleiben wir aber bei dem Eisbeispiel.
Ich führte eine Liste:
"Was habe ich nicht gegessen, obwohl ich es essen wollte"
und trug dort ein, wovor ich standgehalten hatte.
Für Eis hatte ich mir 30 Tage vorgegeben. 30 Tage wie blödsinnig Heisshunger auf Eis. ( Alles andere untersagte ich mir ja auch!)
Dann aber - endlich- nach 30 Tagen schleppte ich mich in meinen Lieblingseisladen und kaufte mir EINE KUGEL Schokoladeneis.
Himmel! Lacht ruhig alle, ich kann es verstehen, aber das war Feiertagsstimmung. Mit der Zungenspitze so ganz vorsichtig das erste Mal nach 30 Tagen wieder an diese Köstlichkeit...
Und dann die Stimme hinter mir:
"Boah, guck mal diese diese fette Sau! Na klar und die muss dann auch noch Eis fressen! Manche haben aber wirklich keinen realen Blick mehr auf sich!"
Und ich wäre am liebsten in den Boden versunken vor Scham, aber solch' riesiges Loch hätte die ganze Eisdiele versinken lassen.
Und doch- ich habe solche Reaktionen verstanden.
Was wussten diese Menschen, die sich dann drei Kugeln Eis mit Sahne kauften, denn schon von mir?
Was wissen Menschen überhaupt voneinander?
****************
Ich wünsche mir schon seit vielen Jahren, etwas dazu beitragen zu können, das Menschen sich gegenseitig mehr respektieren als sie es oft tun - in allen Lebenslagen - also nicht ausschliesslich auf der Ebene der Waagen.
****************
Dein Bezug auf den Einfluss der Eltern auf das Essverhalten ihrer Kinder ist mMn richtig und wichtig.
Ich hatte an all‘ diese Mechanismen gedacht, zumal ich das Glück hatte, in einer gerademal erfolgreich gewesenen Diätphase- überhaupt schwanger geworden zu sein- und eine späte Mutter war.
Ich weiss es nicht mehr genau, aber ich wog damals trotzdem mindestens „stattliche“ 150 Kilogramm. Mir war absolut klar, dass ich mich am Rande zwischen Möglichkeit und Unmöglichkeit befunden habe, das Kind überhaupt auszutragen.
Insofern hatte ich IN der Schwangerschaft keine Probleme, mich gesund zu ernähren. Der Gedanke an mein Kind IN mir, hat jedes ungeeignete Lebensmittel und jede Fehlportionierung ausgeschlossen.
Den Entzug habe ich- in Vorfreude- auf mein Kind- nur wenig gespürt, zumal ich bis dahin meinen Kinderwunsch wegen meines Fettes als unerfüllbar wähnte.
Die ersten anderthalb Lebensjahre meines Sohnes hatte ich FÜR Ihn und ihn betreffend- im Griff.
Ich stillte so lange es mir möglich war und kochte für ihn alles selbst und wahrhaft babygerecht. Kaum war er diesbezüglich nicht mehr zu 100% von mir abhängig, entwickelte er sich zu einem dicken Kind. Schon in seinem dritten Lebensjahr sagte mir die Kinderärztin, er habe wohl meine Gene.
Ich WUSSTE, das ist Unsinn – ich wusste, ich war das falsche Vorbild.
Es war mir trotzdem- so unglaublich es hier klingen mag- nicht möglich, da schon die Kurve zu kriegen.
Erst als ich abnahm und meine Essgewohnheiten komplett anders wurden, zumal dann nur noch ein Kühlschrank normal gefüllt war und nicht mehr der ganze Haushalt einer Hotelküche ähnelte, konnte mein Sohn sich diesbezüglich (automatisch) anders entwickeln.
Er wurde ein gesundes Kind und ist heute – mit 189 und normalem BMI ein toll gebauter Mann.
Jahre später bekam ich ein Buch in die Hand, welches viele meiner vormals erarbeiteten Einsichten bestätigte. Ich weiss nicht, ob es hier im Forum erlaubt ist, solcherlei Hinweise zu geben. Da es aber NICHT von mir ist, erwähne ich es: Der Titel lautet:
„Die böse Mutter“ (Autor habe ich vergessen)
Ich habe damals bruchstückhaft- längst nicht allumfassend, jedoch wenigstens im Ansatz, Teile meiner Konfliktbewältigung darin bestätigt gefunden.
Erinnere ich mich recht, handelte es sich dort jedoch nicht um Beispiele solch‘ monströser Ausmasse, wie ich eines gewesen bin.
Inzwischen haben Mahlzeiten für mich nur den Hintergrund der lustvollen Ernährung. Hier in Ungarn esse ich ganz anders als in Deutschland und lebe ohne Uhr.
So verschiebe ich zwar das Essen nicht, weil ich eben keine festen Zeiten habe, kann aber die Stimme meines Körpers längst unterscheiden und erkenne die Abweichung zwischen dem immerwährenden Hunger, den ich nie verloren habe und dem, der wahrhaft die Forderung ist, nun zu essen, weil der Körper eben Ernährung braucht.
Ausserdem baue ich hier einige Sachen selbst an. Der Mensch ist ohnehin dafür konzepiert, für seine Ernährung etwas zu tun - und so bin ich der Basis wieder ein Stück näher.
Es geht mir blendend damit und hier schmeckt auch alles anders- intensiver, aromatischer – als ich es aus Deutschland in Erinnerung habe.
Ich bin mir nicht sicher, aber vielleicht war ihr Leben für mich zu diesem „Abschreckbild“ geworden, was andere sich in Form fetter Fotos an den Kühlschrank hängen, und hat dazu beigetragen, Rückfallabwehr gegen Fressattacken zu trainieren. Das Ganze wirkte auf mich wie ein nochmal Abarbeiten meiner ehemals gewichtsmässigen wesentlich dramatischeren Ausgangsposition und mir wurde bewusst, welche Ausmasse mein vorheriges Verhalten auf meine Familie genommen haben musste, genommen hatte.
Die vergleichbare Situation bezüglich der Beznesser und deren Opfer ist es gerade, was mich beim Lesen der Geschichten und im Forum so unglaublich beeindruckt. Mir tun sich geradezu Gedankenwelten auf – Theorien, die sich in der Realität so geballt wiederfinden – habe ich niemals für möglich gehalten.
In den letzten Tagen habe ich oft gedacht:
'Tausche das Thema Fressen mit dem Thema Bezness aus und es hat fast den gleichen emotionalen Effekt.'
Dabei ist die von Dir erwähnte Tatsache des Frustabladens statt Denk-Fühl-Muster zu ändern, nur ein winziges Bausteinchen und auch mir aufgefallen. Ebenso beindruckt mich der unbeirrte Argumentationsanspruch derjenigen, die gegen besseres Wissen behaupten „Ihrer“ sei anders.
Ich überlege, ob diese Beznesser nicht so etwas wie eine Sucht initiieren, indem sie Mechanismen bedienen, die in -ohnehin schon vorhandenen - emotionalen Irritationen den geeigneten Boden finden.
So wie ein Fresser sich weder von seinem Spiegelbild, der stetig anwachsenden Anzahl der X vor dem L der Kleidergrösse, von Familie und Bekannten beeindrucken lässt, über sein Essverhalten nachzudenken, lassen sich Beznesseropfer meist auch nicht einfach mal eben schnell zum Anhalten und schon gar nicht zur Umkehr überzeugen.
Wie gesagt, ihr einziger sozialer Kontakt bin ich gewesen. Das machte es für mich auch unmöglich, sie aus meinem Leben zu verbannen.
Es ist für die Betroffenen gar nicht möglich zu erkennen, welche Ausmasse IHR Verhalten auf ihre unmittelbare Umwellt hat. Wie unglaublich geduldig mein damals Noch-Ehemann sich in all' unseren Ehejahren meine Diät-Fress-Jammer-Trotz-Anfälle hat gefallen lassen und mit Liebe und in Liebe alles getragen hat, musste auf sein Leben einen ungheu'ren Einfluss haben. Das kostet Nerven, reibt auf und vor allem- er hat ja meine Freude mit gefeiert, Tage später meinen Frust mit erlebt und seine Freude sofort abstellen müssen, verstehst Du, er war fremdgelenkt - lachen erwünscht, lachen verboten, Verständnis erwünscht, Verständnis angezweifelt, Unterstützung eingefordert, Unterstützung abgelehnt. Für eigene Emotionen hatte er gar keinen Raum mehr. Jeder Lacher von ihm, der gestern noch Klasse war, wurde am nächsten Tag zu seinem Alptraum.
Sein "genetisches Pech" war, er konnte essen was er will, er nahm nicht zu, aber ärgerte er sich nur einmal über eine Fliege an der Wand, nahm er ein Kilo ab. Er konnte sich also gar nicht an meine Diäten andoggen. Er brauchte unbedingt alle Mahlzeiten und Zwischenmahlzeiten, um seinerseits ausgeglichen zu sein.
Elkes Mutter war selbst sehr krank und aus dem Kreislauf ausgestiegen. Ihr Bruder übernahm Wege, die sie nicht alleine erledigen konnte/wollte und putzte gelegentlich bei ihr. Reden hatte er ihr schlichtweg untersagt, weil er das Ganze nicht mehr aushalten konnte.
Nein, der von mir gewählte Name hat einen direkten Bezug zu Elke. Sie hatte eine Puppe, die sie so nannte und mit der sie so umging, wie sie gerade selbst zu sich stand.
Entweder sie liebkoste sie oder sie warf sie wütend in eine Ecke.
Ich sende allen herzliche Grüsse
aus der Sonne Ungarns
charlotte_
und
ein Hallo an alle,
danke für die interessanten Gedanken.
Jemand, der Essen noch nie zur Kompensation genutzt und erkannt hat, welch‘ „perfektes“ Ausgleichsmittel es ist, kann die Menschen, die sich dick durch die Strassen schleppen und meist auch noch behaupten, sie seien glücklich – unmöglich verstehen.steckchen hat geschrieben: Ehrlich gesagt, konnte ich auch nie verstehen, wieso sich Leute dick und unglücklich fressen. Ich selber hatte mit dem Stoffwechsel nie Probleme und war eigentlich immer mit irgendwelchen Sachen beschäftigt, daß ich auch schonmal das Essen vergessen hatte. Und dann plötzlich Hunger bekam. Und wenn man die Essenszeiten ein bischen auseinanderzerrt, dann kann der Magen weniger aufnehmen, weil er nämlich kleiner geworden ist. Deswegen nehmen ja Bulimie-Kranke, die endlich wieder normal essen, nur sehr langsam zu. Du hast das Beispiel mit dem Baby gebracht, das aufhört, zu saugen, wenn es genug ist. Wenn doch die Eltern es dabei belassen würden.Aber ich habe nur zu oft gesehen, daß Kinder geradezu genötigt werden, doch noch ein Stück zu essen, daß unsichere Mütter sich von anderen einreden ließen, ihr Kind sei zu dünn, in welchem Akkordtempo die absolut zu lange gekochten und fad schmeckenden Babyfertigbreichen in die armen Kindermünder hineingestopft wurden, weil Mutti gerade mal wieder keine Zeit hat und im Streß ist. Da werden Kinder nur drei Monate gestillt, wenn überhaupt, obwohl bekannt ist, daß gerade langes Stillen die beste Voraussetzung dafür ist, daß Kinder ein gesundes Eßverhalten bekommen und ein natürliches Gefühl dafür, wann es genug ist. Ist es da ein Wunder, wenn Kinder desorientiert und deformiert werden, was Essen anbelangt?
**************
Mal ein Beispiel:
Ich esse gern Eis. Ich konnte Eis essen bis ich friere. Um in diesen Zustand zu kommen, brauchte ich damals 3- 4 Kilogramm.
In der Phase, bereits um die 50 Kilogramm abgenommen zu haben - kämpfte ich mit ganz individuellen Mitteln gegen alles an, was mit Essen zu tun hatte.
Ich hatte sogar Tagträume von Eis und allem anderen - ich halluzinierte regelrecht.
Bleiben wir aber bei dem Eisbeispiel.
Ich führte eine Liste:
"Was habe ich nicht gegessen, obwohl ich es essen wollte"
und trug dort ein, wovor ich standgehalten hatte.
