Wenn Jugendämter versagen
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Wenn Jugendämter versagen
Desöfteren schon stellten wir fest, dass Mütter mit binationalen Kindern einen schwereren Stand bei den Behörden und Jugendämtern haben, als andere. Auch diese Geschichten zeigt wiedereinmal, dass es durchaus so sein kann..
Eine Userin bat mich, diesen erschütternden Bericht hier einzustellen.
(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 20.02.2009)
Von Antje Hildebrandt
Sorge, Recht und Streit
Er schrie, klammerte sich an seiner Mutter fest – im Herbst 2006 holte ein Berliner Jugendamt den sieben Jahre alten Ron von zu Hause weg. Seitdem ist er im Heim – aber warum?
Draußen ist es den ganzen Tag nicht richtig hell geworden. Ein Grauschleier liegt über der Stadt, er liegt über dem Haus, in dem sie lebt, und es scheint, als läge er auch hier drinnen, im Kinderzimmer ihres Sohnes. Es brennt kein Licht.
Der Sohn darf diesen Raum nicht betreten, und auch in die Öffentlichkeit darf er nicht, in die Zeitung, er darf nicht erkennbar sein. Der Schutz seiner Persönlichkeitsrechte gebietet das. Deshalb trägt dieser Junge, dessen „Was ist was“-Bücher in den Kinderzimmerregalen verstauben, hier einen erfundenen Namen, seine Mutter und die Geschwister auch. Nennen wir ihn Ron.
Ron muss ein wissbegieriges, ein kreatives Kind gewesen sein, eines mit einer blühenden Phantasie. Was hat er nicht alles gebastelt. Roboter zum Beispiel und Raumschiffe, aus Tonpapier. Karina Meyer, seine Mutter, hat sie in einer Schachtel verwahrt, auch den Kopf eines Indianers, von dem Ron gesagt hat, sie solle ihn gut aufbewahren. Es sei ein Talisman.
Wann er ihn ihr geschenkt hat, weiß sie noch genau. Es war der 23. Oktober 2006, der Vorabend jenes Tages, der ihr Leben verändern sollte. Es war 5 Uhr 35, morgens, als es an ihrer Tür klingelte. Die Uhrzeit erscheint am unteren Rand eines Filmes, den ihre damals 15-jährige Tochter Jasmina geistesgegenwärtig mit der Videokamera gedreht hat. Im Sommer 2008 konnte man Ausschnitte daraus in einem Fernsehfilm sehen. Titel: „Wenn Jugendämter versagen“.
Eine NDR-Journalistin hatte Schicksale von Kindern dokumentiert, die – auch infolge fehlender Kontrolle der Jugendämter – verhungert sind. Oder – wie im Fall Ron – auf Anweisung der Behörden in ein Heim gebracht wurden. Der Film wirft ein Schlaglicht auf ein Problem, von dem Kritiker der staatlichen Kinder- und Jugendhilfe sagen, es sei strukturell bedingt. Hierzulande fehle eine Instanz, die die 600 deutschen Jugendämter kontrolliere. Gesetzeslücken öffneten dem Machtmissbrauch durch Sozialarbeiter Tür und Tor.
Dem Parlament der Europäischen Union liegen inzwischen 200 Petitionen von deutschen Eltern vor, die Jugendämter anprangern, von Menschenrechtsverletzungen ist die Rede. Eine der Petitionen stammt von Karina Meyer.
Sie wohnt in einem Plattenbau an einer vielbefahrenen Straße in Berlin. Sie hat beinahe im Alleingang zwei Töchter groß gezogen. Jasmina, 18, bereitet sich auf ihr Abitur vor, Deborah, 24, studiert. Ron entstammt der Ehe mit einem peruanischen Informatikstudenten, die bereits während der Schwangerschaft in die Brüche geht. Fortan war Karina Meyers Leben das einer alleinerziehenden Mutter, die in die Mühlen der Bürokratie gerät, als sie Schutz beim Jugendamt sucht. Sie ist eine streitbare Frau, die schnell mit Strafanzeigen und Dienstaufsichtsbeschwerden zur Hand ist, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlt. Vielleicht erklärt das, warum aus einem gewöhnlichen Streit um ein Umgangsrecht ein Machtkampf wurde, der darin gipfelte, dass das Jugendamt am 23. Oktober 2006 beim Familiengericht den sofortigen Entzug des Sorgerechts beantragte.
Am selben Tag wurde Ron mit sieben Jahren eingeschult. Viel zu spät, wie das Jugendamt später kritisierte. Dabei kann Karina Meyer beweisen, dass nicht sie es war, die die Einschulung des Sohnes verzögert hatte, sondern das Jugendamt selber.
