eavan hat geschrieben:Hallo bin neu hier
ich lese schon seit Wochen als Besucher hier und heute habe ich mich entschlossen mich an zumelden. Vor allem wegen dem Beitrag von al gazali.
Ihr macht es euch manchmal wirklich sehr leicht.
Nun gut man kann die Entwicklungshilfe streichen, aber im gleichen Atemzug , müssen dann aber auch alle westlichen Firmen raus aus Afrika. Habe nämlich vorgestern diese Bericht gefunden, man muss auch beide Seiten sehen, Afrika wird immer noch ausgebeutet, das wird aber hier bei nirgends erwähnt.
Wie hier zum Beispiel:
Das norwegische Unternehmen Biofuel Africa Ltd. hat im nordghanaischen Distrikt Tamale 23.762,45 Hektar Land erworben und die Bewohner von sieben Dörfern vertrieben, um Japtrophaplantagen aufzubauen, berichtete IRIN. Der Kniff des Unternehmens besteht darin, daß es sich an die örtlichen Chiefs, die in Nordghana das meiste Land besitzen, gewandt und die entsprechenden Verträge mit ihnen, aber an den Dorfbewohnern vorbei, ausgehandelt hat.
IRIN schildert die Erfahrungen des Bauern Mumud Alhassan Adam, der sicherlich stellvertretend für viele Berufskollegen steht. Eines Tages kam der Familienvater, der fünf Kinder hat, zu seiner acht Hektar großen Farm und stellte fest, daß sie von anderen in Besitz genommen worden war. Ihm wurde beschieden, das Farmgelände nicht mehr zu betreten, es sei veräußert worden. Weder war Adam über den Verkauf seines Lands informiert worden noch hat er eine Entschädigung erhalten. Die Jatropha-Plantage habe nur wenige Bauern eingestellt, viele andere hätten jetzt kein Einkommen und litten Hunger, berichtet Adam. Er selbst habe genug Geld zusammenbekommen, um in mehreren Kilometern Entfernung Land zu pachten. Es sei eine sehr schwere Zeit für seine Familie. [1]
Trotz der nicht zu leugnenden Vertreibung dürfte BioFuel Africa sämtliche Umwelt- und Sozialstandards erfüllen, da es laut seinem Chef Steinar Kolnes den Bauern angeboten hat, ihre Getreide am Rande der Jatropha-Plantage anzubauen oder aber wegzuziehen und das ihnen eigens angebotene, fruchtbare Land zu bewirtschaften, das bis zu der zehnfachen Größe ihres früheren Landes einnehme. Davon hat Adam noch nichts gehört. Er kennt keine Bauern, denen alternatives Land angeboten wurde. BioFuels Africa Ltd. war sogar mindestens bis Mai dieses Jahres das einzige Biospritunternehmen, das Jatropha anbaut und dem von der ghanaischen Umweltschutzbehörde Umweltverträglichkeit bescheinigt wird. [2]
Auf der Website von BioFuel Africa wird behauptet, daß "nur" zehn Prozent des erworbenen Lands bereits kultiviert waren und daß der Jatropha-Anbau den Bauern auch während der erntefreien Zeit Arbeit verschafft. [1] Das Argument sticht insofern nicht, als daß Landraub mit Vertreibungen nicht plötzlich deshalb akzeptabel sein kann, nur weil der Räuber noch viel mehr Land erwirbt, bei dem keine Vertreibungen stattfanden. Das wäre ja so, als wolle sich ein Bankräuber damit herausreden, daß er jahrelang brav eingezahlt hat. Im übrigen muß damit gerechnet werden, daß BioFuel Africa hinsichtlich der Frage, ob bei der Übernahme der Ländereien Menschen vertrieben wurden oder nicht, andere Kriterien anlegt als die örtliche Bevölkerung, die höchstwahrscheinlich in den vermeintlich ungenutzten Gebieten seit Generationen ihr Vieh geweidet, Brennholz gesammelt oder Nüsse und andere Früchte geerntet hat.
Die ghanaische Regierung schlägt sich auf die Seite der "Investoren" und läßt es zu, daß sie unter Beteiligung der Chiefs Ländereien erwerben. Nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums sind mehr als 20 Biosprit-Unternehmen, die unter anderem aus Norwegen, Niederlande, Italien, Israel, Indien, Deutschland, China und Brasilien stammen, in Ghana aktiv. Nur 16 Prozent der prinzipiell landwirtschaftlichen Fläche wird laut dem Ministerium derzeit kultiviert, deshalb spricht nach Ansicht der Regierung nichts gegen die Biospritproduktion.