Für Eis hatte ich mir 30 Tage vorgegeben. 30 Tage wie blödsinnig Heisshunger auf Eis. ( Alles andere untersagte ich mir ja auch!)
Dann aber - endlich- nach 30 Tagen schleppte ich mich in meinen Lieblingseisladen und kaufte mir EINE KUGEL Schokoladeneis.
Himmel! Lacht ruhig alle, ich kann es verstehen, aber das war Feiertagsstimmung. Mit der Zungenspitze so ganz vorsichtig das erste Mal nach 30 Tagen wieder an diese Köstlichkeit...
Und dann die Stimme hinter mir:
"Boah, guck mal diese diese fette Sau! Na klar und die muss dann auch noch Eis fressen! Manche haben aber wirklich keinen realen Blick mehr auf sich!"
Und ich wäre am liebsten in den Boden versunken vor Scham, aber solch' riesiges Loch hätte die ganze Eisdiele versinken lassen.
Und doch- ich habe solche Reaktionen verstanden.
Was wussten diese Menschen, die sich dann drei Kugeln Eis mit Sahne kauften, denn schon von mir?
Was wissen Menschen überhaupt voneinander?
****************
Ich wünsche mir schon seit vielen Jahren, etwas dazu beitragen zu können, das Menschen sich gegenseitig mehr respektieren als sie es oft tun - in allen Lebenslagen - also nicht ausschliesslich auf der Ebene der Waagen.
****************
Dein Bezug auf den Einfluss der Eltern auf das Essverhalten ihrer Kinder ist mMn richtig und wichtig.
Ich hatte an all‘ diese Mechanismen gedacht, zumal ich das Glück hatte, in einer gerademal erfolgreich gewesenen Diätphase- überhaupt schwanger geworden zu sein- und eine späte Mutter war.
Ich weiss es nicht mehr genau, aber ich wog damals trotzdem mindestens „stattliche“ 150 Kilogramm. Mir war absolut klar, dass ich mich am Rande zwischen Möglichkeit und Unmöglichkeit befunden habe, das Kind überhaupt auszutragen.
Insofern hatte ich IN der Schwangerschaft keine Probleme, mich gesund zu ernähren. Der Gedanke an mein Kind IN mir, hat jedes ungeeignete Lebensmittel und jede Fehlportionierung ausgeschlossen.
Den Entzug habe ich- in Vorfreude- auf mein Kind- nur wenig gespürt, zumal ich bis dahin meinen Kinderwunsch wegen meines Fettes als unerfüllbar wähnte.
Die ersten anderthalb Lebensjahre meines Sohnes hatte ich FÜR Ihn und ihn betreffend- im Griff.
Ich stillte so lange es mir möglich war und kochte für ihn alles selbst und wahrhaft babygerecht. Kaum war er diesbezüglich nicht mehr zu 100% von mir abhängig, entwickelte er sich zu einem dicken Kind. Schon in seinem dritten Lebensjahr sagte mir die Kinderärztin, er habe wohl meine Gene.
Ich WUSSTE, das ist Unsinn – ich wusste, ich war das falsche Vorbild.
Es war mir trotzdem- so unglaublich es hier klingen mag- nicht möglich, da schon die Kurve zu kriegen.
Erst als ich abnahm und meine Essgewohnheiten komplett anders wurden, zumal dann nur noch ein Kühlschrank normal gefüllt war und nicht mehr der ganze Haushalt einer Hotelküche ähnelte, konnte mein Sohn sich diesbezüglich (automatisch) anders entwickeln.
Er wurde ein gesundes Kind und ist heute – mit 189 und normalem BMI ein toll gebauter Mann.
Jahre später bekam ich ein Buch in die Hand, welches viele meiner vormals erarbeiteten Einsichten bestätigte. Ich weiss nicht, ob es hier im Forum erlaubt ist, solcherlei Hinweise zu geben. Da es aber NICHT von mir ist, erwähne ich es: Der Titel lautet:
„Die böse Mutter“ (Autor habe ich vergessen)
Ich habe damals bruchstückhaft- längst nicht allumfassend, jedoch wenigstens im Ansatz, Teile meiner Konfliktbewältigung darin bestätigt gefunden.
Erinnere ich mich recht, handelte es sich dort jedoch nicht um Beispiele solch‘ monströser Ausmasse, wie ich eines gewesen bin.
Schon im Laufe meiner Gewichtsreduzierung habe ich gelernt, wie hilfreich es für mich ist, den Tag nicht nach den Uhrzeiten der fälligen Mahlzeiten zu strukturieren. (Einer der Punkte, der meinen damalig noch Ehemann völlig unverständlich war.)Userin Solodonna hat übrigens einmal in ihrem Thread den figurfreundlichen Aspekt des Forums hervorgehoben, die vielen Geschichten und Informationen, der sie schon mal Malzeiten vergessen oder verschieben ließen. Da kann jetzt jemand sagen, da wird eine Abhängigkeit durch eine andere ersetzt. Aber vielleicht läßt sich diese neue Abhängigkeit besser kontrollieren als die alte?![]()
Inzwischen haben Mahlzeiten für mich nur den Hintergrund der lustvollen Ernährung. Hier in Ungarn esse ich ganz anders als in Deutschland und lebe ohne Uhr.
So verschiebe ich zwar das Essen nicht, weil ich eben keine festen Zeiten habe, kann aber die Stimme meines Körpers längst unterscheiden und erkenne die Abweichung zwischen dem immerwährenden Hunger, den ich nie verloren habe und dem, der wahrhaft die Forderung ist, nun zu essen, weil der Körper eben Ernährung braucht.
Ausserdem baue ich hier einige Sachen selbst an. Der Mensch ist ohnehin dafür konzepiert, für seine Ernährung etwas zu tun - und so bin ich der Basis wieder ein Stück näher.
Es geht mir blendend damit und hier schmeckt auch alles anders- intensiver, aromatischer – als ich es aus Deutschland in Erinnerung habe.
Ich denke auch wie Bigi, daß Du in einer Weise emotional co-abhängig
Im Grunde hat sie fatalerweise sogar dasselbe mit Dir gemacht, was die Beznesser mit ihren Opfern machen.
Mit der Co- Abhängigkeit habe ich mich damals intensiver auseinandergesetzt als ich es heute für (mich) wichtig halte. Es war nun mal so- ich bin mir bewusst gewesen, welche Rolle ich für Elke inne hatte und Jahr später – in einem ganz anderen Zusammenhang – klärte sich für mich auch, wie sehr ich mich in ihr unbewusst gespiegelt hatte.Und es ist mir hier in einigen Threads aufgefallen, wo Frauen hier lediglich ihren Frust abluden, ohne wirklich ihr Schicksal ändern zu wollen oder dazu in der Lage zu sein. Und auf diese Art und Weise reichten sie den in ihnen vom Beznesser angerichteten seelischen Schaden dann an die User hier weiter und reagierten sich emotional ab, ohne ihr eigenes verhängnisvolles Denk-Fühl-Muster zu ändern, woran sie genesen hätten können. Und nach einiger Zeit hörte man nichts mehr von ihnen.
Ich bin mir nicht sicher, aber vielleicht war ihr Leben für mich zu diesem „Abschreckbild“ geworden, was andere sich in Form fetter Fotos an den Kühlschrank hängen, und hat dazu beigetragen, Rückfallabwehr gegen Fressattacken zu trainieren. Das Ganze wirkte auf mich wie ein nochmal Abarbeiten meiner ehemals gewichtsmässigen wesentlich dramatischeren Ausgangsposition und mir wurde bewusst, welche Ausmasse mein vorheriges Verhalten auf meine Familie genommen haben musste, genommen hatte.
Die vergleichbare Situation bezüglich der Beznesser und deren Opfer ist es gerade, was mich beim Lesen der Geschichten und im Forum so unglaublich beeindruckt. Mir tun sich geradezu Gedankenwelten auf – Theorien, die sich in der Realität so geballt wiederfinden – habe ich niemals für möglich gehalten.
In den letzten Tagen habe ich oft gedacht:
'Tausche das Thema Fressen mit dem Thema Bezness aus und es hat fast den gleichen emotionalen Effekt.'
Dabei ist die von Dir erwähnte Tatsache des Frustabladens statt Denk-Fühl-Muster zu ändern, nur ein winziges Bausteinchen und auch mir aufgefallen. Ebenso beindruckt mich der unbeirrte Argumentationsanspruch derjenigen, die gegen besseres Wissen behaupten „Ihrer“ sei anders.
Ich überlege, ob diese Beznesser nicht so etwas wie eine Sucht initiieren, indem sie Mechanismen bedienen, die in -ohnehin schon vorhandenen - emotionalen Irritationen den geeigneten Boden finden.
So wie ein Fresser sich weder von seinem Spiegelbild, der stetig anwachsenden Anzahl der X vor dem L der Kleidergrösse, von Familie und Bekannten beeindrucken lässt, über sein Essverhalten nachzudenken, lassen sich Beznesseropfer meist auch nicht einfach mal eben schnell zum Anhalten und schon gar nicht zur Umkehr überzeugen.
Elke hatte eine dramatische Scheidung hinter sich und ihre Kinder sind in Pflegefamilien gekommen.Elke hatte leider wohl keine Kinder und keinen Ehemann, zumindest schreibst Du nichts darüber, welche ihr einen gewissen Halt gegeben und sie in eine gewisse Verantwortung genommen hätten.
Wie gesagt, ihr einziger sozialer Kontakt bin ich gewesen. Das machte es für mich auch unmöglich, sie aus meinem Leben zu verbannen.
Genausowenig wie ihr Bruder oder ihre Mutter es konnten/wollten und so trudelte sie haltlos in ihr Unglück.
Es ist für die Betroffenen gar nicht möglich zu erkennen, welche Ausmasse IHR Verhalten auf ihre unmittelbare Umwellt hat. Wie unglaublich geduldig mein damals Noch-Ehemann sich in all' unseren Ehejahren meine Diät-Fress-Jammer-Trotz-Anfälle hat gefallen lassen und mit Liebe und in Liebe alles getragen hat, musste auf sein Leben einen ungheu'ren Einfluss haben. Das kostet Nerven, reibt auf und vor allem- er hat ja meine Freude mit gefeiert, Tage später meinen Frust mit erlebt und seine Freude sofort abstellen müssen, verstehst Du, er war fremdgelenkt - lachen erwünscht, lachen verboten, Verständnis erwünscht, Verständnis angezweifelt, Unterstützung eingefordert, Unterstützung abgelehnt. Für eigene Emotionen hatte er gar keinen Raum mehr. Jeder Lacher von ihm, der gestern noch Klasse war, wurde am nächsten Tag zu seinem Alptraum.
Sein "genetisches Pech" war, er konnte essen was er will, er nahm nicht zu, aber ärgerte er sich nur einmal über eine Fliege an der Wand, nahm er ein Kilo ab. Er konnte sich also gar nicht an meine Diäten andoggen. Er brauchte unbedingt alle Mahlzeiten und Zwischenmahlzeiten, um seinerseits ausgeglichen zu sein.
Elkes Mutter war selbst sehr krank und aus dem Kreislauf ausgestiegen. Ihr Bruder übernahm Wege, die sie nicht alleine erledigen konnte/wollte und putzte gelegentlich bei ihr. Reden hatte er ihr schlichtweg untersagt, weil er das Ganze nicht mehr aushalten konnte.
Das Lied habe ich gar nicht gekannt.Noch eine Frage: Hast Du bei der Auswahl des Namens für diese Frau an ein gewisses Lied von den Ärzten gedacht?
Nein, der von mir gewählte Name hat einen direkten Bezug zu Elke. Sie hatte eine Puppe, die sie so nannte und mit der sie so umging, wie sie gerade selbst zu sich stand.
Entweder sie liebkoste sie oder sie warf sie wütend in eine Ecke.
Ich sende allen herzliche Grüsse
aus der Sonne Ungarns
charlotte_
Das Leben schreibt seine Rechnungen und will sie bezahlt haben. Offenbar zahlt der Mensch, ohne sich bewusst zu machen, es ist seine Lebenszeit, die ihm aufgerechnet wird, und nimmt unbedacht in Kauf, sein Glück hergeben zu müssen. (ACR)
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Canim
- Beiträge: 2164
- Registriert: 12.03.2008, 16:41
Re: ... späte Erkenntnis ... nach etwa 10 Jahren ...
