Hier der Entlassungsbericht der Kinderinternierungsanstalt Tipi - eine private Organisation, die pro Kind und Monat ca. 6'000 CHF kassiert hat. In diesem Fall ohne Notwendigkeit, denn es gab zwei Väter und zwei Grosseltern, die bereit standen, für ihre Kinder und Enkel zu sorgen. Man muss diesen Bericht vor diesem Hintergrund lesen und sich vergegenwärtigen, dass diese Leute nicht im geringsten am Wohl eines Kindes interessiert sind - denen geht es darum, ihre eigenen Jobs zu finanzieren und zu sichern. Dafür reissen die Familien auseinander und sperren Kinder ein.
21. Dezember 2012
ALTERNATIVE
Verein für umfassende Suchttherapie
X, geb. TT.11.JJJJ
Abschlussbericht über den Aufenthalt im Kinderhaus TIPI
Aufenthalt vom 31. Mai 2012 bis 30. November 2012
I. Einleitung
Umfassendes Betreuungsangebot
Das Sozialtherapeutische Betreuungsnetz der ALTERNATIVE betreibt für Kinder im Alter von 0 bis ca. 6 Jahren das
Kinderhaus TIPI. Es nimmt rund um die Uhr Kinder in Notfall- und Krisensituationen auf und bietet ihnen einen Lebensraum
und eine Lernwelt auf Zeit. Ebenso werden Kinder, deren Eltern die Therapie im ULMENHOF noch nicht angetreten
oder abgebrochen haben, stationär rund um die Uhr betreut.
Auftrag
Hauptziel der Platzierung im TIPI ist die Sicherung der Entwicklungschancen für das Kind, wenn die kindliche Entwicklung
durch die familiäre Situation beeinträchtigt wird. Der Aufenthalt und die gezielten Interventionen im TIPI basieren
auf einer mehrdimensionalen Diagnostik des kindlichen Entwicklungsstandes mittels der Methodik KOSS (Kompetenzorientierte
Arbeit im stationären Setting).
Das TIPI gewährleistet dem Kind einen befristeten Lebensort, der den kindlichen Entwicklungsbedürfnissen gerecht
wird. Durch das kindgerechte Lebens- und Lernfeld erfahren die Kinder emotionale Zuwendung und soziale Anerkennung.
Sie erleben eine Beruhigung ihres Alltags an einem sicheren Ort, lernen mit unvermeidbaren Stresssituationen im
Alltag umzugehen und gewinnen (wieder) Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Durch neue Beziehungen zu anderen
Kindern und Erwachsenen können sie entwicklungsfördernde Lebenserfahrungen machen und verborgene Möglichkeiten
entdecken. Ein weiteres Ziel ist, dass die Kinder wieder Vertrauen in die Verlässlichkeit von Beziehungen zu Erwachsenen
bekommen.
Der Einbezug der Eltern und die Diagnostik der elterlichen Kompetenzen werden vom TIPI-Team sichergestellt. Im
Zentrum steht immer auch die Arbeit an einer tragfähigen Kind-Eltern-Beziehung, welche die Beteiligung und Mitarbeit
der Eltern an den Entwicklungsprozessen ihrer Kinder einschliesst.
Zur Bearbeitung besonderer Problemstellungen oder traumatischer Erfahrungen und für psychologische Abklärungen
steht für die Kinder eine Einzeltherapie zur Verfügung.
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II. Verlauf
X trat am 31. Mai 2012 zusammen mit ihren beiden jüngeren Schwestern (14 Monate und
2 Monate) ins Kinderhaus TIPI ein. Nach einem Gewaltvorfall zwischen der Mutter und dem Stiefvater
wurden die Kinder durch die stellvertretende Beiständin und die Waisenrätin notfallmässig
ins TIPI gebracht.
Die ersten Wochen wohnte X auf der Gruppe KAYA, verbrachte den Tag zwischen 8.30 Uhr
und 17.00 Uhr aber bei den YUMAs, damit sie Gelegenheit hatte mit gleichaltrigen Kindern zu
spielen. Am 23.06.2012 zügelte sie ganz zu den YUMAs. Wir wollten ihr die Möglichkeit geben,
mit ihren gleichaltrigen „Gschpänli" zusammenzuleben. Für die Besuche der Kindsmutter und des
Stiefvaters kam sie zu den KAYAs, damit die Familie zusammen sein konnte.
