ich bin vor einigen Tagen auf diese Website gestoßen und habe mich an ein Erlebnis vor ein paar Jahren erinnert, das ich gerne mit euch teilen möchte.
Ich war auf einer Geschäftsreise in Armenien, kam um 21.00 Uhr am Flughafen in Eriwan an, aber mein Gepäck war leider nicht mit mir zusammen angekommen. Ich wartete ewig lange am Gepäckband und wurde zusehends verzweifelter, als mich ein junger, einheimischer Mann (Anfang/Mitte zwanzig) auf Englisch ansprach und seine Hilfe anbot. Er studiere in England und sei auf Besuch in die Heimat geflogen, erzählte er mir. Er ging mit mir in das Büro,wo man verlorenes Gepäck reklamieren kann. Das Taxi, das mir das Hotel geschickt hatte, um mich vom Flughafen abzuholen, war natürlich längst weg. Also bat ich ihn, mir den Platz zu zeigen, wo die offiziellen Taxis stehen. In Armenien ist es nämlich so, dass man nur mit einem offiziell registrierten Taxi fahren sollte, sonst wird man über den Tisch gezogen. Mein Begleiter verstand nun plötzlich kein Englisch mehr und schaute mich nur fragend an. Er schlug vor, dass ich mit ihm, seinem Bruder und zwei Freunden, die ihn mit dem Auto abholten, mitfahren solle, sie würden mich zum Hotel bringen. Ich fühlte mich überrumpelt, aber andererseits war ich so müde und wollte einfach nur noch ins Hotel, duschen und mich ausruhen. Ich stieg dann tatsächlich zu den vier Männern ins Auto und saß voller Herzklopfen da. Wohin würden sie fahren? Aber sie fuhren tatsächlich in die Innenstadt und setzten mich an meinem Hotel ab. Der Student (oder was er auch immer war, seinen Namen habe ich längst vergessen) meinte, wir könnten doch in Kontakt bleiben, er würde mir gerne die Stadt zeigen, wir könnten uns doch an einem der nächsten Tage treffen. Eigentlich hatte ich dazu keine Lust, aber weil er ja ach so hilfebereit war, wollte ich ihn nicht vor den Kopf stoßen. Ich gab ihm daraufhin die Telefonnummer des Hotels und meine private Email-Adresse. Als ich in meinem Zimmer angekommen war, verging keine halbe Stunde, da rief er bereits bei der Rezeption an, die den Anruf an mich weiterleitete. Mit soviel Aufdringlichkeit hatte ich nicht gerechnet, aber wieder war ich freundlich und erklärte ihm, dass ich noch nicht wüsste, wann wir uns treffen könnten.
Am nächsten Tag erzählte ich meiner armenischen Kollegin von unserer Partnerorganisation von dieser seltsamen Begegnung und fragte sie, was denn wohl dieser junge Mann für ein Interesse an mir - einer Frau, die vom Alter her seine Mutter sein könnte - hat? Daraufhin meinte sie, viele junge Männer in Armenien machen sich an Europäerinnen ran, um eine Aufenthaltserlaubnis in einem EU-Mitgliedstaat zu erschleichen. Da war ich völlig verblüfft, denn damit hatte ich nun überhaupt nicht gerechnet. Klar, ich wusste schon über diese Machenschaften mit Scheinehe etc. Bescheid, aber Armenien ist kein touristisches Land, da hätte ich das niemals vermutet. Der Typ rief dann noch zweimal im Hotel an, aber ich sagte ihm jedes Mal nur kurz angebunden, ich hätte keine Zeit. Dann waren die paar Tage auch schon rum und ich flog wieder zurück nach Deutschland.
Ich habe aus dieser Erfahrung gelernt, dass man nie wachsam genug sein kann. Bitte passt gut auf euch auf, mit "Bezness" kann man an den unmöglichsten Orten in den unmöglichsten Zusammenhängen konfrontiert werden. Ich möchte außerdem noch auf einen anderen Aspekt hinweisen, der mir im Nachhinein bewusst geworden ist: Wir Frauen sind oftmals viel zu nett und zu freundlich, grenzen uns zu wenig ab. Ich bin doch einem wildfremden Menschen gegenüber zu nichts verpflichtet, ich hatte ihn ja nicht einmal um seine Hilfe gebeten. Letztendlich wäre ich auch ohne ihn zurecht gekommen. Wenn ich daran denke, dass ich nachts in einem fremden Land zu vier wildfremden Männern ins Auto gestiegen bin, läuft es mir immer noch eiskalt den Rücken hinunter. Ich hatte wirklich mehr Glück als Verstand. Das richtige Verhalten wäre gewesen, im Hotel anzurufen und zu bitten, mir ein anderes Taxi zu schicken. Allerdings glaube ich, dass der Akku von meinem Handy leer war. Aber zur Not hätte ich den Angestellten, der für das verlorene Gepäck zuständig war, bitten können, für mich anzurufen.

Herzliche Grüße
Liane