Nachdem ich nun seit Jahren eine stille, aber immer wiederkehrende Leserin dieser Seiten bin dachte ich, ich meld mich jetzt einfach auch mal an.
Aufmerksam auf Euch bin ich durch einen Beitrag bei Goodbye Deutschland gekommen. Die Frau, die sich unsterblich in einen der Pferdereiter in Tunesien verliebt hat, dann die große Enttäuschung erlebte und damit Herz und viel Geld verlor. Seitdem lese ich hier viel mit und erkenne mich selbst in sovielen Geschichten wieder – auch wenn ich nie direkt Kontakt mit einem Beznesser hatte. Aber die blauen Augen, die rosafarbenen Wolken und die Schmetterlinge im Bauch ... wenn ich das von einer Frau lese, dann kann ich das sofort nachvollziehen. Ich kann so froh sein, dass mich ein Beznesser bisher nicht gefunden hat, denn– um das mit den Worten eines Users hier treffend zu beschreiben – der hätte sich bei mir das Lätzchen umgebunden und hätte sich mit Messer und Gabel an den gedeckten Tisch gesetzt. Gerade was meine turbulenten Beziehungen der letzten Jahre angeht. Ich wäre für sowas sofort empfänglich gewesen und mit voller Inbrunst in mein Verderben gerannt.
Aber warum ich hier eigentlich und überhaupt poste. Seit ich hier lese geht mir eine Urlaubsbegegnung nicht mehr aus dem Kopf, über dessen Konsequenzen ich mir überhaupt jetzt erst so richtig bewusst werde und die mich immer wieder zum Nachdenken anregt.
Im Jahr 2006 war ich gerade 2 Jahre mit meinem damaligen Freund zusammen und was macht man als damals „frisch“ verliebte – man gönnt sich einen Urlaub. Kenia, genauer gesagt Diani Beach, war das Ziel und es war ein wunderschöner, toller, ereignisreicher und erholsamer Urlaub. Ich war damals knapp 26 und mein Freund 33. Wir haben den Altersdurchschnitt im Hotel zwar stark gesenkt – war aber für uns kein Problem, da wir ja mit uns Urlaub gemacht haben und uns sonst alles relativ egal war.
Es gab vom luxuriösen Hotel zum Sandstrand so eine kleine hoteleigene schattige Bar, in der man kalte Getränke und am Nachmittag einen frischen Snack holen konnte. War für uns Weißbrot in der sengenden, feuchten, kenianischen Hitze natürlich ein Segen und deswegen waren wir relativ oft da. Mit dem Barkeeper – einem süßen, kleineren, jungen Kerl – verstanden wir uns prächtig. Mein Freund hat seine verrosteten Englischkenntnisse mit ihm aufgebessert und es folgten lange Unterhaltungen. Ich fand ihn auch einfach nur drollig mit seinen großen schwarzen Augen und dem Schmollmund. Oft hab ich meinem Freund gesagt, dass ich ihn am liebsten mit nach Hause nehmen würde – so niedlich fand ich ihn. Amouröse Gefühle hatte ich aber nie und kann auch so im Nachhinein nicht sagen, dass er mich irgendwann angebaggert hätte. Ganz im Gegenteil. Mein Freund und ich waren ein Paar und wir wurden auch so behandelt. Am Abend vor dem Abflug hat uns der Barkeeper dann noch ein wenig mehr von sich erzählt. Er wäre verlobt, weiß aber nicht ob er seine Freundin heiraten kann, weil er als Barkeeper so wenig verdienen würde. Außerdem wäre sie so weit weg in Nigeria, etc. Irgendwie hat mir das alles leidgetan und ich hatte das instinktive Gefühl ich müsste ihm noch etwas Gutes tun. Also hab ich meinen silbernen dreifach Ring, dessen materieller Wert mit Sicherheit weit unter 100 € lag, der mir aber einfach nur viel bedeutete, abgenommen und ihm geschenkt. Er sollte ihn seiner Herzdame weitergeben. Ich glaub wir haben auch noch ein paar größere Scheine als Trinkgeld und Klamotten als Abschiedsgeschenk über den Tresen geschoben. Mein Freund und ich haben zusammen ein Reisetagebuch geführt. Irgendwie kamen wir dann auf die Idee von ihm einen Gruß reinschreiben zu lassen. Das hat er an dem Abend auch gemacht und wenn ich wie gerade die Zeilen so lese: Wirklich allerliebst was er da reingeschrieben hat. Wir haben dann noch Adressen und Telefonnummern ausgetauscht und ich habe ihm gesagt, wenn er irgendwann mal nach Deutschland kommt soll er sich melden. Er wollte ja nach seinen Erzählungen irgendwann mal „Study in Germany“.