Die Mutter besuchte ihre drei Kinder regelmässig zwei Mal pro Woche während drei Stunden. Anfang
August setzte sie die Besuche für 27, Wochen aus, da sie bei ihrer Mutter in Nigeria weilte.
Xs Stiefvater besuchte die Kinder regelmässig am Samstag- und Sonntagnachmittag zwischen
14.00 Uhr und 17.00 Uhr.
X hatte vor ihrem Eintritt ins TIPI den Kindergarten in Altstetten ZH besucht. Damit sie weiterhin
den vertrauten Kindergarten besuchen konnte, organisierte die Beiständin eine Fahrgelegenheit,
zunächst bis zu den Sommerferien. Die Mutter wurde jeden Morgen bei sich zu Hause
abgeholt, fuhr ins TIPI, holte X ab und die Beiden wurden zusammen in den Kindergarten
gefahren. Mittags holte die Mutter X ab und brachte sie mit dem Zug ins TIPI zurück. Jeweils
montags und donnerstags aßen X und ihre Mutter mit der Gruppe zu Mittag und um 14.00
Uhr gingen sie zu den KAYAs und besuchten Xs Schwestern.
Da noch nicht klar war, wann eine Rückplatzierung stattfinden würde, wurde X auch nach
den Sommerferien mit dem Fahrdienst nach Altstetten in den Kindergarten gefahren. X besuchte
im zweiten Kindergartenjahr zwei Mal in der Woche auch nachmittags den Kindergarten.
Die Mutter betreute X in der Mittagszeit und brachte sie nach den Nachmittagsstunden ins
TIPI zurück. Die Besuche der Mutter bei allen drei Kindern fanden neu am Montag- und Freitagnachmittag
statt.
Der Stiefvater besuchte die Kinderweiterhin am Samstag- und Sonntagnachmittag.
In unregelmässigen Abständen bekam X Besuch von ihrem leiblichen Vater. Auch Telefonate
mit ihm fanden statt.
X äusserte immer wieder den Wunsch, nach Hause zu Mama zurückkehren zu wollen. Am
liebsten wollte sie, dass sie alle wieder eine Familie wären, aber dass Mama und Papa (Herr
O.) nicht mehr streiten. Manchmal äusserte sie auch, dass sie glaube, sie würde für immer
im TIPI bleiben müssen. Die ganze Situation war für X schwierig. Sie spürte die Uneinigkeit
der Erwachsenen und befand sich dadurch in einem Loyalitätskonflikt. Nicht zu wissen, wie es
weitergeht, verunsicherte sie zusätzlich.
Aufgrund des Gewaltvorfalls bestand eine 3-monatige gerichtlich angeordnete Kontaktsperre zwischen
Frau LLLL und Herrn O. Herr O. lebte weiterhin in der gemeinsamen Wohnung,
während Frau LLLL vorübergehend bei einer Kollegin wohnen konnte. Geplant war eine adäquate
Lösung für eine Rückplatzierung der Kinder zur Mutter zu finden. Als grosses Problem erwies sich
dabei, eine geeignete Wohnung für Mutter und Kinder zu finden.
Mitte September entschlossen sich Frau LLLL und Herr O. ihrer Beziehung nochmals eine
Chance zu geben. Die Mutter zog in die gemeinsame Wohnung zurück. Aufgrund der veränderten
familiären Situation wurde die Rückplatzierung von X und ihrer beiden Schwestern zu den
Eltern beschlossen. Während zweier Monate wurden die Kinder stufenweise auf das erneute Zusammenleben
mit den Eltern vorbereitet. Die Wochenenden und Besuchstage mit den Eltern während
der Rückplatzierungsphase schienen für die Kinder positiv verlaufen zu sein.
Am 30. November 2012 trat X aus dem Kinderhaus TIP! aus.
1. Gesundheitszustand
X ist ein gesundes Mädchen. Auffallend war, dass X sich wöchentlich am Freitag unwohl
fühlte und kränkelnd wirkte. Es war deutlich zu erkennen, wie sehr es ihr zu schaffen machte,
dass sie nicht nach Hause zu den Eltern konnte und alle anderen Kinder für das Wochenende
abgeholt wurden. Ihre psychische Verfassung spiegelte sich sofort in ihrer Körperhaltung.
