Hallo Santiago, liebes Forum,
ich finde diesen Thread sehr interessant und möchte gern meine Sichtweise schildern. Sie deckt sich teilweise mit dem, was hier bereits geschrieben wurde.
Du schreibst:
"1) Auf vielen Fotos in den Medien ist mir aufgefallen, dass die meisten Flüchtlingshelfer weiblich sind. Mich interessiert sehr die Dynamik, die da hintersteht und ich habe mehrere Vermutungen, warum das so ist, wobei ich mir bei keiner zu 100% sicher bin, ob diese These zutrifft.
A: DIese Frauen suchen ein sexuelles Abenteuer oder eine neue Beziehung.
B: Die Kinder dieser Frauen sind bereits groß und da eignet sich ein Flüchtling evtl. als "Ersatz", quasi als jemand, den man "erziehen" und so schön betreuen kann. Wie gesagt, ich weiß es nicht.
C: Das Gefühl, etwas gutes zu tun und als "politisch korrekt" bzw. als guter Bürger dazustehen"
Ich hatte mich vor 1 1/2 Jahren für einen sehr kurzen Zeitraum an der Hilfe für Flüchtlinge beteiligt, weil ich einmal direkt und nicht aus Erzählungen oder den Medien mitbekommen wollte, was da abläuft. Ich habe nach diesem kurzen Zeitraum noch Kontakt zu einigen der Helfer gehabt und ab und zu haben wir uns ausgetauscht.
Meine persönliche Erfahrung war, daß 30 - 40 Prozent der Helfer männlich waren.
Ich glaube, daß es ganz viele Gründe gibt, sich an der Flüchtlingshilfe zu beteiligen. Einer liegt in der Vergangenheit.
(Auch) In Deutschland gibt es eigene Erfahrungen mit Flucht und Vertreibung. Dazu kommen die Nachkommen, Freunde oder gute Bekannte, die mit Menschen mit solchen Erfahrungen geredet haben. Ich denke, daß hier ein wichtiges Motiv (unter einigen) ist, warum Menschen Flüchtlinge unterstützen wollen.
Dann glaube ich, daß Menschen, die sich vornehmen etwas in der Flüchtlingshilfe zu tun, in einen Sog geraten. Sie gehen beispielsweise nicht einmal die Woche zur AWO, um Flüchtlingsfrauen deutsch beizubringen, sondern sie sehen, was alles noch gemacht werden könnte oder sollte und machen mehr. Manchmal sehr viel mehr. Das habe ich auch bei meinen "Helfer - Kollegen" erlebt. Manche sahen richtig fertig aus und waren es auch. Ich finde aber, daß man sich selbst gut behandeln muß, wenn man in der Lage sein will anderen gut zu helfen.
Bei meiner sehr kurzen eigenen Erfahrung in der Flüchtlingshilfe vor 1 1/2 Jahren ist mir aufgefallen, daß die Helferinnen und Helfer irgendwie davon ausgehen, daß Flüchtlinge gute Menschen sind. Ich will jetzt nicht behaupten, daß Flüchtlinge schlechte Menschen sind. Ich gehe bei Flüchtlingen davon aus, daß es gute und schlechte gibt. Und das die Guten nicht immer gut und die Schlechten nicht immer schlecht sind. Genauso wie bei uns und überall auf der Welt. Flüchtlinge wurden zwar nicht als Engel angesehen, aber irgendwie haben einige gedacht, sie wären so, wie es oft gesagt wird: dankbar und freundlich. Und dabei fällt es uns allen schon schwer in belastenden Situationen freundlich zu bleiben.
Wenn ich zum Beispiel in der Erstversorgung in der Kleidungsausgabe arbeiten würde und ein Flüchtling mir deutlich macht, daß seine Schuhe total kaputt sind und er neue braucht und wenn ich dann zu einem späteren Zeitpunkt durch Zufall mitbekommen würde, daß er bereits drei Paar wunderschöne Schuhe hat und wohl einen kleinen Handel aufmachen will, dann würde ich so ein Verhalten nicht gut finden, aber ich wäre nicht fassungslos. Zu so einem Verhalten kann es kommen, muß es aber nicht. Es gibt solche. Das ist jedenfalls meine Erfahrung.
Mich hat nur erstaunt, wie unkritisch meine "Kollegen" manche Dinge gesehen haben. Da könnte es dann schon vorkommen, daß dem Helfer Vorwürfe gemacht wird, wenn er ein paar Dinge hinterfragt. Ich glaube, daß einige Helferinnen und Helfer inzwischen den Begriff "Fordern und Fördern" gehört haben, ihn auch formal anwenden, aber im Grunde genommen gar nicht wissen, was das ist.
Ich glaube auch, daß Menschen etwas Gutes tun wollen und in die Flüchtlingshilfe gehen. Ich finde auch nichts verkehrt daran etwas Gutes zu tun. Das sollte man aber weder unkritisch noch wahllos tun - dann kann ganz schnell etwas schief laufen.
Ich wollte noch etwas zu dem "sich mit Flüchtlingen anfreunden" sagen, und ich meine in diesem Fall nicht das Anfreunden einer weiblichen Helferin mit einem männlichen Flüchtling.
Ich habe vor vielen Jahren einmal ehrenamtlich zu einer Notunterkunft Kontakt gehabt und hatte dort eine Familie kennengelernt, die ich sehr nett fand, besonders die Frau. Wir haben uns ab und zu getroffen, sind auch mal zusammen spazieren gegangen oder ich habe der Frau und dem Kind die Bücherei gezeigt und welche Bücher dort für sie infrage kommen. Ansonsten habe ich mich mit Hilfe und Beratung zurückgehalten, obwohl ich fachlich einiges gewußt hätte. Ich habe diese Familie dann an die entsprechenden Beratungsstellen verwiesen . Ich wollte so weit wie möglich einen Kontakt auf Augenhöhe. Natürlich kann man auch auf Augenhöhe Kontakt habe und sich helfen. Das sollte in jeder Freundschaft möglich sein. Aber in der speziellen Situation des Kontakts mit Menschen in einer Notunterkunft, da ist ein Kontakt auf Augenhöhe gar nicht so einfach. Und es ist ein sich gut verstehen. Freundschaft setzt meiner Meinung nach später ein.
Schönen Tag
Corinna