Es ist nur eines von vielen Beispielen in einer Geschichte, die sich wie eine kafkaeske Parabel auf die Willkür eines Behördenapparates liest. Ein Kind wird aus seiner Familie herausgeholt. Und keiner weiß so recht, warum.
Die Verantwortlichen berufen sich auf ein Gutachten über die Familie Meyer. Sie weigern sich, ihre Entscheidung dem Tagesspiegel gegenüber zu begründen.
Ron ist zwei Jahre alt, als ihm ein Psychologe eine Hochbegabung attestiert. Er leidet an einem Waschzwang, er nässt nachts ein, er schläft schlecht, er hat Angst vor Schmutz und Dunkelheit. Woher dies alles rührt, wurde nie geklärt. Karina Meyer macht ihren Ex-Mann dafür verantwortlich. Sie bemüht sich um Fassung, wenn die Rede auf ihn kommt, versucht, Schuldzuweisungen zu vermeiden, denn Schuldzuweisungen waren es, was sie in diese Sackgasse manövriert hat. Karina Meyer ist vorsichtig geworden.
Sie sagt, dass der Mann das Kind nicht haben wollte. Dass er während der Schwangerschaft gewalttätig geworden sei. Der Sohn ist zwölf Monate alt, als er seinen Vater zum ersten Mal für längere Zeit sieht. Karina Meyer packt den Talisman ihres Sohnes wieder in die Box zurück, als sie von diesem Tag erzählt. „Hinterher war Ron völlig verstört.“
So gerät die Familie in den Blick des Jugendamtes. Karina Meyer überzieht ihren Ex-Mann mit Strafanzeigen. Wiederholt wird in ihre Wohnung eingebrochen, aber die Polizei nimmt keine Fingerabdrücke. Karina Meyer sagt, bei einem der Einbrüche sei Rons Kinderausweis gestohlen worden. Sie steigert sich in die Angst hinein, ihr Ex-Mann könne den Sohn nach Peru entführen. Die Polizei rät ihr, Ron von der Einschulung zurückzustellen. Er soll eine kleine Schule besucht, sicher ist sicher.
Das Jugendamt verspricht, bei der Suche zu helfen, ist aber wenig hilfreich. Detailliert kann Karina Meyer nachweisen, wann und wie oft das Amt sie abgewimmelt oder an falsche Abteilungen in der Schulbehörde weiterverwiesen hat.
Am 24. August landet sie endlich an der richtigen Stelle. Man empfiehlt Meyer, Ron in der Schule des christlichen Kinder- und Jugendwerks „Die Arche“ anzumelden. Bis zu einem Gespräch mit der Schulleiterin und einer schulärztlichen Untersuchung sollen weitere Wochen vergehen.
Am 23. Oktober 2006 also ist endlich Einschulung. Einen Tag später wird Ron frühmorgens abgeholt.
Bernd Siggelkow, Gründer der „Arche“, kennt Familie Meyer. Auf Wunsch der Mutter hat er versucht, bei den Fallkonferenzen zu vermitteln, die das Jugendamt einberufen hat, um die Rückführung des Kindes in seine Familie vorzubereiten.
Schließlich, so steht es im achten Buch des Sozialgesetzbuches, definiert der Gesetzgeber eine Inobhutnahme nur als „vorläufige Unterbringung“. Vorrangiges Ziel der Kinder- und Jugendhilfe ist es, dass „die Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie innerhalb eines im Hinblick auf die Entwicklung des Kinder … vertretbaren Zeitraumes so verbessert werden, dass sie das Kind … wieder selbst erziehen kann.“
„Eine Suche nach Lösungsansätzen hat es aber gar nicht gegeben“, sagt Siggelkow und verweist auf die Protokolle der Sitzungen. „Es ging nur um einseitige Schuldzuweisungen an die Mutter.“
Warum das Jugendamt im Fall Ron bis zum Äußersten ging, steht für Siggelkow außer Frage: „Zwei Wochen vorher ist in Bremen der kleine Kevin tot aufgefunden worden. Die Jugendämter hatten Angst, dass sich ein solcher Fall in ihrem Bereich wiederholt.“
Sie kamen zu elft, zwei Frauen vom Jugendamt, eine Gerichtsvollzieherin und Beamte der Polizei waren auch dabei. Ron schlief noch, er trug eine Schlafanzughose und ein dünnes T-Shirt, als sie ihn aus dem Bett rissen.