2. Entwicklungsstand
X zeigt sich als intelligentes, aufgewecktes Mädchen mit einer schnellen Auffassungsgabe. In
der Fein- und Visuomotorik besitzt X vielfältige Fertigkeiten. Xs Sprache und Wortschatz
sind altersadäquat entwickelt, auch im kognitiven Bereich zeigt sie hohe Kompetenzen.
Demgegenüber scheint die emotionale Entwicklung Xs Schwachpunkt zu sein. X kann
ihre Gefühle sprachlich gut ausdrücken, trotzdem wirkt sie immer wieder bedrückt. Gedanklich
scheint sie viel zu beschäftigen, was sie jedoch selten äussert.
X sucht sehr schnell den Kontakt und die Körpernähe zu anderen Menschen. Dabei macht
sie keinen Unterschied, ob ihr die Menschen bekannt oder unbekannt sind. In diesem Bereich
wirkt sie distanzlos. X geniesst es sehr, wenn man ihr etwas vorliest und sie sich dabei an
einen kuscheln durfte. In ruhigen Momenten erzählte X, wie sie die Gewaltsituationen zu
Hause erlebt hatte und was sie dann gemacht hatte („ich habe mich unter dem Bett versteckt"
oder „ich möchte gerne wieder nach Hause, Mama und Papa dürfen dann nicht mehr streiten").
X suchte sich mit Vorliebe Bilderbücher aus, die mit ihrer Geschichte zu tun haben (Themen
wie Angst, Nein-sagen, Gefühle). Es war ihr dann jeweils ein Bedürfnis, sich und ihre Gefühle mitzuteilen.
Hier wurde deutlich, dass die erlebten Gewaltsituationen sie stark beeinflussen und beschäftigen.
X machte zum Zeitpunkt des Austritts einen stabilen und ausgeglichenen Eindruck.
Sie freute sich, endlich nach Hause zu dürfen. In den letzten Wochen erzählte sie immer
wieder von ihren Befürchtungen, „wenn Mama und Papa wieder streiten". Wir versuchten X
zu unterstützen, indem wir Möglichkeiten aufzeigten, was sie in einer solchen Situation tun könnte.
3. Beziehung zu den Eltern
Beziehung zur Mutter:
Die Mutter spricht vorwiegend englisch oder einen nigerianischen Dialekt mit X. Es entstanden
immer wieder Missverständnisse in alltäglichen Belangen, im Umgang mit X oder auch
den TIPI Mitarbeitenden.
Bei den Besuchen der Mutter standen meist die beiden Kleinen im Vordergrund und X lief
nebenher. Die Mutter liess sich nur für kurze Zeit dazu überreden, sich mit X im Garten spielend
zu bewegen. Animation oder Stimulation für motorische oder verbale Spiele oder Spassmomente
gab es von ihrer Seite her kaum. Sie liess sich auch selten auf Anregungen unsererseits
ein. Es fiel auf, dass die Mutter häufig im Befehlston mit X kommunizierte. Es fiel ihr schwer,
Feinabstimmungen zu machen. Ihr war wichtig, dass das Kind brav war und sich von einer guten,
angepassten und ruhigen Art zeigte. Zuwendung schien X vor allem über ein perfektes Erscheinungsbild
zu bekommen.
Oft schien es so, als ob die Mutter ihre eigenen Bedürfnisse über die ihrer Kinder stellte. Meistens
gab die Mutter, wenn sie gerade ein Kind badete, wickelte oder fütterte, ein oder zwei ihrer Kinder
zur Betreuung an eine Mitarbeitende ab. In den letzten zwei Monaten machten die Mitarbeitenden
Frau LLLL vermehrt darauf aufmerksam, dass sie Strategien finden sollte, allen drei Kindern gerecht
zu werden, da sie in absehbarer Zeit die Kinder wieder bei sich haben würde und keine Mitarbeitenden
vom TIPI mehr da sein würden, um ihr die Kinder abzunehmen.
X äusserte immer wieder, dass sie die Mama vermisse, besonders beim Zubettgehen. Kam
die Mutter zu Besuch, zeigte X zu Beginn ihres Aufenthalts im TIPI wenig Gefühlsregung.
