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von Justicia » 15.03.2017, 14:17
Ich glaube, das ist wirklich sehr individuell, was sowohl die Ausländerbehörde als auch die Universität betrifft.
Ich bin durch drei verschiedene Fachbereiche, zwei Hochschulen in zwei Städte, aber das gleiche Bundesland.
Ich habe sowohl diejenigen kennengelernt, die ich in Einführungsveranstaltungen und dann nur noch auf Partys gesehen habe als auch solche, die extrem engagiert waren. Jemand aus meinem ersten Semester aus der Türkei stammend wurde habilitiert und ist wirklich ein Gewinn für und in seinem Fachbereich. Letzter Stand war, dass er zurück in die Türkei möchte. Von ehemaligen Studierenden weiß ich, dass er als Professor sehr streng sein soll, mit außergewöhnlich hoher Durchfallquote.
Ich kenne einige Osteuropäerinnen, die im Master studieren und die haben es wahnsinnig schwer. Die müssen regelmäßig zur Ausländerbehörde und ihren Leistungsstand nachweisen. Dort wird auch extrem darauf geachtet, dass sie nur eine bestimmte Anzahl an Tagen nebenbei arbeiten. Die trauen sich auch gar nicht schwarz zu arbeiten. Mir ist persönlich ein einziger Fall bekannt, wo die Aufenthaltsgenehmigung verlängert wurde, weil ein Modul nicht erfolgreich abgeschlossen werden konnte. Die Studentin musste aber auch zig Schreiben vom Dekan bis zum Dozenten, bei dem sie durchgefallen ist, vorlegen, dass eben nur noch dieses eine Modul fehlt.
Eigentlich auch logisch, dass ich in zehn Jahren nur solche Leute kennengelernt habe, die jedes Semester bis zum Umfallen lernen und bei jeder Prüfung total verängstigt sind, dass es nicht reicht. Bei jeden von diesen würde ich sagen, dass ich dafür gerne Steuern zahle und der Druck, der von der hiesigen Ausländerbehörde kommt, nicht angemessen ist.
Ich kann mir vorstellen, dass es in naturwissenschaftlichen oder technischen Studiengängen, die vor allem auch noch nicht modularisiert sind, anders aussieht. Nach dem Bolognaprozess ist es nun ja gar nicht mehr möglich, Prüfungen auszusetzen. Jedenfalls war das an den Unis, wo ich eingeschrieben war, nicht möglich. Zusammengefasst: ich bin dafür, gleiche Regeln für alle Studierenden ohne deutsche Staatsbürgerschaft, die auch durchgesetzt werden. Das kann ruhig eine gewisse Kulanzzeit umfassen, aber 1,5 Jahre Studium ohne Leistungsnachweis darf nicht sein! Dazu braucht es aber Personal und eine enge Zusammenarbeit. Und daran scheitert es wohl...
Jetzt, wo ich so darüber nachdenke, fällt mir auf, dass es 1. recht wenige ausländische Studierende gab (oder ich kenne sie nicht) und 2. die mir Bekannten nach dem erfolgreichen Abschluss meist in ihr Heimatland zurückgegangen sind.
Ausgenommen ist der schon angesprochene Masterstudiengang. Da ist etwa die Hälfte ohne dt. Staatbürgerschaft. Der Studiengang ist aber auch darauf ausgelegt (Sprache und Kultur).
Wahrscheinlich gibt es auch so Unter-der-Hand-Informationen, welche Uni eher lax ist, welche Ausländerbehörde keine Nachweise verlangt, welche Arzt mal eben für ein ganzes Semester Studienunfähigkeit attestiert usw.
Das ist natürlich alles nur ein kleiner individueller Einblick, aber zehn Jahre sind eben auch zehn Jahre.
Übrigens gehöre ich nicht zu den Langzeitstudierenden, immer gearbeitet, kein Bafög. Mit ruhigem Gewissen kann ich behaupten, dass ich der Gesellschaft das zurückgebe, was ich nehme: Bildung.