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von chavah » 11.05.2022, 15:20
Ich tummle mich ja nun schon seit fast 40 Jahren in Gerichten. Gerade bei Tötungsdelikten, bei denen ja unglaublich aufwendig gearbeitet wird, habe ich keinen Unterschied zwischen der Behandlung von deutschen und nichtdeutschen Tätern feststellen können. Wir haben zwar im Strafmaß ein leichtes Gefälle von Süd nach Nord, ist aber nicht abhängig von der Staatsangehörigkeit. Kritisch ist und wird immer die Unterscheidung von Mord und Totschlag sein, wie also die unbestimmten Rechtsbegriffe auszufüllen sind. Und da sehe ich in den letzten Jahren doch wieder eine stärkere Entwicklung zum Mord in Beziehungstaten, was nach meinem Empfinden auch richtig ist. Aber, was da viel interessanter ist als die Unterscheidung von Mord und Totschlag ist, wie lange der Täter einsitzt, wie es mit anschließender Sicherheitsverwahrung oder Abschiebung aussieht. Ich kenne Fälle, in denen zwar weit geringer geurteilt wurde als ich erwartet habe, gleichzeitig aber die besondere Schwere der Schuld festgestellt und dann auch noch Sicherheitsverwahrung angeordnet wurde.
"Mein" Ärztinnenfall war ein Klassiker, nach eurem Raster. Er ist Muslime, die Frau hatte sich getrennt, er akzeptierte diese Trennung nicht, dann hat er sie erstochen. Der Fall war ein Klassiker, er gewalttätig, sie verdiente das Geld, sie war nicht konsequent genug, mehrere Versöhnungen auf seinen Druck hin, und dann die Katastrophe. Mord, nicht Totschlag, vom BGH kürzlich bestätigt, trotz Beziehungstat.
Man muss sich schon jeden Fall genau angucken. Und mir ist eigentlich der Grund für die Tat einerlei. Jede Tote ist eine zu viel. Nur wie oft in in Akten gelesen habe "und dann hab ich ihm verziehen, wir haben es noch mal versucht," bei offensichtlicher Gewaltbereitschaft, ich kann es nicht mehr zählen. Und diese Vorgeschichten deprimieren mich schon sehr. Ich schreibe es auch hier immer wieder: jemand mit dieser Einstellung, einerlei ob Ausländer oder Deutscher, der ändert sich nicht. Wer einmal anfängt zu prügeln, der tut es immer, immer wieder. Und das Ende kann dann eben auch der Tod sein. Ich wiederhole mich: jeden dritten Tag stirbt eine Frau durch Gewaltanwendung seitens des (Ex)Partners. Kaum einer dieser Fälle hatte keine Vorgeschichte. Es sind eben die Fälle, wie wir sie hier immer wieder und wieder lesen. Wir haben es von der Justiz her nicht in der Hand, zu verhüten. Den ersten Schritt müssen die Frauen alleine gehen, indem sie sich Hilfe holen, Strafanzeigen eben nicht wieder zurück nehmen, weil "ich liebe ihn doch so, und eigentlich ist er ganz anders."
Ich bin auf der Zeit auf der Jagd nach belastbaren Zahlen, was diese Beziehungstötungen angeht. Wie viele davon in den ausländischen Glaubensbereich zu packen sind, wie viele nicht. Ich hoffe, demnächst da was zu haben, zwar nicht für die BRD, wohl aber für einige Gerichtssprengel. Ich bin gespannt.
Chavah