Liebe Charlotte, ein sehr interessanter und tiefer Einblick in dein Leben. Ich freue mich für dich, dass du dich aus diesem Teufelskreis lösen konntest.
Vielleicht hat auch Elke ein Stück dazu beigetragen.
Was die Sucht und die Abhängigkeit und den Vergleich in puncto Bezness angeht, gebe ich dir insofern recht, dass sich eine regelrechte Sucht nach seinen sms, nach Telefonaten, nach schnellen Urlauben hintereinander etc. entwickelt. Meine Beznessgeschichte liegt mehr als 12 Jahre zurück, da gab's noch keine Handy's bzw. man konnte sie sich noch nicht leisten. Ich habe monatelang Abend für Abend das Haus kaum verlassen, ich könnte ja einen seiner Anrufe verpassen. Hinzu kam ein hoher emotionaler Stress aufgrund massiver krankheitsbedingter Eifersuchtsanfälle seinerseits, der mich nächtelang per Telefon terrorisierte, wenn ich nicht zu Hause an das Telefon ging. Man ist gefangen in diesem Kreis aus Selbstverleugnung, Selbstaufgabe und es erstaunt mich noch heute, wie ich mich derart manipulieren lassen konnte, dass ich fast mein komplettes Selbst aufgegeben habe. Auch ich mußte erst ganz unten sein, gedemütigt, bedroht, verletzt, bis ich endlich den Mut fand, mich zu lösen.
Ich wünsche dir in Ungarn wunderschöne Tage, Wochen, Monate, Jahre und danke dir noch einmal herzlich für deine interessanten Beiträge. Das läßt mich meine stark übergewichtige Schwester, die sich sicher auch selbst verleugnet, weil sie immer noch sagt, ihr geht es gut, ein wenig besser verstehen.
Gruß
Canim
Vielleicht hat auch Elke ein Stück dazu beigetragen.
Was die Sucht und die Abhängigkeit und den Vergleich in puncto Bezness angeht, gebe ich dir insofern recht, dass sich eine regelrechte Sucht nach seinen sms, nach Telefonaten, nach schnellen Urlauben hintereinander etc. entwickelt. Meine Beznessgeschichte liegt mehr als 12 Jahre zurück, da gab's noch keine Handy's bzw. man konnte sie sich noch nicht leisten. Ich habe monatelang Abend für Abend das Haus kaum verlassen, ich könnte ja einen seiner Anrufe verpassen. Hinzu kam ein hoher emotionaler Stress aufgrund massiver krankheitsbedingter Eifersuchtsanfälle seinerseits, der mich nächtelang per Telefon terrorisierte, wenn ich nicht zu Hause an das Telefon ging. Man ist gefangen in diesem Kreis aus Selbstverleugnung, Selbstaufgabe und es erstaunt mich noch heute, wie ich mich derart manipulieren lassen konnte, dass ich fast mein komplettes Selbst aufgegeben habe. Auch ich mußte erst ganz unten sein, gedemütigt, bedroht, verletzt, bis ich endlich den Mut fand, mich zu lösen.
Ich wünsche dir in Ungarn wunderschöne Tage, Wochen, Monate, Jahre und danke dir noch einmal herzlich für deine interessanten Beiträge. Das läßt mich meine stark übergewichtige Schwester, die sich sicher auch selbst verleugnet, weil sie immer noch sagt, ihr geht es gut, ein wenig besser verstehen.
Gruß
Canim
Gemeinsam sind wir stark!
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Anaba
- Beiträge: 18435
- Registriert: 12.03.2008, 16:36
Re: ... späte Erkenntnis ... nach etwa 10 Jahren ...
Das sehe ich völlig anders.n anderen Ländern geht das nicht so einfach. Hier ist das möglich. Hier brauchen wir nur morgens wieder an der Arbeit zu erscheinen, wenn auch ein bisschen dicker , wenn auch mit Restalkohol. Da wird dann höchstens gelästert. Geholfen oder gefragt wird kaum. Es könnte ja peinlich sein.
In mosl. Ländern gibt es genug Süchtige, die dort allerdings wenig Hilfe erfahren.
Dort wird auch heimlich getrunken, gekifft, geschnüffelt .....
Die Frauen nehmen häufig Antidepressiva.
Liebe Grüße
Anaba
Administratorin
anaba@1001Geschichte.de
“Am Ende wird die Wahrheit siegen, über Ängste und gut getarnte Lügen.
Am Ende wird sich alles fügen und was jetzt am Boden liegt, wird schließlich lächelnd fliegen...“
Hans Kupka, hingerichtet 1942
Anaba
Administratorin
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“Am Ende wird die Wahrheit siegen, über Ängste und gut getarnte Lügen.
Am Ende wird sich alles fügen und was jetzt am Boden liegt, wird schließlich lächelnd fliegen...“
Hans Kupka, hingerichtet 1942
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Hülya
Re: ... späte Erkenntnis ... nach etwa 10 Jahren ...
JanineNi hat geschrieben:Liebe Charlotte,
ich habe keine Worte für das, was passiert ist. Aber ich habe alles gelesen und glaube, dass wir beachten sollten, dass in unserer Gesellschaft Suchtverhalten genau das ist, was der Name schon sagt: Die Sucht nach ....... meistens Liebe.
wir tarnen es mit Alk, Zigaretten, Essen, Tabletten.
Im Grunde einsam und alleine ist es doch das Suchen nach etwas, was in Europa selten geworden ist: Dem Interesse am Andern. Sonst könnten wir uns nicht zurückziehen und nachmittags heimlich fressen, trinken und andere Dinge zu uns nehmen, und keiner merkt etwas.
In anderen Ländern geht das nicht so einfach. Hier ist das möglich. Hier brauchen wir nur morgens wieder an der Arbeit zu erscheinen, wenn auch ein bisschen dicker , wenn auch mit Restalkohol. Da wird dann höchstens gelästert. Geholfen oder gefragt wird kaum. Es könnte ja peinlich sein.
Ich kenne das, ich habe selber in einer Tagesklinik gearbeitet, ehrenamtlich. Das hat mir einiges gezeigt.
Gruss Janine
Das kann ich so nicht stehen lassen.
In der Türkei, wird viel mehr heimlich getrunken , geraucht, gekifft und Beruhigungstabletten genommen wie bei uns in D.
In der Türkei interessiert das niemanden. Das wird alles Todgeschwiegen. Es gibt nichts für Suchtkranke. Sie werden einfach so im Leben mit einbezogen, oder auch auf den Straßen liegen gelassen zum sterben.
-
Micky1244
- Beiträge: 2920
- Registriert: 29.03.2008, 11:55
Re: ... späte Erkenntnis ... nach etwa 10 Jahren ...
Liebe Charlotte,
ich freue mich sehr, dass du hier schreibst, deine Beiträge gehen mir im Kopf herum, und ich bin gedanklich damit sehr stark beschäftigt.
Es ist wunderbar, zu lesen, dass du es geschafft hast; dass deine Essstörung keine Einbahnstraße war.
Du schreibst, dass du am Ende deiner Karriere als stark übergewichtiger Mensch nicht mehr die Möglichkeit hattest, dir das Leben zu nehmen und deshalb abgenommen hast. Warst du damals schon so stark eingeschränkt, dass du dich nicht mehr allein bewegen konntest?
Ich habe es so verstanden, dass sich dein Todeswunsch mit schwindendem Gewicht verflüchtigte.
Meine Tochter, die als Physiotherapeutin in einem Krankenhaus arbeitet, erzählt immer wieder von Patienten, die auf Grund ihres riesigen Gewichtes sich nicht mehr selbstständig bewegen können.
Ich habe erlebt, dass Schüler schon in ihrer Grundschulzeit immer korpulenter wurden, es gab verschiedene Versuche, diese Entwicklung zu stoppen, alles vergeblich. Kuren, Moby Dick ( in Hamburg ein Programm für übergewichtige Kinder), Betreuung durch soziale Dienste, nichts brachte einen dauerhaften Erfolg.
Ein Mädchen ist mir in Erinnerung, auf jeder Klassenkonferenz war ihr Gewicht ein Thema, morgens sah ich sie auf dem Weg zur Schule, an beiden Händen Plastiktüten mit Knabberzeug und Chips tragend. Ihre Kleidung erinnerte an den Überwurf, den meine Mutter.für ihre fußbetriebene Nähmaschine angefertigt hatte. Sie tat mir unendlich Leid, aber ich hatte nie das Gefühl, dass irgend jemand sie noch erreichen konnte.
Genauso wenig habe ich bei stark adipösen Erwachsenen in meinem Umfeld miterlebt, dass eine Umkehr gelang. Trotz Diabetes, Bluthochdruck etc.
Allenfalls mit Magenband gelang eine Gewichtsreduktion.
Ist das Hauptproblem , dass es sich um eine Suchterkrankung handelt? Was alles kann zur Sucht werden?
Bei alkoholabhängigen Menschen ist oft zu beobachten, dass , wenn sie trocken sind, Kaffee und Zigaretten in hohem Maß konsumiert werden.
Ich habe mit dem Rauchen aufgehört-- und esse dafür mehr. Es schmeckt einfach wieder besser. Also, eine Sucht wird durch eine andere ersetzt.
Meine beiden Kinder habe ich sehr lange gestillt, meinen Sohn 11 Monate, meine Tochter 18 Monate, ich habe mit Erstaunen festgestellt, welche Speckrollen sich bei ihnen entwickelten. So etwas hatte ich nie bei anderen Säuglingen gesehen. Meine Mutter war entsetzt.
Meine Kinder sind längst erwachsen und beide schlank. Mir hat damals geholfen, dass ich mir Säuglingsabbildungen auf alten Gemälden ansah, die hatten die gleichen Rollen wie meine Kinder.
Gibt es überhaupt ein suchtfreies Leben? Kann alles, wovon wir abhängig sind, Suchtcharakter annehmen? Ist eventuell jede Sucht Ausdruck einer Depression, eines Todeswunsches? Gibt es auch ein Süchtlein, das heißt die Möglichkeit, die Sucht zu beherrschen und klein zu halten, ohne dass die nächste Sucht das Vakuum besetzt?
Willensstärke, Disziplin, das leuchtet mir alles ein, aber wie kann ein stark suchtgefährdeter Mensch dazu kommen, Disziplin und Willensstärke zu entwickeln?
Wahrscheinlich erst, wenn ein suchtkranker Mensch kurz vor dem point of no return angekommen ist und es ihm gelingt, das Steuer im letzten Moment herumzureißen.
Liebe Grüße ins sonnige Ungarn, Micky
ich freue mich sehr, dass du hier schreibst, deine Beiträge gehen mir im Kopf herum, und ich bin gedanklich damit sehr stark beschäftigt.
Es ist wunderbar, zu lesen, dass du es geschafft hast; dass deine Essstörung keine Einbahnstraße war.
Du schreibst, dass du am Ende deiner Karriere als stark übergewichtiger Mensch nicht mehr die Möglichkeit hattest, dir das Leben zu nehmen und deshalb abgenommen hast. Warst du damals schon so stark eingeschränkt, dass du dich nicht mehr allein bewegen konntest?
Ich habe es so verstanden, dass sich dein Todeswunsch mit schwindendem Gewicht verflüchtigte.
Meine Tochter, die als Physiotherapeutin in einem Krankenhaus arbeitet, erzählt immer wieder von Patienten, die auf Grund ihres riesigen Gewichtes sich nicht mehr selbstständig bewegen können.
Ich habe erlebt, dass Schüler schon in ihrer Grundschulzeit immer korpulenter wurden, es gab verschiedene Versuche, diese Entwicklung zu stoppen, alles vergeblich. Kuren, Moby Dick ( in Hamburg ein Programm für übergewichtige Kinder), Betreuung durch soziale Dienste, nichts brachte einen dauerhaften Erfolg.