Es gab Besuchsnachmittage an denen X lieber mit den Kindern von der Gruppe YUMA gespielt
hätte. Ihre Mutter zeigte dafür allerdings wenig Verständnis. Nach einiger Zeit und diversen
Gesprächen mit den Mitarbeitenden, gestattete sie ihrer Tochter an Besuchstagen zwischendurch
mit den YUMA-Kindern spielen zu gehen und konnte Xs Bedürfnis respektieren.
Nachdem klar war. dass eine Rückpiatzierung stattfinden wird, zeigte sich bei der Mutter eine
deutliche Veränderung im Umgang mit X. Sie bemühte sich auf X einzugehen, erfragte
ihre Bedürfnisse und bot ihr verschiedene Beschäftigungsmöglichkeiten an. Sie gab auch zu erkennen,
dass sie bei diversen Situationen um unsere fachliche Meinung dankbar war und bat um
Rat. Sie äusserte auch klar, dass die Rückpiatzierung nicht nur mit positiven Gedanken behaftet
sei, sie brachte Ängste und Bedenken an. Die Wochenenden und Besuchstage mit den Eltern
während der Rückplatzierungsphase schienen für X sehr positiv zu verlaufen.
Beziehung zum Vater:
Zwischen X und ihrem Vater schien ein gutes und inniges Verhältnis zu bestehen. Sie freute
sich jedes Mal auf seine Besuche. Man spürte, dass sie eine wichtige Beziehung zueinander haben.
Immer wieder missachtete Herr LLLL jedoch unsere Regeln oder kam nicht zu vereinbarten
Besuchsterminen. Wir besprachen mit X jeweils die nicht wahrgenommenen Besuche. Solche
Situationen schienen ihr bekannt zu sein. Während des gesamten Aufenthalts besuchte der
Vater seine Tochter sieben Mal im TIPI. Der letzte Besuch war am 26.10.2012. Dazwischen gab
es seit Ende Juli keinen Besuch mehr, da Herr LLLL während dieser Zeit in Asien lebte und es ihm
nicht möglich war, seine Tochter zu besuchen. Auch die Telefonate wurden seltener. X fragte
wenig nach ihrem „weissen Papi". Die Telefonate mit ihm verliefen meistens ohne großes Interesse.
X wollte lieber zum Spielen mit den anderen Kindern und wirkte unruhig. Es konnte kein
Gespräch entstehen zwischen den Beiden, meist erschien es wie ein Abfragen seitens Kindsvater
von X.
4. Beziehung zu anderen wichtigen Bezugspersonen
Beziehung zum Stiefvater Herr O.:
X freute sich sehr über die Besuche von ihrem Stiefvater. Es war spürbar, dass eine Beziehung
zwischen den beiden vorhanden ist. X nannte ihn ihren „braunen Papi". Seine Körper-
nähe schien X zu geniessen. Sie äusserte ihm gegenüber auch ihre Gefühle. Dem Stiefvater
gelang es häufig, neben der Betreuung der beiden Kleinen auf Xs Bedürfnisse einzugehen.
Beziehung zu den Geschwistern:
X schien sehr stolz auf ihre beiden kleinen Schwestern zu sein. Sie suchte den Kontakt und
das Spiel mit ihnen, immer wieder sagte sie, „schau wie süss sie ist". Zeitweise vermittelte sie den
Eindruck, als trage sie in ihrer Rolle als grosse Schwester zu viel Verantwortung.
5. Spieltherapie
5.1. Zeitraum: 20.06.2012 bis 31.08.2012
5.2. Infoquellen
Zu Beginn fand ein ausführliches Gespräch mit der zuständigen Bezugsperson statt sowie ein
regelmässiger Austausch mit dem Team YUMA. Auf ein Gespräch mit der Mutter verzichteten wir
aufgrund der sprachlichen Schwierigkeiten. Es wurden neben der Beobachtung im Spiel und in
Alltagssituationen folgende Tests verwendet: Snijders-Oomen, non-verbaler Intelligenztest (SONR
21/4 -7), Baumtest, Menschzeichnung, Story Completion Tasks.
5.3. Klinischer Eindruck / Verhalten
X kam unbeschwert und freudig zur ersten Stunde. Sie wusste bereits, wer unsere Therapeutin
war und kannte auch den Therapie-Raum. Sie ging gleich zur Puppenstube und begann dort
zu spielen. Ganz kurz blieb sie dort, um sogleich zum nächsten zu hüpfen und dieses anzuschauen.
