Liebe moonlight,
schön, Deinen Namen hier mal wiederzusehen, und danke für Deine Zustimmung und die "Untermauerung" meines Beitrags mit Deinen Erfahrungen!
Ich spreche auch
nur aufgrund wirklich reichhaltigster Erfahrungen in meinem durch und durch multinationalen Leben!
Es hat sich bei mir durch berufliche Tätigkeit (Vollzeit bis zur Rente) und auch privat im "bunten" Beziehungs- und Eheleben so ergeben, das so vollgepackt ist mit Erfahrungen mit Menschen aller Bildungsschichten und Religionen aus vieler Herren Länder, dass ich nochmal soviele Jahre leben müsste, um alles aufzuschreiben.
Und ja: meine erwachsenen Söhne sind Kinder eines (jetzt schon lange verstorbenen), akademisch gebildeten und als Dozent in leitender Funktion tätigen, ganz modern wirkenden und lebenden Mannes (der darüber hinaus in vielen Bereichen unglaubliche Talente besaß - besonders musikalische), der in einem muslimischen Kulturkreis aufwuchs und sozalisiert wurde. Er war kein bisschen gläubig oder religiös, aber die gelebten und von Kindesbeinen an erlebten Rollenbilder von Mann und Frau und so manches andere aus seinem Kulturkreis hatte er trotzdem verinnerlicht.
Ich kann es nur unterstreichen, was Du sagst: meistens wird der Faktor "Sozialisation" immer stärker und bricht hervor, je älter die Menschen werden, je länger die Beziehung dauert oder wenn Kinder ins Spiel kommen. Das war bei ihm auch der Fall. Und erzeugte dann große Konflikte.
Man findet diesen "Kampf der Unterschiede", der sich erst oft ganz unterschwellig und in alltäglichen Kleinigkeiten abspielt, auch in den Schilderungen von "Schuscha" über ihre Ehe mit ihrem ebenfalls gebildeten Mann aus Ägypten.
Sozialisation findet ja nicht (nur) bewusst statt, wo Mütter und Omas einen gemahnen, sich so oder so zu benehmen, sondern die Regeln (Verhalten gegenüber anderen, Achtung oder Missachtung, Wert oder "Unwert" eines anderen, "Rollen", die man auszufüllen hat und sich abschaut ... etc.) ist etwas "Unbewusstes", das sich durch das kulturelle Umfeld des Aufwachsens tief einprägt, weil man es nicht nur beigebracht, sondern als "einzig richtig, gültig und erstrebenswert"
vorgelebt bekommt. Deshalb gibt es ja auch den zutreffenden Spruch, dass jemand "etwas mit der Muttermilch eingesogen" hat, was ja nichts anderes bedeutet, als dass es so tief verinnerlicht und verfestigt in jemandem steckt, dass nicht mal er selbst es wieder heraus bekommt.
Deshalb muss ich manchmal laut lachen (wenns nicht so traurig naiv wäre), wenn ich in den Zeitungen lese, mit welcher Art "Kursen" die längst geprägten Erwachsenen nun "umgekrempelt" werden sollen, damit sie ihr Weltbild und Lebensgefühl dem unseren anpassen. Passend dazu wird ja oft verlangt, sie sollten "integriert
werden". Nein,
sie selbst müssen sich integrieren
wollen und dafür Interesse aufbringen und Anstrengungen unternehmen - sonst wird das gaaaaar nichts!
Das ist - finde ich - durchaus vergleichbar mit den Bemühungen einer Liebenden um die Liebe und Aufmerksamkeit ihres Beznessers (oder Bi-na - Ehe-/Partners ohne Bezness). Sie pampert und pampert, ebnet ihm jeden Weg und öffnet die Türen, wo sie kann - weil sie auf seine "Integration" in ihre Werte- und Gefühlswelt hofft, die aber von ihm gar nicht angestrebt wird, weil er a) auch in Bezug auf "Liebe" anders sozialisiert ist und b) als Bezzi sowieso keine echte Integration in das Leben seiner bemühten Partnerin anstrebt, oder (vorübergehend) nur so weit, wie es seinen wahren Zielen
nützt.
Die verinnerlichte, mitgebrachte Kultur ist zugleich ihre "Identität", ihre Werteskala, ihr Lebensgefühl. Daran klammern sie sich, je ungebildeter sie sind - besonders in der Fremde, wo sie auf ganz andere gelebte Werte treffen. Das Unbekannte macht Angst. In diesen Familien macht ja sowieso auch schon in der Heimat jeder jedem Angst vor irgendwelchen schlimmen Folgen - bei Allah oder bei den enttäuschten Eltern, bei der Familienehre oder bei dem Dorfgeschwätz oder oder oder...
Nur Angst, Drohungen und Repressalien wenn einer es wagen sollte, aus diesem Korsett auszusteigen. Das verträgt sich alles überhaupt nicht mit unseren selbstbestimmten, freiheitlichen Ansichten und Lebensweisen, und deshalb könnte ich - würde ich gefragt -
aufgrund meiner Lebenserfahrungen auf diesem Gebiet niemandem zu Bi-na-Beziehungen oder gar Familiengründungen mit Menschen aus Gegenden raten, die unseren kulturellen Werten und Normen zuwiderlaufen oder viel zu weit entfernt davon sind.
Aber ich habe meine Erfahrungen (gute und ganz fürchterliche - in der Bilanz aber immer: zu inkompatibel, nicht auf Dauer lebbar!) auch selbst gemacht und mich nicht durch "Ratschläge" abhalten lassen - bin allerdings auch ganz gut im "Konsequenzen tragen" (glaub ich).

Nur: was man sich selbst an Konsequenzen zuzumuten und auszuprobieren bereit ist, kann noch ein "ganz anderer Schnack" werden, wenn Kinder ins Spiel kommen - das sollte man sich unbedingt
vorher klar machen!
Der heutige Feiertag war hier düster mit Extremregen bis in den Nachmittag. Ich war trotzdem draußen und hab es genossen: schlammige Flüsse und Bäche mit Hochwasser, satte grüne Wälder und Wiesen, Pfingstrosen zum Selbst-Schneiden vom Acker...
Ich hoffe, Ihr alle hattet es auch schön und könnt jetzt noch den Abend genießen!
heartbeat