Ein Mädchen ist mir in Erinnerung, auf jeder Klassenkonferenz war ihr Gewicht ein Thema, morgens sah ich sie auf dem Weg zur Schule, an beiden Händen Plastiktüten mit Knabberzeug und Chips tragend. Ihre Kleidung erinnerte an den Überwurf, den meine Mutter.für ihre fußbetriebene Nähmaschine angefertigt hatte. Sie tat mir unendlich Leid, aber ich hatte nie das Gefühl, dass irgend jemand sie noch erreichen konnte.
Genauso wenig habe ich bei stark adipösen Erwachsenen in meinem Umfeld miterlebt, dass eine Umkehr gelang. Trotz Diabetes, Bluthochdruck etc.
Allenfalls mit Magenband gelang eine Gewichtsreduktion.
Ist das Hauptproblem , dass es sich um eine Suchterkrankung handelt? Was alles kann zur Sucht werden?
Bei alkoholabhängigen Menschen ist oft zu beobachten, dass , wenn sie trocken sind, Kaffee und Zigaretten in hohem Maß konsumiert werden.
Ich habe mit dem Rauchen aufgehört-- und esse dafür mehr. Es schmeckt einfach wieder besser. Also, eine Sucht wird durch eine andere ersetzt.
Meine beiden Kinder habe ich sehr lange gestillt, meinen Sohn 11 Monate, meine Tochter 18 Monate, ich habe mit Erstaunen festgestellt, welche Speckrollen sich bei ihnen entwickelten. So etwas hatte ich nie bei anderen Säuglingen gesehen. Meine Mutter war entsetzt.
Meine Kinder sind längst erwachsen und beide schlank. Mir hat damals geholfen, dass ich mir Säuglingsabbildungen auf alten Gemälden ansah, die hatten die gleichen Rollen wie meine Kinder.
Gibt es überhaupt ein suchtfreies Leben? Kann alles, wovon wir abhängig sind, Suchtcharakter annehmen? Ist eventuell jede Sucht Ausdruck einer Depression, eines Todeswunsches? Gibt es auch ein Süchtlein, das heißt die Möglichkeit, die Sucht zu beherrschen und klein zu halten, ohne dass die nächste Sucht das Vakuum besetzt?
Willensstärke, Disziplin, das leuchtet mir alles ein, aber wie kann ein stark suchtgefährdeter Mensch dazu kommen, Disziplin und Willensstärke zu entwickeln?
Wahrscheinlich erst, wenn ein suchtkranker Mensch kurz vor dem point of no return angekommen ist und es ihm gelingt, das Steuer im letzten Moment herumzureißen.
Liebe Grüße ins sonnige Ungarn, Micky
Liebe Grüße, Micky
"Lass uns angeln gehen", sagte der Haken zum Wurm.
Isaiah Berlin: Die Freiheit der Wölfe ist der Tod der Lämmer.
"Lass uns angeln gehen", sagte der Haken zum Wurm.
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-
FreshBreeze
- Beiträge: 16
- Registriert: 16.06.2010, 02:28
Re: ... späte Erkenntnis ... nach etwa 10 Jahren ...
Hallo Charlotte,
mich hat deine (und auch Elkes) Geschichte sehr getroffen, vor allem wegen deiner schonungslosen Ehrlichkeit. Ein grosses Kompliment für dein Talent, Situationen und Gefühle bildhaft zu beschreiben, ohne dabei romantisch-kitschig zu werden, im Gegenteil: die eindrücklich kreierten Bilder haben solch eine Kraft, dass sie voll ins Schwarze treffen.
Ich schließe mich deiner Meinung an, dass die Verhaltensweisen eines Süchtigen und eines Bezness-Opfers sehr viel gemeinsam haben. Zumindest in meinem Fall. Mit meinen 33 Jahren kämpfe ich schon mehr als mein halbes Leben gegen die Sucht. Bei mir ist es nicht ein bestimmtes Mittel, sondern das eine Suchtmittel wechselt das andere ab. Vielleicht bin ich zu selbstkritisch, doch erkenne ich in meinem Verhalten immer wieder Strukturen, die mit Sucht zu tun haben. In meiner "Karriere" habe ich schon vieles durch: synthetische Drogen als Teenager, jahrelanges und chronisches Kiffen, abgelöst und unterbrochen von Schokolade, Büchern, Sport oder Liebe. Ja, ich verstehe meine Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit auch als eine Art Sucht, denn die Art und Weise, wie ich mich fallen lasse bis zur zeitweisen Selbstaufgabe ist definitiv nicht gesund und endete in der Ehe mit meinem Bezzie.
In dem Thread zur Geschichte 140 hat ein User namens Frosch die Theorie "Gier frisst Hirn" aufgestellt, die ich sehr passend finde. Da ich heute selbst nochmal danach gesucht habe, kopiere ich hier einen Teil der Diskussion rein:
Beide Kontrahenten (das Opfer und der Täter) sind wohl ihren inneren Zwängen, ihrer Gier, zum Opfer gefallen. Mir ist das mal mit Aktien während des Börsenhypes passiert, als ich mich in bestimmte Werte verliebt hatte. Die Aktien schauten mir tief in meine Seele und verstanden meinen heimlichen Wunsch, reich zu werden und damit auch glücklich. Mein IQ sank beinahe schlagartig auf weit unter 100 und ich kaufte die vor allem vordergründig attraktiven und preisgünstigen Aktien, ohne ihre inneren Werte überhaupt wahrzunehmen. Die ersten Wochen vergingen wie im Rausch, sie stiegen und stiegen und ich war so glücklich wie noch nie beim Geldverdienen! Dann kamen die ersten Rücksetzer, aber es gab immer wieder Versprechungen, dass das Geschäftsmodell ehrlich und solide sei und obwohl jeder vernünftige Aussenstehende mich warnte vor den Lügen um diese Werte, glaubte ich den Versprechungen, denn meine Gier war schon größer als mein Verstand.
Kurzum, es kam wie es meine besorgten Freunde ahnten, die Aktien sanken mit der Zeit bis zu 97% und wurden fast wertlos und es stellte sich im Nachhinein heraus, dass diese Aktien von Anfang an nur auf den Markt gebracht wurden, um clevere Lügner mit naiven und gierigen Idioten reich zu machen. Deshalb gehört es sehr wohl dazu, dass man daraus lernt, indem man selbstkritisch realisiert, dass man dem Betrug nicht einfach und zwangsweise aufgesessen ist, sondern mit seiner vorübergehenden Gier nach mehr, die nichts aber auch gar nichts mit Gefühlen zu tun hat, eine erhebliche Mitschuld an dem Desaster hat.
Diese Erkenntnis ist sehr schmerzhaft und wird deshalb oft verdrängt oder durch allerlei Entschuldigungen vermieden. Ja und ich bin sehr wohl der Meinung meine o.g. Geschichte ist auf die Mechanismen des Bezness zu übertragen.
Okay ich kann nicht ausschließen, dass es wirklich ab und zu auch Liebe ist. Für diese Frauen tut es mir sehr, sehr leid. Aber ich kann mir aus psychodynamischer Sicht vorstellen, dass die sich evtl. besser erholen oder orientieren, denn die hätten sich nichts vorzuwerfen. Mehr noch, sie sind um diese Fähigkeit zu beneiden. Insbesondere von mir, ich gebe es zu. Aber die Mehrzahl macht es aus einer Gier, die als Liebe missverstanden wird. Und wie o.g. beschrieben schließe ich mich nicht von derlei Selbstbetrug aus. Glücklichsein geht nur mit Mann/Frau. Klar, fragt sich nur mit welcher/em. Wenn Selbstbewusstsein mit mangelndem Realitätssinn verwechselt wird, droht immer Gefahr
Antwort von Elisa:
Mit den Aktien: Frosch, ist es nicht auch das Risiko, das uns anzieht, und in dem Sog (wo doch auch die Angst vor dem Verlust mitschwingt) verlieren wir den Verstand. Je mehr du eingesetzt hast, um so mehr wirst Du die Realität nicht mehr wahrnehmen wollen und sie letztendlich auch nicht wahrnehmen, weil da die Angst vor der Wahrheit ist, nämlich das Wissen um den Verlust. Bei Bezness: Ein Teil davon ist auch hier so. Aber steht am Anfang die Gier? Nach was? Es ist eben nicht erstrebenswert. Die Gier höchstens nach der vorgegaukelten Illusion.
Antwort von Frosch:
also dann will ich es mal so umschreiben mit der Gier, dass es wie eine Art von Formel eine gewisse Allgemeingültigkeit hat:
Grundlage der Gier ist für mich eine Art grundsätzliches Defizit an empfangener Liebe, insbesondere in der Kindheit. Dieser Schmerz und das Urgefühl der Kindheit, nicht geliebt worden zu sein (so kann ich es mir vorstellen und kenne es auch) zieht den Menschen permanent herunter und nagt an seinem Selbstwertgefühl. Der Glaube, es Wert zu sein, geliebt zu werden, ist, ohne dass es dem oder derjenigen bewusst ist, extrem niedrig. Eine selbstbewusste, weil erfahrene Herangehensweise an das Geliebtwerden ist kaum möglich. Eine Sicherung, sich in der angebotenen Liebe auch sicher zu fühlen - die Betonung liegt auf fühlen - ist kaum vorhanden. Derjenige, auf welchen diese Person hilflos reagiert - nennen wir ihn einfach mal Bezzie - tut das einzig Richtige, um z.B. die Frau, welche sich im Grunde für nicht liebenswert hält, für sich und seine Zwecke zu missbrauchen. Er belügt sie, und glaube mir Elisa, ich habe den schrecklichen Verdacht, viele Frauen spüren, dass sie belogen werden. Somit ist der Bezzie paradoxerweise ehrlich zu ihr. Er lügt, was seine Liebe zu ihr angeht und das stimmt exakt mit der Erwartungshaltung der Frau überein. Wohlgemerkt, das ganze scheint mir überwiegend auf der unbewussten Ebene abzulaufen. Es herrscht also eine fatale Übereinstimmung zwischen Betrüger und Betrogener. Das scheint mir auch zu erklären, wieso man sich nachher fragt, wie konnte das passieren? Es kommt niemand der Gedanke, dass er unbewusst betrogen werden wollte, so wie z.B. in der Kindheit. Wäre ja auch unlogisch oder.......
Es ist etwas anderes, das Risiko zu suchen, als den Ruin. Denn ein solches Spiel geht immer schlecht aus. Übrigens, meiner Meinung nach auch für den Betrüger!! Seinen Hass auf die Mutter an wildfremden ungeliebten Frauen auszulassen, mit dem Begriff Liebe zu hantieren wie ein Kleinkind mit einer Handgranate. Das, was da so perfekt und charmant rüberkommt, ist so armselig und auch für den Betrüger komplette Zeitverschwendung. Er wird alt und kalt und muss alle Spiegel abhängen. Er spukt als Untoter durch das Leben wie Dracula (die Figur ist aus psychodynamischer Sicht ein Selbstporträt von Bram Stoker).
Zurück zur Gier. Also ist die Anziehung, die übrigens das Opfer und der Täter füreinander empfinden, für beide eine Schädigung ihrer Person. Um es trotzdem zu tun, müssen beide meiner Meinung nach ein vordergründiges Motiv für ihr Tun entwerfen. Das ist bei ihr der schöne und/oder junge Orientale (obwohl er das so eigentlich nicht ist) und bei ihm der materielle Vorteil, den er aus der Projektion schlagen kann. Beide halten das für eine Erlösung aus ihrem unglücklichen Leben und wollen einfach nur besitzen anstatt zu lieben. Und schon haben wir die Gier anstelle der Liebe installiert. Glaube mir, die Bezzies arbeiten mit der Light Version dieses Programms. Wie gesagt, was sie nicht wissen, ist lediglich, dass sie ebenfalls schweren Schaden erleiden bei diesem unsinnigen Zeitvertreib. Was, wenn die Jungs eines Tages vor Allah stehen und der sie fragt was sie im Leben getan haben, und die müssen antworten: " Ich habe 18 europäische Frauen ausgenommen."