Insgesamt wirkte sie angetrieben und sehr unruhig. Sie hüpfte von einem Bein aufs andere,
rauf und runter und konnte sich kaum hinsetzen. Auf Anweisung sich hinzusetzen, reagierte X
adäquat.
X kann gut zuhören und verfügt über ein gutes Sprachverständnis. Es gelang ihr leicht, Anweisungen
zu befolgen und sie Hess sich gerne auf ein Spiel ein. Es fiel ihr schwer, körperliche
Distanz einzuhalten. Sie schien wenig zu unterscheiden, wem sie wie nahe kommen kann. So
wollte sie auch der Therapeutin schon in der ersten Stunde auf die Knie sitzen und konnte nicht
nachvollziehen, warum das nicht geht.
Nach ca. drei Wochen Hess ihre Unruhe und das hin und her Hüpfen etwas nach. X wirkte
aber nach wie vor innerlich angetrieben, konnte sich aber besser kontrollieren, wenn man ihr den
Rahmen dazu bot. Xs Kontaktaufnahme war dahingehend auffallend, dass sie kaum Unterschiede
machte, ob sie jemanden kennt oder nicht. Sie sprach auf eine fast erwachsene Art über
ihre Situation. Sie konnte klar äussern, dass sie nicht gerne hat, wenn die Eltern sich streiten.
Ebenfalls äusserte sie ihr Unverständnis darüber, dass der braune Papi böse auf sie sei, wenn sie
beim Mami sei und umgekehrt. Sie möchte bei Beiden sein können. Und dann gebe es noch den
weissen Papi, zu dem möchte sie auch gehen. X wirkte in solchen Momenten traurig und
überfordert. Es zeigte sich deutlich, dass diese Situation für sie emotional eine Überforderung
darstellt. X schien unter den unausgesprochenen Erwartungen ihrer Eltern zu leiden, denn
sie wollte und kann sich nicht entscheiden.
5.4. Kognitiver Bereich
X liess sich gerne und sehr gut führen. Sie war interessiert Neues kennenzulernen und zeigte
eine altersentsprechende Neugierde. Sie Hliess sich gut motivieren, auch für Aufgaben, die sie
nicht kannte. X zeigte keinerlei Unmut oder Ärger. Im Zweier-Setting konnte sich X sehr
gut konzentrieren. In der Anfangszeit fielen kurze Absenzen auf. Diese kamen später nicht mehr
vor. Der SON-R 2 V4-7 besteht aus sechs verschiedenen Subtests. Diese lassen sich einteilen in
einen Handlungstest und einen Denktest. X verfügte über gute kognitive Fähigkeiten. (SONHS:
136, SON-DS: 123, SON-IQ 119, bei einem Referenzalter von 6;8 Jahren).
5.5. Emotionaler Bereich
X zeigte vordergründig im Zusammensein mit Erwachsenen ein gesundes und gesichertes
Selbstvertrauen. Sie konnte gut mitteilen, was sie mag und was nicht. Sie hatte Ideen, was sie
spielen möchte und konnte sich einem Spiel auch hingeben. X hatte wenig verinnerlichte
Problemlösestrategien. Fühlte sie sich bedroht oder übergangen, löste sie dies mit abwenden,
auslachen, verachten oder auf der Symbolebene mit schlagen, hauen, töten. Sie verfügte kaum
über Strategien, wie sie mit schlechten Gefühlen oder Unmut anders umgehen könnte.
Wichtige Themen für X waren der Umgang mit Konflikten, die Pflege von Babys, Familie und
Streit. X liess sich schnell und unkompliziert auf einen Kontakt ein. Sie schien kaum Hemmungen
zu haben. Andererseits fiel es X schwer, in Kontakt oder in Verbindung zu bleiben,
wenn sie sich gekränkt fühlte. Eine Wiedergutmachung war dann kaum möglich. Sie stellte sehr
strenge Bedingungen um sich zu versöhnen. Darin zeigte sich auch, dass X zwar sichere
Bindungen eingehen kann, diese Stabilität jedoch bei Unsicherheiten in der Beziehung gefährdet
ist. Es schien, als ob sie für den Umgang mit solchen Situationen noch zu wenig innere Sicherheit
entwickeln konnte.
