Eine kleine Geschichte

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Daisy2510
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Re: Eine kleine Geschichte

Beitrag von Daisy2510 » 05.01.2014, 20:52

Hallo,
natürlich bearbeite ich mit den Kids auch die gute alte klassische Literatur. Nur ist es so, dass die klassische Literatur alleine nicht das Fach "Deutsch" ausmacht, gerade das Fach Deutsch sollte beweglich bleiben. Ich denke, dass man auch in "alten" Werken gut einen Gegenwartsbezug finden kann. Habe etwa letztes Jahr Emilia Galotti gelesen und wir haben sehr viel zum Thema Ehre und Ehrenmord gearbeitet. Die Probleme der Menschen ändern sich in ihren Grundstrukturen oft nicht so sehr.
Ich denke aber, dass es sehr wichtig ist, auch neuere Literatur in den Unterricht einzubeziehen. Und: Nur weil alt, heißt es nicht, dass es grausam ist. Wenn man sich zB den Schüler Gerber oder Unterm Rad von Hesse ansieht, so bieten beide Werke ein großes Spektrum an psychischer (und auch physischer) Gewalt.
So viel dazu.
Zur anderen Geschichte: Danke dafür. Die Schilderung ist so, dass man beim Lesen zu Beginn glauben möchte: Das könnte auch gut ausgehen. Traurig, dass es nicht der Fall ist. Was für mich nicht nachvollziehbar ist: Wie kann man seinen Sohn, sein eigen Fleisch und Blut so verstoßen?
Danke für die Geschichte!
LG

Franconia
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Re: Eine kleine Geschichte

Beitrag von Franconia » 05.01.2014, 21:40

Daisy2510 hat geschrieben:Was für mich nicht nachvollziehbar ist: Wie kann man seinen Sohn, sein eigen Fleisch und Blut so verstoßen?
Eine Frage, die ich mir auch gestellt habe und auch immer noch stelle.
Ich schätze es hat etwas mit den Vorstellungen zu tun wie (m)ein Kind sein soll, wie sich zu verhalten und benehmen hat. Die Prioritäten liegen da bei jeder Kultur etwas anders.
Bei den Latinos legt man im Gegensatz zum "typisch Deutsch" nicht unbedingt so großen Wert auf Pünktlichkeit, auch die "Feierkultur" ist anders, besonders die Lautstärke. Auch was Arbeit, Durchhaltevermögen oder Zielstrebigkeit betrifft gibt es Unterschiede, die oft auch mit den vorhandenen/nicht vorhandenen Möglichkeiten zusammen hängen.

Jeder möchte, dass sein Kind möglichst nach seinen Wertevorstellungen aufwächst, in seiner Kultur "heimisch" ist.
In dem Fall hat der Junge mehr und mehr die hiesige Mentalität durch den Stiefvater angenommen und die eigentliche Kultur seiner Mutter abgelegt. Er war ja noch klein als er her kam, war noch formbar und lernbereit und -willig. Dadurch hat der Junge einen Teil der Leichtigkeit des Lebens verloren, die Latinos so nahe liegt und ist ernster und gewissenhafter geworden, was nicht so sehr der heimischen Kultur der Mutter entsprach.
Ich weiß nicht warum man als Mutter so handelt, sein Kind einfach so verlässt oder zu anderen abschiebt, würde aber mutmaßen, dass die Mutter die Veränderung, die ihr Sohn durchlaufen hat und die für uns eigentlich als positiv anzusehen ist, als Verrat an der Herkunft und der eigentlichen Kultur gesehen hat. Für sie war ihr Sohn irgendwann "typisch Deutsch", etwas mit dem sie nicht umgehen konnte oder wollte. Außerdem spricht es ja auch nicht unbedingt für eine Mutter, wenn sie ihre Kinder alleine in der Heimat zurück lässt um sich ein neues Leben aufzubauen und sich dann, als das neue Leben läuft, dagegen sträubt ihre Kinder wieder bei sich zu haben.
Die Mutter war übrigens kein junges Mädchen sondern damals auch schon so Anfang/Mitte 30.

Mein Ex hat des öfteren zu mir, und später auch mal zu unseren Kindern, gesagt, sie gehen ihm auf die Nerven weil sie "zu Deutsch" sind. Er hat mir, jetzt relativ zum Schluss kurz vor seiner Abschiebung, mitgeteilt, "du bist wohl auch noch stolz darauf das du deine Kinder zu typischen Deutschen erzogen hast" und den Brief mit einem verbotenen Satz als Gruß an die Kinder und mich beendet.
So ähnlich wie mein Ex wird diese Frau wohl auch ihr Kind gesehen haben.

Außerdem bleibt die Frage offen, ob beide Kinder den gleichen Vater hatten oder nicht. Gut möglich das sie den Jungen evtl. auch abgelehnt hat weil er einen anderen leibl. Vater hatte als die Tochter und sie diesen Mann als Fehltritt und das Kind deswegen von Haus aus als Fehler betrachtet hat.

PS:
Meine Tochter hat in der Schule letztes Jahr (11. Klasse) Romeo und Julia gelesen, mit nachfolgender Interpretation und der Frage, in wie weit sich diese Geschichte auf die heutige Zeit übertragen lässt. :wink:
Wenn die Guten nicht kämpfen, werden die Schlechten siegen. (Platon)

Daisy2510
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Re: Eine kleine Geschichte

Beitrag von Daisy2510 » 05.01.2014, 21:57

Hallo,
ja, deine Gedankengänge sind nachvollziehbar. Bei meinem Ex war auch einmal die Diskussion, was denn unsere Kinder einmal wären. Für ihn klar: Tunesier oder gar nichts. Es war auch für ihn gut vorstellbar, dass wir unser (nicht existentes) Kind mal für ein jahr nach Tunesien zu seiner Mutter schicken können, damit es dort das wahre Leben lernt. Alleine versteht sich. Ich hatte eine Bekannte (sie Österreicherin, er Tunesier), die tatsächlich ihren 4jährigen Sohn nach Tunesien geschickt hat. Für mich wäre das der Horror. Das ist auch ein Grund warum ich NIE Kinder mit dem menschen wollte. Mit meinem jetzigen Partner, der Grieche ist, ist es so, dass wir uns diese frage eigentlich gar nicht stellen. Wir leben hier, das Kind wir hier erzogen, sozialisiert und aus. Wobei ich es wichtig findet, dass es später mal in die griechische Schule geht und (mit mir) die Großeltern in gr besucht. Das Kind gibt es (noch) nicht.
Ich kann mir nur vorstellen, dass der Sohn deine Bekannten einmal ordentlich ins strudeln gerät. Seine Mutter hat ihn abgeschoben, von seinem biologischen Vater weiß er quasi gar nichts. Das ist traurig.
LG

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