Zurück zu meinem Suchtpotential: ich habe vor gut 2 Jahren mit dem Kiffen aufgehört. Ich hatte es einfach satt und wollte endlich wieder einen klaren Kopf haben. Da ich jahrelang das Gras mit Tabak vermischte, hatte ich mir somit die Nikotinsucht angeeignet und rauche seitdem Zigaretten. Nun bin ich das aber auch leid und will einfach mal frei sein und meiner Lunge etwas Erholung gönnen. Obwohl ich nicht viel rauche, schaffe ich es nicht, länger als ein paar Tage darauf zu verzichten. Mir ist schon klar, dass das Rauchen mein Belohnungzentrum aktiviert und ich irgendein anderes Mittel finden muss, um den Belohnungsmechanismus auszulösen. Ich will jedoch nicht nur in eine andere Sucht abrutschen (Alkohol, stundenlanges Surfen im Internet, mich in den nächstbesten Typen verlieben und mich dabei selbst verlieren etc.). Mein Suchtpotential ist groß, und ich kenne mittlerweile sehr genau meine Schwachstellen, bei denen ich "suchtgefährdet" bin. Ich kämpfe und kämpfe und habe doch manchmal das Gefühl, dass ich nicht gewinnen kann.
Deshalb, liebe Charlotte, hast du meinen größten Respekt für deine Leistung, deine Sucht besiegt zu haben und keine Sucht im Hinblick auf ein Helfersyndrom entwickelt zu haben. Das ist meiner Meinung nach auch eine Sucht: die Sucht, gebraucht zu werden. Ich denke, du hast in deinem Umgang mit Elke und ihrem Bezzie sehr klug gehandelt und nie aus den Augen verloren, dass du dich selbst schützen musst. Vielen Dank für deine geistreichen, inspirierenden, erschütternden, gnadenlosen und doch warmherzigen Posts.
LG,
Elli
mich hat deine (und auch Elkes) Geschichte sehr getroffen, vor allem wegen deiner schonungslosen Ehrlichkeit. Ein grosses Kompliment für dein Talent, Situationen und Gefühle bildhaft zu beschreiben, ohne dabei romantisch-kitschig zu werden, im Gegenteil: die eindrücklich kreierten Bilder haben solch eine Kraft, dass sie voll ins Schwarze treffen.
Ich schließe mich deiner Meinung an, dass die Verhaltensweisen eines Süchtigen und eines Bezness-Opfers sehr viel gemeinsam haben. Zumindest in meinem Fall. Mit meinen 33 Jahren kämpfe ich schon mehr als mein halbes Leben gegen die Sucht. Bei mir ist es nicht ein bestimmtes Mittel, sondern das eine Suchtmittel wechselt das andere ab. Vielleicht bin ich zu selbstkritisch, doch erkenne ich in meinem Verhalten immer wieder Strukturen, die mit Sucht zu tun haben. In meiner "Karriere" habe ich schon vieles durch: synthetische Drogen als Teenager, jahrelanges und chronisches Kiffen, abgelöst und unterbrochen von Schokolade, Büchern, Sport oder Liebe. Ja, ich verstehe meine Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit auch als eine Art Sucht, denn die Art und Weise, wie ich mich fallen lasse bis zur zeitweisen Selbstaufgabe ist definitiv nicht gesund und endete in der Ehe mit meinem Bezzie.
In dem Thread zur Geschichte 140 hat ein User namens Frosch die Theorie "Gier frisst Hirn" aufgestellt, die ich sehr passend finde. Da ich heute selbst nochmal danach gesucht habe, kopiere ich hier einen Teil der Diskussion rein:
Beide Kontrahenten (das Opfer und der Täter) sind wohl ihren inneren Zwängen, ihrer Gier, zum Opfer gefallen. Mir ist das mal mit Aktien während des Börsenhypes passiert, als ich mich in bestimmte Werte verliebt hatte. Die Aktien schauten mir tief in meine Seele und verstanden meinen heimlichen Wunsch, reich zu werden und damit auch glücklich. Mein IQ sank beinahe schlagartig auf weit unter 100 und ich kaufte die vor allem vordergründig attraktiven und preisgünstigen Aktien, ohne ihre inneren Werte überhaupt wahrzunehmen. Die ersten Wochen vergingen wie im Rausch, sie stiegen und stiegen und ich war so glücklich wie noch nie beim Geldverdienen! Dann kamen die ersten Rücksetzer, aber es gab immer wieder Versprechungen, dass das Geschäftsmodell ehrlich und solide sei und obwohl jeder vernünftige Aussenstehende mich warnte vor den Lügen um diese Werte, glaubte ich den Versprechungen, denn meine Gier war schon größer als mein Verstand.
Kurzum, es kam wie es meine besorgten Freunde ahnten, die Aktien sanken mit der Zeit bis zu 97% und wurden fast wertlos und es stellte sich im Nachhinein heraus, dass diese Aktien von Anfang an nur auf den Markt gebracht wurden, um clevere Lügner mit naiven und gierigen Idioten reich zu machen. Deshalb gehört es sehr wohl dazu, dass man daraus lernt, indem man selbstkritisch realisiert, dass man dem Betrug nicht einfach und zwangsweise aufgesessen ist, sondern mit seiner vorübergehenden Gier nach mehr, die nichts aber auch gar nichts mit Gefühlen zu tun hat, eine erhebliche Mitschuld an dem Desaster hat.
Diese Erkenntnis ist sehr schmerzhaft und wird deshalb oft verdrängt oder durch allerlei Entschuldigungen vermieden. Ja und ich bin sehr wohl der Meinung meine o.g. Geschichte ist auf die Mechanismen des Bezness zu übertragen.
Okay ich kann nicht ausschließen, dass es wirklich ab und zu auch Liebe ist. Für diese Frauen tut es mir sehr, sehr leid. Aber ich kann mir aus psychodynamischer Sicht vorstellen, dass die sich evtl. besser erholen oder orientieren, denn die hätten sich nichts vorzuwerfen. Mehr noch, sie sind um diese Fähigkeit zu beneiden. Insbesondere von mir, ich gebe es zu. Aber die Mehrzahl macht es aus einer Gier, die als Liebe missverstanden wird. Und wie o.g. beschrieben schließe ich mich nicht von derlei Selbstbetrug aus. Glücklichsein geht nur mit Mann/Frau. Klar, fragt sich nur mit welcher/em. Wenn Selbstbewusstsein mit mangelndem Realitätssinn verwechselt wird, droht immer Gefahr
Antwort von Elisa:
Mit den Aktien: Frosch, ist es nicht auch das Risiko, das uns anzieht, und in dem Sog (wo doch auch die Angst vor dem Verlust mitschwingt) verlieren wir den Verstand. Je mehr du eingesetzt hast, um so mehr wirst Du die Realität nicht mehr wahrnehmen wollen und sie letztendlich auch nicht wahrnehmen, weil da die Angst vor der Wahrheit ist, nämlich das Wissen um den Verlust. Bei Bezness: Ein Teil davon ist auch hier so. Aber steht am Anfang die Gier? Nach was? Es ist eben nicht erstrebenswert. Die Gier höchstens nach der vorgegaukelten Illusion.
Antwort von Frosch:
also dann will ich es mal so umschreiben mit der Gier, dass es wie eine Art von Formel eine gewisse Allgemeingültigkeit hat:
Grundlage der Gier ist für mich eine Art grundsätzliches Defizit an empfangener Liebe, insbesondere in der Kindheit. Dieser Schmerz und das Urgefühl der Kindheit, nicht geliebt worden zu sein (so kann ich es mir vorstellen und kenne es auch) zieht den Menschen permanent herunter und nagt an seinem Selbstwertgefühl. Der Glaube, es Wert zu sein, geliebt zu werden, ist, ohne dass es dem oder derjenigen bewusst ist, extrem niedrig. Eine selbstbewusste, weil erfahrene Herangehensweise an das Geliebtwerden ist kaum möglich. Eine Sicherung, sich in der angebotenen Liebe auch sicher zu fühlen - die Betonung liegt auf fühlen - ist kaum vorhanden. Derjenige, auf welchen diese Person hilflos reagiert - nennen wir ihn einfach mal Bezzie - tut das einzig Richtige, um z.B. die Frau, welche sich im Grunde für nicht liebenswert hält, für sich und seine Zwecke zu missbrauchen. Er belügt sie, und glaube mir Elisa, ich habe den schrecklichen Verdacht, viele Frauen spüren, dass sie belogen werden. Somit ist der Bezzie paradoxerweise ehrlich zu ihr. Er lügt, was seine Liebe zu ihr angeht und das stimmt exakt mit der Erwartungshaltung der Frau überein. Wohlgemerkt, das ganze scheint mir überwiegend auf der unbewussten Ebene abzulaufen. Es herrscht also eine fatale Übereinstimmung zwischen Betrüger und Betrogener. Das scheint mir auch zu erklären, wieso man sich nachher fragt, wie konnte das passieren? Es kommt niemand der Gedanke, dass er unbewusst betrogen werden wollte, so wie z.B. in der Kindheit. Wäre ja auch unlogisch oder.......
Es ist etwas anderes, das Risiko zu suchen, als den Ruin. Denn ein solches Spiel geht immer schlecht aus. Übrigens, meiner Meinung nach auch für den Betrüger!! Seinen Hass auf die Mutter an wildfremden ungeliebten Frauen auszulassen, mit dem Begriff Liebe zu hantieren wie ein Kleinkind mit einer Handgranate. Das, was da so perfekt und charmant rüberkommt, ist so armselig und auch für den Betrüger komplette Zeitverschwendung. Er wird alt und kalt und muss alle Spiegel abhängen. Er spukt als Untoter durch das Leben wie Dracula (die Figur ist aus psychodynamischer Sicht ein Selbstporträt von Bram Stoker).
Zurück zur Gier. Also ist die Anziehung, die übrigens das Opfer und der Täter füreinander empfinden, für beide eine Schädigung ihrer Person. Um es trotzdem zu tun, müssen beide meiner Meinung nach ein vordergründiges Motiv für ihr Tun entwerfen. Das ist bei ihr der schöne und/oder junge Orientale (obwohl er das so eigentlich nicht ist) und bei ihm der materielle Vorteil, den er aus der Projektion schlagen kann. Beide halten das für eine Erlösung aus ihrem unglücklichen Leben und wollen einfach nur besitzen anstatt zu lieben. Und schon haben wir die Gier anstelle der Liebe installiert. Glaube mir, die Bezzies arbeiten mit der Light Version dieses Programms. Wie gesagt, was sie nicht wissen, ist lediglich, dass sie ebenfalls schweren Schaden erleiden bei diesem unsinnigen Zeitvertreib. Was, wenn die Jungs eines Tages vor Allah stehen und der sie fragt was sie im Leben getan haben, und die müssen antworten: " Ich habe 18 europäische Frauen ausgenommen."
Zurück zu meinem Suchtpotential: ich habe vor gut 2 Jahren mit dem Kiffen aufgehört. Ich hatte es einfach satt und wollte endlich wieder einen klaren Kopf haben. Da ich jahrelang das Gras mit Tabak vermischte, hatte ich mir somit die Nikotinsucht angeeignet und rauche seitdem Zigaretten. Nun bin ich das aber auch leid und will einfach mal frei sein und meiner Lunge etwas Erholung gönnen. Obwohl ich nicht viel rauche, schaffe ich es nicht, länger als ein paar Tage darauf zu verzichten. Mir ist schon klar, dass das Rauchen mein Belohnungzentrum aktiviert und ich irgendein anderes Mittel finden muss, um den Belohnungsmechanismus auszulösen. Ich will jedoch nicht nur in eine andere Sucht abrutschen (Alkohol, stundenlanges Surfen im Internet, mich in den nächstbesten Typen verlieben und mich dabei selbst verlieren etc.). Mein Suchtpotential ist groß, und ich kenne mittlerweile sehr genau meine Schwachstellen, bei denen ich "suchtgefährdet" bin. Ich kämpfe und kämpfe und habe doch manchmal das Gefühl, dass ich nicht gewinnen kann.
Deshalb, liebe Charlotte, hast du meinen größten Respekt für deine Leistung, deine Sucht besiegt zu haben und keine Sucht im Hinblick auf ein Helfersyndrom entwickelt zu haben. Das ist meiner Meinung nach auch eine Sucht: die Sucht, gebraucht zu werden. Ich denke, du hast in deinem Umgang mit Elke und ihrem Bezzie sehr klug gehandelt und nie aus den Augen verloren, dass du dich selbst schützen musst. Vielen Dank für deine geistreichen, inspirierenden, erschütternden, gnadenlosen und doch warmherzigen Posts.