X wollte anfänglich keine Menschen zeichnen, das könne sie nicht. Nach etwas Motivation
gelang ihr eine altersentsprechende Ausführung einer Menschzeichnung. X zeichnete spontan
über dem Menschen Wolken, eine Sonne und einen Regenbogen. Dies widerspiegelte auf
eindrückliche Weise wohl auch ihre emotionale Situation. Das Bild drückte etwas Hoffnungsvolles
aus: Nach dem Regen scheint die Sonne und es gibt einen Regenbogen - vielleicht die Hoffnung
nach der Vereinigung der Eltern oder wenigstens dem unbeschwerten Zusammensein.
5.6. Zusammenfassende Beurteilung
Bei X handelt es sich um ein fröhliches, aufgewecktes 5;7-jähriges Mädchen. Sie geht sehr
schnell und offen Kontakte ein und scheint noch wenige Hemmungen zu haben gegenüber ihr
fremden Personen. Sie verfügt über gute kognitive Fähigkeiten und ist altersentsprechend entwickelt.
X hat eine klare, für ihr Alter fast zu klare Übersicht und Meinung über ihre Situation.
X hat heftige Konflikte zwischen den Eltern miterlebt. Dies scheint sich auch auf ihren eigenen
Umgang mit Problemlösungen übertragen zu haben. X ist schnell verunsichert, obwohl
sie ein sehr selbstbewusstes Auftreten an den Tag legt. Für Xs weitere Entwicklung scheint
es uns sehr wichtig zu sein, dass zwischen den Erwachsenen Klarheit geschaffen wird. X
sollte zu allen ihr wichtig gewordenen Bezugspersonen Kontakt pflegen dürfen. Der jetzige Loyalitätskonflikt
behindert ihre emotionale Entwicklung.
Eine von Xs Ressourcen war ihre gute kognitive Entwicklung, welche sie in ihrem Selbstwert
stärkt. Auch auf der emotionalen Ebene sollte X genährt werden. Sie braucht Aufmerksamkeit
und Zuneigung, ohne dass sie dafür eine Leistung erbringen muss.
III. Zusammenfassung
Im Vordergrund von Xs Aufenthalt im TIPI stand ihre instabile emotionale Entwicklung. Es
war wichtig, ihr Sicherheit und Halt zu bieten. Das Vertrauen zur Mutter und dem Stiefvater wieder
aufzubauen und ihr aufzuzeigen, dass Probleme nicht immer mit Gewalt enden müssen. Aber
auch ihr zu vermitteln, dass Auseinandersetzungen zum Leben dazugehören und es wichtig ist,
dass sie ihre Gefühle mitteilt.
IV. Schlussfolgerung/Empfehlung
Da der Aufenthalt im TIPI zu kurz war, um mit X therapeutisch ihre emotionalen Defizite aufzuarbeiten
und das Thema: Gewalt/Streit für sie offensichtlich nach wie vor zentral ist, scheint es
uns unverzichtbar, dass X nach ihrem Austritt anwaltschaftlich durch eine externe Fachperson
/Therapeutin begleitet wird, die auf ihre Anliegen eingeht.
Eine KOFA-Abklärung ist bereits angelaufen. Ebenso erachten wir es als wichtig, dass eine sozialtherapeutische
Familienbegleitung als Frühwarnsystem installiert worden ist, um den Kindern und
den Eltern Unterstützung zu bieten und weiteren Eskalationen vorzubeugen.
Der Besuch eines Hortes ist für X sicher wichtig, um ihren aktuellen Entwicklungsstand zu
erhalten und ihre Ressourcen und Kompetenzen zu fördern. Aufgrund der sprachlichen Schwierigkeiten
der Eltern scheint dies zu Hause nicht vollumfänglich gewährleistet werden zu können.
Für weitere Fragen wenden Sie sich an die fallführende Sozialarbeiterin, Marlies H., KANU
Beratung und Nachsorge, Telefon 044 454 40 52.
Berichtsverfasserin:
Franziska H., TIPI Kinderhaus
DIE ALTERNATIVE
TIPI Kinderhaus
Anke K.
Bereichsleitung Kinder
Geht an:
- Beiständin Kind: Frau Martine S-Z, Sozialzentrum Albisriederhaus, Zürich
Kopie an:
- Eltern
-Akte TIPI und KANU