Irgendwann waren wir wieder im Alltag zurück und nach einigen Wochen oder waren es Monate kam tatsächlich ein Brief von „unserem“ Elijah. Darin beschrieb er wie hart sein Leben wäre. Er hätte jetzt aufgehört in dem Hotel zu arbeiten und würde auf eine Kellnerschule gehen. Kurz und knapp: Für mich war das ein Bettelbrief. Mein Freund und ich dachten uns aber wir beantworten den Brief trotzdem und schicken 30 € hin. Kaum war der Brief wohl angekommen, kam ein neuer seitenlanger Brief mit Bestätigung der Schule, dass er eingeschrieben wäre und einem Foto, das ihn mit einem Diplom zeigt und einen dicken Danke und einem noch größerem Bitte, bitte.
Warum auch immer ... wir haben den Brief ignoriert. Irgendwann an einem Sonntagvormittag gegen 8 Uhr klingelte mein Telefon. Ich war noch total verschlafen und verkatert vom Vorabend. Auf jeden Fall quatschte mich irgendwer auf Englisch zu. Die Verbindung war relativ schlecht und aus den vorgenannten Gründen hab und wollte ich eh nichts verstehen. Ich glaub ich hab nur immer wieder auf Deutsch gesagt, dass ich nichts verstehe und hab dann einfach aufgelegt. Irgendwann ist mir dann schonmal ein Licht aufgegangen, das es Elijah gewesen sein könnte. Mein Freund und ich steckten allerdings damals in einer ziemlichen Beziehungskrise und irgendwie war mir alles egal – weswegen ich der Sache auch kein weiteres Interesse schenkte und es sogar ganz vergessen habe.
Schlussendlich haben mein Freund und ich uns dann tatsächlich getrennt und mir blieben die Reisetagebücher, Fotos, Erinnerungen und Briefe. Irgendwann beim Aufräumen hatte ich den letzten unbeantworteten Brief dann auch mal wieder in der Hand und dachte noch vielleicht schreib ich ihm einfach doch mal allein zurück. Erkläre ihm, dass ich nun leider Single wäre und ich ihm deswegen erst so spät antworten würde. Bla bla ... Ich habs nicht getan und einfach wieder vergessen. Und so hatte ich seit dem merkwürdigen Anruf keinerlei Kontakt mehr. Ich hab der Sache keinerlei Würdigung mehr geschenkt, bis ich auf dieses Forum gestoßen bin. Seitdem nagt es an mir. Haben wir vielleicht damals mit unserem Verhalten einen eventuellen späteren "Beznesser" hervorgerufen? War das alles so richtig wie wir das gemacht haben?
Mal ganz ehrlich. Die Leute da unten haben nicht viel. Dann kommen so Leute wie wir in deren Land. Machen dort Urlaub, lassen es uns verdammt gut gehen, bewerfen sie dann noch mit Geld und Geschenken. Die wären doch bescheuert das nicht auszunutzen?! Ein Stück weit geb ich mir heute schon Schuld, dass ich natürlich kräftig das Bild des „dummen“ Europäers mitgeformt habe. Wenn nur 4 Urlauber im Monat sich so verhalten wie wir haben die doch schon ein gutes Auskommen. Ich denke bei dem ein oder anderen lösen wir Touristen Bezness aus. Schade und traurig zugleich. Im Sinne etwas Gutes tun zu wollen macht man genau das Falsche.
Nachdem ich nicht weiß, was aus „unserem“ Barkeeper geworden ist, hoffe und wünsche ich mir einfach nur, dass er ein gutes Leben führen konnte, welches er aber nicht auf Kosten von anderen aufgebaut hat. Für meine Naivität und mein „Helfersyndrom“ von damals könnte ich mich heute fast etwas schämen. Aber ich hätte es damals so oder so nicht besser gewusst. Nachdenken und Lebenserfahrung sind die Zauberwörter. Doch beides braucht seine Zeit und manchmal vergehen die Jahre einfach so und man sieht erst später, was man eventuell angerichtet haben könnte.
So, dass wäre mal von der Seele geschrieben. Danke fürs lesen

Liebe Grüße, Seren