LG,
Elli
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charlotte_
- Beiträge: 83
- Registriert: 25.06.2010, 11:34
... vorab etwas zum Thema Disziplin und Willensstärke
Guten Abend an alle aus dem abendlichen Ungarn,
ich danke allen für's Lesen und Reflektieren und vor allem denen, die an ihren Reflektionen teilhaben lassen, indem sie schreiben.
Bevor ich auf die einzelnen Anregungen und Fragen eingehe, ist es mir ein Bedürfnis, folgendes aus meinem Blickwinkel darzustellen.
Vorsichtshalber wiederhole ich: Es ist mein Blickwinkel. Es ist meine Überzeugung:
Ein stark suchgefährdeter Mensch – egal - von welcher Sucht er gerade sein Leben bestimmen lässt:
Essen, Nikotin, Medikamente, Cannabisprodukte, Halluzinogene, Kokaprodukte, Opiate, Designerdrogen, Arbeiten, Konsumieren, Spielen, Co – Abhängigkeit, Fernsehen, PC, Sexualität, Zwanghaftes kriminelles Sexualverhalten, Putzen und nach meiner Meinung auch von einem Bezness … und sicherlich noch vieles mehr an Möglichkeiten –
ist weder disziplinlos noch willensschwach.
Jedes Leben erfordert seine eigene Disziplin und den eigenen Willen.
Setze ich als Beispiel eine Frau: Verheiratet, toller Mann, zwei Kinder, Beruf, wundervolle Ehe, untadelige Kinder, kleines Häuschen, schöner Garten – alles prima.
Und stelle als Vergleich eine Frau: Geschieden, zwei Kinder, Arbeit suchend, gerademal zureichende Wohnung, - nicht alles Kacke aber vieles nicht besonders Klasse – und am Telefon und im Chat regelmässig ein Bezness.
Die Disziplin der ersten Frau wird – obzwar nicht ganz- aber immerhin weitgehend vom Rahmen getragen, in dem sie lebt. Ist sie mal – wie es so schön genannt wird, so richtig undiszipliniert, bleibt der Abwasch stehen oder die Wäsche hängt drei Tage auf der Leine.
Bei der anderen steht auch ein Rahmen, der sie schiebt und es kostet schon Disziplin und Willenskraft an jedem Morgen aufzustehen und die Kinder in die Schule zu schicken.
Sie muss sich in jedem Moment, bei jedem Atemzug, gegen das Karussell in ihrem Kopf drehen und gegen den Gedanken an diesen Bezness wehren.
Das kommt mMn dem Versuch gleich, in einem stürmischen Meer einen Ball unter dem Wasserspiegel zu halten.
Sich der Aufgaben des Tages zu stellen- in so einem Zustand, bedeutet ungefähr … ein Violinkonzert fehlerfrei spielen zu sollen – neben einem Dutzend in Betrieb genommener Presslufthämmer.
Was die Art der - bei beiden Frauen ohne Zweifel unbedingt vorhandenen - Disziplin und Willensstärke, unterscheidet – sind die Rahmenbedingungen.
Dabei ist es vollkommen wurscht, dass die eine niemals einem Bezness verfallen würde und die andere eben in so einem Netz hängt –
oder die eine den Ehemann der anderen sowieso niemals hätte haben wollen und ein Haus mit Garten gar nicht zu ihrer Lebensplanung gehört.
Die Frau ohne Arbeit könnte auch berufstätig sein oder von mir aus arbeitsunwillig.
Nehme ich eine Frau als Beispiel her, die mit einer Kleidergrösse über 38 nie Bekanntschaft gemacht hat, weil sie essen kann was sie will und suche den Vergleich zu mir – früher-
unterscheidet uns nicht die Disziplin und nicht die Willenskraft, sondern lediglich der Anspruch ans Essen.
Während die Immerwährendschlanke isst was sie braucht/will und so viel sie braucht/will und wann sie will/muss – habe ich damals nichts anderes gemacht – ich habe gegessen
was ich brauchte/wollte,
wie viel ich brauchte/wollte
und
wann ich wollte/musste.
Die Disziplin, die ich aufwenden musste, um mich vom stets durchgesessenen Sofa hochzuziehen und ins Bad zu schleppen und nicht einfach auch noch in die Hose zu machen,
kann die schlanke Frau nicht mal nachempfinden, es sei denn, sie liefe täglich einen Marathon.
Was ich sagen will:
Niemand sollte sich einreden lassen - es fehle ihm Disziplin und/oder Willenskraft.
Die, die nicht in die Norm der anderen passen, haben andere Entwicklungsstufen durchlebt und/oder welche ausgelassen- sie wurden dazu gebracht, welche auszulassen.
Elternhaus, soziale Wurzeln – dort beginnen die Entwicklungsphasen --------->
Was ein Mensch aber z.B. im Alter von 15-18 nicht an Entwicklung erlebt hat, fehlt ihm später.
Niemand kann mit 45 nachholen, was er mit 18 nicht begriffen hat.
Er kann es nachbegreifen – aber es wird in seinem Leben nicht mehr an der Stelle landen, wo es hingehört – zwischen 15 und 18.
Wenn jemand nur den Buchstaben e nie gelernt hat, kann er nicht lesen und nicht für die Gemeinschaft verständlich schreiben.
Nur der winzige Buchstabe e macht aus, inwieweit er kommunikativ sein kann.
Was haben wir nicht alles und alle– aus welchem Grund auch immer- an Entwicklungen versäumt und was davon haben wir - mit unglaublicher Disziplin nachgelernt- nachbegriffen und eingeordnet in unser Leben -an andere -als dafür vorgesehene Stellen?
Jeder für sich, jeder mit sich, jeder auf seine Weise.
Die verheiratete Frau von oben ebenso wie die mit ihrem Bezness, die Ewigschlanke ebenso wie alle Dicken – üben sich täglich in Disziplin und Willenstärke – jede/r auf seine Weise.
Das ist meine Überzeugung und ich gehe soweit:
Wenn wir uns das gegenseitig zubilligen, verstehen wir mehr voneinander und respektieren die Leben der anderen. Das heisst nicht kritiklos sein zu sollen – zuvörderst nicht sich selbst gegenüber.
herzlich
charlotte
ich danke allen für's Lesen und Reflektieren und vor allem denen, die an ihren Reflektionen teilhaben lassen, indem sie schreiben.
Bevor ich auf die einzelnen Anregungen und Fragen eingehe, ist es mir ein Bedürfnis, folgendes aus meinem Blickwinkel darzustellen.
Vorsichtshalber wiederhole ich: Es ist mein Blickwinkel. Es ist meine Überzeugung:
Ein stark suchgefährdeter Mensch – egal - von welcher Sucht er gerade sein Leben bestimmen lässt:
Essen, Nikotin, Medikamente, Cannabisprodukte, Halluzinogene, Kokaprodukte, Opiate, Designerdrogen, Arbeiten, Konsumieren, Spielen, Co – Abhängigkeit, Fernsehen, PC, Sexualität, Zwanghaftes kriminelles Sexualverhalten, Putzen und nach meiner Meinung auch von einem Bezness … und sicherlich noch vieles mehr an Möglichkeiten –
ist weder disziplinlos noch willensschwach.
Jedes Leben erfordert seine eigene Disziplin und den eigenen Willen.
Setze ich als Beispiel eine Frau: Verheiratet, toller Mann, zwei Kinder, Beruf, wundervolle Ehe, untadelige Kinder, kleines Häuschen, schöner Garten – alles prima.
Und stelle als Vergleich eine Frau: Geschieden, zwei Kinder, Arbeit suchend, gerademal zureichende Wohnung, - nicht alles Kacke aber vieles nicht besonders Klasse – und am Telefon und im Chat regelmässig ein Bezness.
Die Disziplin der ersten Frau wird – obzwar nicht ganz- aber immerhin weitgehend vom Rahmen getragen, in dem sie lebt. Ist sie mal – wie es so schön genannt wird, so richtig undiszipliniert, bleibt der Abwasch stehen oder die Wäsche hängt drei Tage auf der Leine.
Bei der anderen steht auch ein Rahmen, der sie schiebt und es kostet schon Disziplin und Willenskraft an jedem Morgen aufzustehen und die Kinder in die Schule zu schicken.
Sie muss sich in jedem Moment, bei jedem Atemzug, gegen das Karussell in ihrem Kopf drehen und gegen den Gedanken an diesen Bezness wehren.
Das kommt mMn dem Versuch gleich, in einem stürmischen Meer einen Ball unter dem Wasserspiegel zu halten.
Sich der Aufgaben des Tages zu stellen- in so einem Zustand, bedeutet ungefähr … ein Violinkonzert fehlerfrei spielen zu sollen – neben einem Dutzend in Betrieb genommener Presslufthämmer.
Was die Art der - bei beiden Frauen ohne Zweifel unbedingt vorhandenen - Disziplin und Willensstärke, unterscheidet – sind die Rahmenbedingungen.
Dabei ist es vollkommen wurscht, dass die eine niemals einem Bezness verfallen würde und die andere eben in so einem Netz hängt –
oder die eine den Ehemann der anderen sowieso niemals hätte haben wollen und ein Haus mit Garten gar nicht zu ihrer Lebensplanung gehört.
Die Frau ohne Arbeit könnte auch berufstätig sein oder von mir aus arbeitsunwillig.
Nehme ich eine Frau als Beispiel her, die mit einer Kleidergrösse über 38 nie Bekanntschaft gemacht hat, weil sie essen kann was sie will und suche den Vergleich zu mir – früher-
unterscheidet uns nicht die Disziplin und nicht die Willenskraft, sondern lediglich der Anspruch ans Essen.
Während die Immerwährendschlanke isst was sie braucht/will und so viel sie braucht/will und wann sie will/muss – habe ich damals nichts anderes gemacht – ich habe gegessen
was ich brauchte/wollte,
wie viel ich brauchte/wollte
und
wann ich wollte/musste.
Die Disziplin, die ich aufwenden musste, um mich vom stets durchgesessenen Sofa hochzuziehen und ins Bad zu schleppen und nicht einfach auch noch in die Hose zu machen,
kann die schlanke Frau nicht mal nachempfinden, es sei denn, sie liefe täglich einen Marathon.
Was ich sagen will:
Niemand sollte sich einreden lassen - es fehle ihm Disziplin und/oder Willenskraft.
Die, die nicht in die Norm der anderen passen, haben andere Entwicklungsstufen durchlebt und/oder welche ausgelassen- sie wurden dazu gebracht, welche auszulassen.
Elternhaus, soziale Wurzeln – dort beginnen die Entwicklungsphasen --------->
Was ein Mensch aber z.B. im Alter von 15-18 nicht an Entwicklung erlebt hat, fehlt ihm später.
Niemand kann mit 45 nachholen, was er mit 18 nicht begriffen hat.
Er kann es nachbegreifen – aber es wird in seinem Leben nicht mehr an der Stelle landen, wo es hingehört – zwischen 15 und 18.
Wenn jemand nur den Buchstaben e nie gelernt hat, kann er nicht lesen und nicht für die Gemeinschaft verständlich schreiben.
Nur der winzige Buchstabe e macht aus, inwieweit er kommunikativ sein kann.
Was haben wir nicht alles und alle– aus welchem Grund auch immer- an Entwicklungen versäumt und was davon haben wir - mit unglaublicher Disziplin nachgelernt- nachbegriffen und eingeordnet in unser Leben -an andere -als dafür vorgesehene Stellen?
Jeder für sich, jeder mit sich, jeder auf seine Weise.
Die verheiratete Frau von oben ebenso wie die mit ihrem Bezness, die Ewigschlanke ebenso wie alle Dicken – üben sich täglich in Disziplin und Willenstärke – jede/r auf seine Weise.