Die Investitionen der Unternehmen machen die Lage für die von ihrem Land Vertriebenen jedoch nicht erträglicher. Darüber hinaus stellt sich national gesehen noch ein weiteres, fundamentales Problem: Bis zu 1,2 Millionen Ghanaer sind ernährungsgefährdet, davon leben 453.000 in der Northern Region. Die Regierung versucht, den Nahrungsmangel durch ein zehn Millionen US-Dollar umfassendes Programm auszugleichen. David Eli, Vorsitzender der ghanaischen Nichtregierungsorganisation FoodSPAN (Food Security Policy Advocacy Network), fragt zutreffend, warum in Ghana nicht genügend Nahrung erzeugt wird, wenn doch ausreichend landwirtschaftliche Fläche vorhanden ist. Warum werde nicht in die Nahrungsproduktion investiert. Die Vergabe von landwirtschaftlicher Fläche für die Biospritproduktion verstärke nur die Ernährungsunsicherheit. [1]
FoodSPAN ist ein ghanaisches Netzwerk, dem mehr als 40 Organisationen und Personen angeschlossen sind, die sich die Aufgabe gestellt haben, das Recht auf Nahrung in ihrem Land für alle Einwohner zu realisieren. [3] Aus Anlaß des World Jatropha Summit am 28./29. Mai 2009 in Accra hatten Mitarbeiter FoodSPANS die Regierung aufgefordert, endlich klare Gesetze für die Produktion von Biosprit zu erlassen. [4] Die Regierung hatte zwar 2005 das Biofuel Committee (BFC) gegründet, das Bestimmungen für eine Nationale Biospritpolitik erarbeiten sollte, aber bis heute sind sie noch nicht umgesetzt. [5] Auch deshalb warnt FoodSPAN, daß der großmaßstäbliche Landerwerb durch ausländische Unternehmen die Existenz der Bauern und die Umwelt gefährdet. Man sei nicht prinzipiell gegen Investitionen und Biosprit eingestellt, fordere aber einen verantwortlichen und ethischen Umgang. In der Landwirtschaft solle nicht das gleiche ablaufen wie beim Bergbau - dabei seien die Unternehmen ins Land gekommen, noch bevor die Regierung dies gesetzlich geregelt hatte, moniert Yakubu Iddrisu, stellvertretender Koordinator von FoodSPAN. [3]
Die Organisation schlägt der Regierung vor, daß die zuständigen Ämter mit den traditionellen Landbesitzern zusammenarbeiten und genaue Karten anfertigen, die sicherstellen sollen, daß die Konkurrenz zwischen den Kleinbauern und den internationalen Unternehmen so gering wie möglich ausfällt. Darüber hinaus müsse das ghanaische Umweltministerium sehr genau auf die Umweltfolgen der Biospritproduktion achten, insbesondere auf die Bodenqualität.
In den afrikanischen Staaten werden den internationalen Unternehmen, die Pflanzen für Biosprit oder Nahrung anbauen lassen, Pachtverträge mit einer Laufzeit von mehreren Jahrzehnten bis zu 99 Jahre angeboten. Das dürfte häufig mit einer Verschlechterung der Lebensqualität der Bevölkerung einhergehen. Abgesehen davon, daß die Plantagen häufig der örtlichen Bevölkerung das Wasser entziehen, indem sie es permanent aus saisonal nur sporadisch fließenden Flüssen pumpen oder aber diese umleiten, wird der Boden durch die intensive Bewirtschaftung ausgelaugt. Diesen Verlusten wird in der Regel wenig Beachtung geschenkt. Natürlich bedeutet die herabgewirtschaftete Bodenqualität ein schwere Erblast für die nächsten Generationen.
Die Ghanaer haben genügend Erfahrungen gesammelt, um zu wissen, daß jeglicher Monokulturanbau - früher vorzugsweise Kakao und Kaffee - die ursprüngliche Landschaft massiv verändert. Unter anderem nimmt die Artenvielfalt rapide ab. Auch das sind Verluste, die womöglich nie wieder kompensiert werden können, sollten sämtliche ausländischen Interessenten ihre Vorstellungen zur Produktion von Biosprit umsetzen.
FoodSPAN-Leiter Eli räumt mit dem Argument der Befürworter auf, daß die Investoren Arbeitsplätze schaffen und soziale Einrichtungen in den Kommunen aufbauen, und sagt: Die Interessen der Menschen werden übergangen, wenn sie vertrieben werden und ihr fruchtbares Land zerstört wird. [6] Das ist der Kernwiderspruch des gegenwärtigen Biosprit-Hypes. An diesem Beispiel wird deutlich, daß Gesellschaft nicht hält, was sie verspricht. Daß die traditionelle Landnutzung Menschen nicht davor bewahrt, gegen ihren Willen ein Gebiet zu verlassen, demaskiert Gesellschaft als Gewaltstruktur, die gegen den Einzelnen in Stellung gebracht wird. Der unterstellte große Nutzen der Vergesellschaftung, die Arbeitsteilung, kommt nur wenigen zugute, andere hingegen müssen darunter leiden.
Was sich hier in Ghana abspielt, läßt sich nicht nur auf andere afrikanische Regionen übertragen, sondern auch auf andere Kontinente, und Vertreibung beschränkt sich nicht nur auf den Anbau von Pflanzen für Biosprit. Darüber können beispielsweise die zwangsumgesiedelten Bewohner aus dem Braunkohletagebau in der Lausitz berichten ...
LG Eavan
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