EmilyStrange hat geschrieben: ↑11.02.2019, 17:16
Ich glaube, das grundlegende Problem ist, dass man als Helfer, egal wo, schnell in den Zwiespalt gerät zwischen professioneller aber distanzierter Hilfe und persönlichen Beziehungen. Menschen, die seelisch aufreibende Berufe haben wie im Hospiz, Frauenhaus etc, trennen ganz bewusst zwischen Arbeit und Privatsphäre. Sonst würden sie irgendwann kaputt gehen.
Absolut richtig. In sämtlichen mir bekannten Ausbildungen, in denen es um Unterstützung bzw. Hilfe für Klienten geht, gibt es den Fachbereich Professionalisierung. Der bekommt in der Regel ziemlich viel Raum. Da gibt es zum Beispiel das Modell des Idealen Arbeitsbündnisses. Das beinhaltet, dass sich der Klient an Grundregeln hält und der Helfer an die sog. Abstinenzregeln. Im Kern geht es in der Professionalisierung(stherorie) darum, zwischen Arbeit und Privat zu unterscheiden.
Nach der Schlecker-Pleite hatten einige Politiker die grandiose Idee, ehemalige Angestellte als Erzieherinnen in Kitas einzusetzen. Das gab es einen riesen Aufschrei.
Leider scheint es mir, dass dieser Aufschrei in der Flüchtlingsdebatte weitestgehend ausgeblendet wird. Seitens der pädagogischen Fachkräfte kommt es mir schon so vor, dass diese die nicht-ausgebildeten Helfer in den letzten Jahren immer kritischer sehen. Konsequenzen hat es trotzdem kaum welche, da es auch eine Budgetfrage ist.
Das sieht man auch im Schulbildungssystem. Da soll eine meist 6monatige, zum Teil sogar berufsbegleitende Weiterbildung, zum Lehrerberuf befähigen. Selbst das Grundschullehramt hat eine Regelstudienzeit von 4 Jahren plus Referendariat. Wie soll das bitte in einem halben Jahr zusammengefasst werden. Totaler Schwachsinn.
Liebe Slawine,
du erlebst einen Trugschluss, wenn du glaubst, dass aus einem Flüchtlingsfreundeskreis echte langfristige Freundschaften entstehen können. Es wird immer ein Hierachiegefälle geben. Würdest du deinen Arzt, deine Dozenten, deine Lebensmittelverkäufer, deinen Elektriker als Freunde bezeichnen? Nichts anderes bist du für Flüchtlinge, nur mit dem Unterschied, dass deine Unterstützung für Flüchtlinge kostenlos ist während du eben Aufgeführte bezahlst. Das macht für den einzelnen Flüchtling aber keinen Unterschied, weil die Erwartungshaltung eine ganz andere ist. Ihre Währung ist Aufmerksamkeit.
Echte Freundschaft findest du eher dort, wo keine Abhängigkeiten bestehen. Zum Beispiel in einem Lesekreis oder in einem Sportverein. Dort haben die Nutznießer zwangsläufig ähnliche Interessen. "Ich helfe dir, um meine persönlichen Bedürfnisse zu befriedigen" ist keine gute Basis. "Wir teilen die gemeinsamen Bedürfnisse" ist eine bessere Basis. Ich hoffe, es ist deutlich geworden, was ich sagen will, denn es ist ein bisschen schwer zu erklären.
Du hast absolut Recht, dass der Mensch ein soziales Wesen ist ("Rudeltier"). Wir brauchen soziale Einbindung. Dennoch sollten wir auch unsere Grenzen beachten. Die sind auch da, wenn wir sie uns wegdenken.
Unterstützung und Hilfe ist schön und gut und manchmal sinnvoll, aber da braucht es - jetzt komme ich wieder auf Emilys Einwand zurück - fachlich ausgebildete Personen, die nicht aus freundschaftlichen Erwägnissen handeln, sondern aufgrund ihrer beruflichen Qualifizierung.
Fühl dich nicht schlecht, weil du über einen Kamm scherrst. Du hast genug Erfahrungen gemacht um so einen Schluss zu ziehen. Du kannst auch weltoffen und open minded sein, ohne die Welt eines Einzelnen zu retten. Ich schätze auch kulturellen Austausch, aber für mich ist der nur erkenntnisreich, wenn eben nicht der Hilfe-Gedanke ausschlaggebend ist. Denn es ist ganz natürlich, dass ein Mensch, der etwas konkretes möchte, seine Version von Kultur so auslegt, dass er das Konkrete auch erreicht. Da muss man dann schon fragen, wie authentisch sind seine Kulturwahrnehmungen. Da beziehe ich meine Informationen lieber von Menschen, die nicht darauf achten müssen, dass mit einem falschen Wort etwas kaputt gemacht wird, was ihnen nützlich ist.