Das ist meine Überzeugung und ich gehe soweit:
Wenn wir uns das gegenseitig zubilligen, verstehen wir mehr voneinander und respektieren die Leben der anderen. Das heisst nicht kritiklos sein zu sollen – zuvörderst nicht sich selbst gegenüber.
herzlich
charlotte
Das Leben schreibt seine Rechnungen und will sie bezahlt haben. Offenbar zahlt der Mensch, ohne sich bewusst zu machen, es ist seine Lebenszeit, die ihm aufgerechnet wird, und nimmt unbedacht in Kauf, sein Glück hergeben zu müssen. (ACR)
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steckchen
- Beiträge: 1633
- Registriert: 01.08.2008, 18:03
Re: ... späte Erkenntnis ... nach etwa 10 Jahren ...
Sorry,Beitrag war doppelt.
Zuletzt geändert von steckchen am 01.07.2010, 09:12, insgesamt 3-mal geändert.
Die Liebe vernachlässigt diejenigen am meisten, die ihrer am meisten bedürfen.
(Madame de Rosemonde im Film: Gefährliche Liebschaften (Regie: Stephen Frears) 1988
(Madame de Rosemonde im Film: Gefährliche Liebschaften (Regie: Stephen Frears) 1988
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charlotte_
- Beiträge: 83
- Registriert: 25.06.2010, 11:34
Re: ... späte Erkenntnis ... nach etwa 10 Jahren ...
Guten Abend Canim,
und alle anderen,
Der Zustand ist für jemand, der soetwas nicht erlebt hat, nicht zu verstehen. Wie Du es geschafft hast, am nächsten Morgen Dein Tagwerk zu beginnen- verlangt höchsten Respekt ab.
Stimmt!
Ich lese es hier oft: Die Erkenntnis, er ist ein Bezness, wird durchaus schnell gefunden (entspricht dem Aufstehen) - aber aber aber - das Bedürfnis, dies unbedingt überprüfen zu wollen, (also noch mal setzen) treibt dann erst richtig in das als aufgespannt erkannte- Netz.
Das ist wunderbar!
Grüsse sie von mir bitte.
Herzlich
charlotte_
und alle anderen,
@Canim, das ist grausam, das kann ich nachempfinden.Canim hat geschrieben:Meine Beznessgeschichte liegt mehr als 12 Jahre zurück, da gab's noch keine Handy's bzw. man konnte sie sich noch nicht leisten. Ich habe monatelang Abend für Abend das Haus kaum verlassen, ich könnte ja einen seiner Anrufe verpassen.
Der Zustand ist für jemand, der soetwas nicht erlebt hat, nicht zu verstehen. Wie Du es geschafft hast, am nächsten Morgen Dein Tagwerk zu beginnen- verlangt höchsten Respekt ab.
Man ist gefangen in diesem Kreis aus Selbstverleugnung, Selbstaufgabe
Stimmt!
Genau so wirkt eine Sucht - und ich bin sicher, auszusteigen aus diesem elenden Kreislauf - ist ungemein schwerer gewesen- als jeden Abend auf einen Anruf zu warten. Der Mut ist der erste Schritt der Selbstbesinnung, denke ich - was danach gefordert ist- sind Kraft und das Vermögen durchzuhalten. Aufstehen ist relativ leicht, stehenbleiben macht es schwierig.und es erstaunt mich noch heute, wie ich mich derart manipulieren lassen konnte, dass ich fast mein komplettes Selbst aufgegeben habe. Auch ich mußte erst ganz unten sein, gedemütigt, bedroht, verletzt, bis ich endlich den Mut fand, mich zu lösen.
Ich lese es hier oft: Die Erkenntnis, er ist ein Bezness, wird durchaus schnell gefunden (entspricht dem Aufstehen) - aber aber aber - das Bedürfnis, dies unbedingt überprüfen zu wollen, (also noch mal setzen) treibt dann erst richtig in das als aufgespannt erkannte- Netz.
[/quote]Das läßt mich meine stark übergewichtige Schwester, die sich sicher auch selbst verleugnet, weil sie immer noch sagt, ihr geht es gut, ein wenig besser verstehen.
Das ist wunderbar!
Grüsse sie von mir bitte.
Herzlich
charlotte_
Das Leben schreibt seine Rechnungen und will sie bezahlt haben. Offenbar zahlt der Mensch, ohne sich bewusst zu machen, es ist seine Lebenszeit, die ihm aufgerechnet wird, und nimmt unbedacht in Kauf, sein Glück hergeben zu müssen. (ACR)
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charlotte_
- Beiträge: 83
- Registriert: 25.06.2010, 11:34
Re: ... späte Erkenntnis ... nach etwa 10 Jahren ...
Hallo Janine,
Wir alle können uns täglich die Frage stellen, wann wir gestern jemandem den Arm gereicht haben und ihn ein Stück getragen, mit unserem Wissen, unseren Erfahrungen gehalten und mit unserer Liebe getröstet haben.
Wie kompensierst Du das?
Wie gehst Du damit um, am grossen Rad zu drehen und doch nur kleine Millimeterchen vorankommen zu können?
herzlich
charlotte_
Ich würde es gern anders formulieren: In unserer Zeit aber auch schon früher war und ist Sucht eine Suche ............. nach .......... u.a. auch Liebe.JanineNi hat geschrieben: dass wir beachten sollten, dass in unserer Gesellschaft Suchtverhalten genau das ist, was der Name schon sagt: Die Sucht nach ....... meistens Liebe.
Tarnen? ich weiss nicht, wir gleichen aus, ersetzen, füllen auf was mit dem Orginal nicht gefüllt ist- denke ich.wir tarnen es mit Alk, Zigaretten, Essen, Tabletten.
Das kann ich so nicht bestätigen, hiesse es doch im Umkehrschluss, dass die Interesse der Bezness in Tunesien und anderswo - an Europäerinnen - legitim ist.Im Grunde einsam und alleine ist es doch das Suchen nach etwas, was in Europa selten geworden ist: Dem Interesse am Andern
Auch das kann ich so nicht bestätigen - es ist überall auf der Welt verbreitet.In anderen Ländern geht das nicht so einfach.
Das ist wahrlich eine Frage der ganzen Gesellschaft - aber aber aber, die besteht aus jedem einzelnen Menschen- auch aus Dir und mir und Paul und Hans und Minna und Gretl.Hier brauchen wir nur morgens wieder an der Arbeit zu erscheinen, wenn auch ein bisschen dicker , wenn auch mit Restalkohol. Da wird dann höchstens gelästert. Geholfen oder gefragt wird kaum. Es könnte ja peinlich sein.
Wir alle können uns täglich die Frage stellen, wann wir gestern jemandem den Arm gereicht haben und ihn ein Stück getragen, mit unserem Wissen, unseren Erfahrungen gehalten und mit unserer Liebe getröstet haben.
Das glaube ich unbesehen und so wirst Du auch erfahren haben, wie es ist, wenn Du helfen willst und kannst - und im Ergebnis hast Du nichts ausrichten können - manchmal- oftmals- oder nur gelegentlich.Ich kenne das, ich habe selber in einer Tagesklinik gearbeitet, ehrenamtlich. Das hat mir einiges gezeigt.
Wie kompensierst Du das?
Wie gehst Du damit um, am grossen Rad zu drehen und doch nur kleine Millimeterchen vorankommen zu können?
herzlich
charlotte_
Das Leben schreibt seine Rechnungen und will sie bezahlt haben. Offenbar zahlt der Mensch, ohne sich bewusst zu machen, es ist seine Lebenszeit, die ihm aufgerechnet wird, und nimmt unbedacht in Kauf, sein Glück hergeben zu müssen. (ACR)
-
charlotte_
- Beiträge: 83
- Registriert: 25.06.2010, 11:34
Re: ... späte Erkenntnis ... nach etwa 10 Jahren ...
Hallo Micky und alle anderen,
Aber gut, das gehört eben auch dazu ... schliesslich habe ich das Thema begonnen.
Also in Kurzform:
Sterben wäre einfach gewesen. Die Möglichkeiten kenne ich alle und hätte sie auch gehabt.
Aber
aber
aber
wie bekommt man mich danach aus dem Haus - hatte ich mich gefragt und wollte meinem kleinen Sohn ersparen, sich zeitlebens daran zu erinnern, wie seine Mutter mit dem Gabelstapler durch das Fenster gehoben werden musste.
Also ausser Haus.
Baum und Seil ? Unmöglich!
Alles weitere an meinen damaligen Gedanken will ich nicht näher erörtern.
Ich kam auf die Idee - eine Brücke.
Mit meinem Gewicht eine im wahrsten Sinne des Wortes- eine todsichere Sache.
Wie ich zur Brücke kam, lasse ich aus - ich stand dort
am Geländer
mein Busen/Bauch berührte es
meine Füsse standen aber noch einen knappen Meter vom Geländer entfernt.
Ich kam nicht drüber.
In mir reifte der trotzige Zorn, von dem ich schon berichtet habe, und ich nahm mir vor, soviel abzunehmen, dass ich meinen Bauch übers Geländer legen kann, wenn ich eine kleine Fussbank hinstelle --------- und dann -------------->
Lebensunfähigkeit stimmt eher.
Ich konnte nichts mehr, nicht mal mehr lesen - mein Bauch war so umfangreich, dass meine Arme zu kurz waren, um ein Buch zu halten - und meine Busen waren im Wege, um es auf den Tisch zu legen.
Ich konnte halbsitzend liegen, fernsehen und essen - ich merkte mein sonst reger Geist wurde auch fett - das wollte ich nicht auch noch bei mir beobachten müssen.
Ausserdem war ich überzeugt, ich befreie meinen Mann und meinen Sohn von einer Last.
Späterhin hatte ich mein Leben nicht mehr satt, ich hatte begonnen das sinnvollste zu tun, was ich bis dahin jemals gemacht hatte - ich habe mich auf mich besonnen und mich mit mir beschäftigt - und mich Stück für Stück (oder Kilo für Kilo?) begonnen zu verstehen, indem ich mich nicht mehr belogen habe.
Essen hat mMn etwas mit verschlucken, herunterschlucken zu tun ----------- auch psychologisch.
Mal abgesehen davon, bin ich immer empört gewesen und bin es auch noch, wenn ich sowas höre, wie Mobby Dick oder wenn es um Kleidung ging - Mobby Schick oder Miss Piggy .... also wem man helfen will, sollte man nicht beleidigen. Das war und ist für mich immer so eine Angelegenheit, bei der ich am Verstand, an der Empathie der Leute zweifle, die sich solche Namen ausdenken, aber behaupten, sie verstünden etwas von der Materie.
Dazu gehörte auch Elke- die hatte eins.
Aber ernsthaft: Das klingt jetzt sicherlich ein bissel dämlich, doch so in ein paar Zeilen gepresst, gelingt es mir wahrscheinlich nicht, auszudrücken was ich denke: Wir haben heutzutage einen solchen input, so unglaubliche viele Eindrücke stürzen auf uns ein, wir leben dazu auch noch wesentlich länger als die Menschen noch vor 100 Jahren.
Bei aller Entwicklung unseres Organismus über die Evolutuion hinweg,
"gemacht" sind wir Menschen in unserem Grundmuster eben nicht für alles und alle Menschen sind nun mal nicht gleich. Aber alle Menschen müssen zusammen leben - wir können gar nicht mehr autark leben- das bringt nicht nur Konflikte, sondern unterschiedliche Anpassungs- und Entwicklungstempi und - stationen.
Das alles und noch mehr verarbeitet jeder Mensch auf seine Weise und
sucht
nach seinem Weg zu seinen Zielen in seiner eigenen Wertvorstellung.
Dabei abzutrifften, umzukippen, sich zu verlaufen, ist nicht schwer.
Alle, die wir unsere mobilen Bündel des Lebens mit uns herumtragen, sind wir nicht auf einem, sondern auf unserem Weg und dennoch in guter Gesellschaft zu anderen, die nicht weniger und nicht mehr "wert" sind als wir selbst.
Das weiss ich nicht, ich glaube es aber auch nicht.
Ich glaube, Abhängigkeit ist genau die richtige Eingangstür für eine Sucht.
Als ich mich so halbwegs wieder generell bewegen konnte, aber nicht mehr gegessen habe, musste ich trotzdem immer etwas mit Essen machen. Ich kann von Haus aus genial kochen und so begann ich zu kochen - und zwar so viel Verschiedenes, dass mein Ehemann entzückt war, aber niemand alles essen konnte. Also habe ich alles eingefroren, was zur Folge hatte, wenn die Kühltruhe voll war, musste sie erst leer gegessen werden, damit ich wieder kochen konnte.
Aber nach ein paar Kühltruhenumwälzaktionen war auch das überstanden.
Mein Ersatzsucht war der Sport. Ich habe Kraftsport gemacht - das Ziel: charlotte wird schön.
Aufgehört habe ich damit erst ( also mit dem Sport- nicht mit dem Schön-sein
) als ich nach Ungarn ging.
Aber hier lebe ich anders. Ich muss für mein Essen was tun, anbauen, zu Bauern laufen und etwas einkaufen, uvm.
Einem Bezness nicht mehr zu folgen, nicht mehr zu antworten auf seine sms, nicht mehr zu mailen, nicht mehr zu telefonieren, heisst ja nicht automatisch, man hat ihn vergessen - da fängt der kalte Entzug erst an- denke ich.
Gleichermassen bedeutet- das Essen einzustellen nicht, sofort die erreichbare Figur zu haben. Die Qual wird erstmal grösser, die Sucht ist noch voll in Betrieb aber man lässt ihr nicht mehr den Raum, den sie vorher hatte - soll heissen, mit jedem Wimpernschlag auch Kraft aufwenden ----> zusätzlich zu vorher.
Man lebt noch lange in genau dem Elend weiter, das man gerade dabei ist abzuarbeiten- wegzuarbeiten.
Herzlichst
charlotte_
Boah, jetzt fragst Du mich etwas. Ich musste echt erst einmal überlegen, ob ich DAS beantworten will. (***Schweissabwisch)Micky1244 hat geschrieben:Warst du damals schon so stark eingeschränkt, dass du dich nicht mehr allein bewegen konntest?
Aber gut, das gehört eben auch dazu ... schliesslich habe ich das Thema begonnen.
Also in Kurzform:
Sterben wäre einfach gewesen. Die Möglichkeiten kenne ich alle und hätte sie auch gehabt.
Aber
aber
aber
wie bekommt man mich danach aus dem Haus - hatte ich mich gefragt und wollte meinem kleinen Sohn ersparen, sich zeitlebens daran zu erinnern, wie seine Mutter mit dem Gabelstapler durch das Fenster gehoben werden musste.
Also ausser Haus.
Baum und Seil ? Unmöglich!
Alles weitere an meinen damaligen Gedanken will ich nicht näher erörtern.
Ich kam auf die Idee - eine Brücke.
Mit meinem Gewicht eine im wahrsten Sinne des Wortes- eine todsichere Sache.
Wie ich zur Brücke kam, lasse ich aus - ich stand dort
am Geländer
mein Busen/Bauch berührte es
meine Füsse standen aber noch einen knappen Meter vom Geländer entfernt.
Ich kam nicht drüber.
In mir reifte der trotzige Zorn, von dem ich schon berichtet habe, und ich nahm mir vor, soviel abzunehmen, dass ich meinen Bauch übers Geländer legen kann, wenn ich eine kleine Fussbank hinstelle --------- und dann -------------->
Todeswunsch trifft die emotionale Situation nicht.Ich habe es so verstanden, dass sich dein Todeswunsch mit schwindendem Gewicht verflüchtigte.
Lebensunfähigkeit stimmt eher.
Ich konnte nichts mehr, nicht mal mehr lesen - mein Bauch war so umfangreich, dass meine Arme zu kurz waren, um ein Buch zu halten - und meine Busen waren im Wege, um es auf den Tisch zu legen.
Ich konnte halbsitzend liegen, fernsehen und essen - ich merkte mein sonst reger Geist wurde auch fett - das wollte ich nicht auch noch bei mir beobachten müssen.
Ausserdem war ich überzeugt, ich befreie meinen Mann und meinen Sohn von einer Last.
Späterhin hatte ich mein Leben nicht mehr satt, ich hatte begonnen das sinnvollste zu tun, was ich bis dahin jemals gemacht hatte - ich habe mich auf mich besonnen und mich mit mir beschäftigt - und mich Stück für Stück (oder Kilo für Kilo?) begonnen zu verstehen, indem ich mich nicht mehr belogen habe.
Ja, kenne ich auch, kurz vor dieser Etappe wollte ich damals eben aussteigen. Ich wog weit mehr als 200 Kilogramm, laufen konnte ich meine Art der Fortbewegung nicht mehr nennen.Meine Tochter, die als Physiotherapeutin in einem Krankenhaus arbeitet, erzählt immer wieder von Patienten, die auf Grund ihres riesigen Gewichtes sich nicht mehr selbstständig bewegen können.
Ich habe dazu eine sehr eigenwillige Meinung: Essen ist nicht der Ausgangspunkt, sondern es muss der Grund gefunden werden, warum jemand isst - statt etwas anderes zu machen- z.B. zu reden.Ich habe erlebt, dass Schüler schon in ihrer Grundschulzeit immer korpulenter wurden, es gab verschiedene Versuche, diese Entwicklung zu stoppen, alles vergeblich. Kuren, Moby Dick ( in Hamburg ein Programm für übergewichtige Kinder), Betreuung durch soziale Dienste, nichts brachte einen dauerhaften Erfolg.
Essen hat mMn etwas mit verschlucken, herunterschlucken zu tun ----------- auch psychologisch.
Mal abgesehen davon, bin ich immer empört gewesen und bin es auch noch, wenn ich sowas höre, wie Mobby Dick oder wenn es um Kleidung ging - Mobby Schick oder Miss Piggy .... also wem man helfen will, sollte man nicht beleidigen. Das war und ist für mich immer so eine Angelegenheit, bei der ich am Verstand, an der Empathie der Leute zweifle, die sich solche Namen ausdenken, aber behaupten, sie verstünden etwas von der Materie.
Sie sich selbst vielleicht irgendwann.Ein Mädchen ist mir in Erinnerung, auf jeder Klassenkonferenz war ihr Gewicht ein Thema, morgens sah ich sie auf dem Weg zur Schule, an beiden Händen Plastiktüten mit Knabberzeug und Chips tragend. Ihre Kleidung erinnerte an den Überwurf, den meine Mutter.für ihre fußbetriebene Nähmaschine angefertigt hatte. Sie tat mir unendlich Leid, aber ich hatte nie das Gefühl, dass irgend jemand sie noch erreichen konnte.
Ja, wir Menschen sind so, wir sehen die Katastrophe und denken, sie sei aus Licht gemacht.Genauso wenig habe ich bei stark adipösen Erwachsenen in meinem Umfeld miterlebt, dass eine Umkehr gelang. Trotz Diabetes, Bluthochdruck etc.
Wer das richtig beherrscht, wird davon auch nicht beeindruckt. Ich kenne allerhand Leute mit Magenband und regelmässiger Zunahme.Allenfalls mit Magenband gelang eine Gewichtsreduktion.
Dazu gehörte auch Elke- die hatte eins.
Alles!Was alles kann zur Sucht werden?
Ja, ich denke, wir tauschen aus - eine alte Frau hat mir einmal gesagt, die Summe aller Sünden sei gleich. Manchmal denke ich an sie.Bei alkoholabhängigen Menschen ist oft zu beobachten, dass , wenn sie trocken sind, Kaffee und Zigaretten in hohem Maß konsumiert werden.
Ich habe mit dem Rauchen aufgehört-- und esse dafür mehr. Es schmeckt einfach wieder besser. Also, eine Sucht wird durch eine andere ersetzt.
Aber ernsthaft: Das klingt jetzt sicherlich ein bissel dämlich, doch so in ein paar Zeilen gepresst, gelingt es mir wahrscheinlich nicht, auszudrücken was ich denke: Wir haben heutzutage einen solchen input, so unglaubliche viele Eindrücke stürzen auf uns ein, wir leben dazu auch noch wesentlich länger als die Menschen noch vor 100 Jahren.
Bei aller Entwicklung unseres Organismus über die Evolutuion hinweg,
"gemacht" sind wir Menschen in unserem Grundmuster eben nicht für alles und alle Menschen sind nun mal nicht gleich. Aber alle Menschen müssen zusammen leben - wir können gar nicht mehr autark leben- das bringt nicht nur Konflikte, sondern unterschiedliche Anpassungs- und Entwicklungstempi und - stationen.
Das alles und noch mehr verarbeitet jeder Mensch auf seine Weise und
sucht
nach seinem Weg zu seinen Zielen in seiner eigenen Wertvorstellung.
Dabei abzutrifften, umzukippen, sich zu verlaufen, ist nicht schwer.
Alle, die wir unsere mobilen Bündel des Lebens mit uns herumtragen, sind wir nicht auf einem, sondern auf unserem Weg und dennoch in guter Gesellschaft zu anderen, die nicht weniger und nicht mehr "wert" sind als wir selbst.
Gibt es überhaupt ein suchtfreies Leben?
Das weiss ich nicht, ich glaube es aber auch nicht.
Kann alles, wovon wir abhängig sind, Suchtcharakter annehmen?
Ich glaube, Abhängigkeit ist genau die richtige Eingangstür für eine Sucht.
Bitte verstehe mich nicht anders als ich es meine, aber diese Frage möchte ich nicht beantworten. Das wird eine ellenlange Diskussion, die mMn nur Irritationen bringt.Ist eventuell jede Sucht Ausdruck einer Depression, eines Todeswunsches?
Ich lache gerade in Erinnerung an mein früheres Süchtlein schallend.Gibt es auch ein Süchtlein, das heißt die Möglichkeit, die Sucht zu beherrschen und klein zu halten, ohne dass die nächste Sucht das Vakuum besetzt?
Als ich mich so halbwegs wieder generell bewegen konnte, aber nicht mehr gegessen habe, musste ich trotzdem immer etwas mit Essen machen. Ich kann von Haus aus genial kochen und so begann ich zu kochen - und zwar so viel Verschiedenes, dass mein Ehemann entzückt war, aber niemand alles essen konnte. Also habe ich alles eingefroren, was zur Folge hatte, wenn die Kühltruhe voll war, musste sie erst leer gegessen werden, damit ich wieder kochen konnte.
Aber nach ein paar Kühltruhenumwälzaktionen war auch das überstanden.
Mein Ersatzsucht war der Sport. Ich habe Kraftsport gemacht - das Ziel: charlotte wird schön.
Aufgehört habe ich damit erst ( also mit dem Sport- nicht mit dem Schön-sein
Aber hier lebe ich anders. Ich muss für mein Essen was tun, anbauen, zu Bauern laufen und etwas einkaufen, uvm.
Ich weiss nicht, ob es gut ist, wenn ich es so direkt schreibe, aber ich kann es nicht anders: Ich denke, man muss den Dreck seines eigenen Daseins fressen, bevor man aus einer richtig manifesten Sucht heraus findet. Denn denn denn, der Entschluss, der Wille, der Beginn ---daraus---- setzt ja die Sucht und deren Folgen nicht aus., wenn ein suchtkranker Mensch kurz vor dem point of no return angekommen ist und es ihm gelingt, das Steuer im letzten Moment herumzureißen.
Einem Bezness nicht mehr zu folgen, nicht mehr zu antworten auf seine sms, nicht mehr zu mailen, nicht mehr zu telefonieren, heisst ja nicht automatisch, man hat ihn vergessen - da fängt der kalte Entzug erst an- denke ich.
Gleichermassen bedeutet- das Essen einzustellen nicht, sofort die erreichbare Figur zu haben. Die Qual wird erstmal grösser, die Sucht ist noch voll in Betrieb aber man lässt ihr nicht mehr den Raum, den sie vorher hatte - soll heissen, mit jedem Wimpernschlag auch Kraft aufwenden ----> zusätzlich zu vorher.
Man lebt noch lange in genau dem Elend weiter, das man gerade dabei ist abzuarbeiten- wegzuarbeiten.
Herzlichst
charlotte_
Das Leben schreibt seine Rechnungen und will sie bezahlt haben. Offenbar zahlt der Mensch, ohne sich bewusst zu machen, es ist seine Lebenszeit, die ihm aufgerechnet wird, und nimmt unbedacht in Kauf, sein Glück hergeben zu müssen. (ACR)