In dem Film, den Jasmina gedreht hat, hört man ihn nur schreien. Man sieht nicht, wie er sich an seiner Mutter festklammert. Es dauert beinahe anderthalb Stunden, bis es den Besuchern gelingt, den strampelnden Jungen aus der Wohnung zu tragen.
Wenn Karina Meyer von diesem Tag erzählt, spiegelt sich in ihrem Gesicht eine Mischung aus Ohnmacht, Wut und ungläubigem Staunen. Sie ist eine schmale Mittvierzigerin mit wachen Augen in einem blassen Gesicht. Sie sagt, sie sei jetzt so weit, dass sie manchmal vergesse, welche Jahreszeit draußen herrsche. In ihrem Herzen klaffe ein Loch, doch irgendwie schaffe sie es, den Schmerz auszublenden. Seit jenem Morgen des 24. Oktober 2006 funktioniere sie wie ein Notstromaggregat.
Nicht nur sie macht dieser Fall fassungslos. Nach dem Sozialgesetzbuch dürfen Jugendämter Kinder und Jugendliche nur dann aus den Familien herausnehmen, wenn ihr Wohl akut gefährdet ist. Anhaltspunkte dafür konnte aber keiner der fünf Sachverständigen finden, die sich in Meyers Auftrag mit dem psychologischen Gutachten befasst haben, mit dem das Familiengericht Tempelhof-Kreuzberg im August 2007 den Entzug des Sorgerechts legitimierte.
Die Autorin des Gutachtens, eine Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, attestiert Karina Meyer „eine gemischte Persönlichkeitsstörung mit paranoiden, zwanghaften Zügen“. Meyer bilde sich die Bedrohung durch ihren Ex-Ehemann nur ein. Sie habe ihn verteufelt und die Familie damit in einen Ausnahmezustand gebracht. Über Ron heißt es in dem Gutachten, es handele sich „um ein schwer gestörtes Kind mit vielen Symptomen und Beschwerden, die Krankheitswert haben“. Die Gutachterin hat den Jungen erst nach der Trennung von seiner Familie gesprochen.
Nach Einschätzung des renommierten Psychologie-Professors Dr. Wolfgang Klenner – einer der von Meyer beauftragten Sachverständigen – ist das Gutachten als Beweismittel deshalb untauglich. Meyers Anwälte stellten einen Befangenheitsantrag und erstatteten Strafanzeige gegen die Richterin. Die wiederum teilte Karina Meyer in einem Schreiben mit, dass „von Amts wegen ein Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung des Kindes“ Jasmina Meyer, eine der Töchter, „eingeleitet“ ist. Es sei zu befürchten, dass „eine gesunde Entwicklung“ Jasminas „durch die Ängste ihrer Mutter in hohem Maße gefährdet ist“. Das zuständige Jugendamt sei aufgefordert worden, über die Verhältnisse in der Familie zu berichten.
Carola Storm-Knirsch, die wenig später als Verfahrenspflegerin eingesetzt wurde, kam nach einem Besuch der Familie jedoch zu einem ganz anderen Ergebnis. „Natürlich war das Mädchen verstört. Aber schuld daran war doch eher der Verlust des Bruders.“
Sie habe der Richterin ihre Bedenken mitgeteilt. Und später ist sie von dem Fall entbunden worden.
Heute lebt der Junge in der Mattisburg, einem Kinderheim in der Nähe von Anklam. Hinter den dicken Mauern eines gutshofähnlichen Anwesens ist Ron, der Einserschüler mit einem IQ von 138, zusammen mit autistischen und geistig behinderten Kindern untergebracht. Seine Mutter sieht er nur sporadisch, wenn er Glück hat, alle vier Wochen für drei Stunden. Bis heute gibt es entgegen der gesetzlichen Vorschriften keine schriftliche Regelung für den Umgang.
Wie verzweifelt der Junge ist, lässt eine Tonaufzeichnung erahnen, die seine Schwester Jasmina im Juni 2008 mit einem MP3-Player bei einem Besuch gemacht hat. Man hört einen aufgelösten Ron, der schluchzt: „Ich möchte gar nichts mehr, gar nichts mehr, gar nichts mehr. Ich möchte einfach nicht mehr da sein.“ Wenn man diese Aufnahme hört, versteht man, warum Karina Meyer vor Sorge um Ron kaum noch schlafen kann. Sie sagt, „Ron hat vor unseren Augen versucht, sich ein Messer in den Bauch zu rammen“.
Weiß das Jugendamt von dem Suizidversuch? Anruf bei der Jugendstadträtin, die Dienstherrin des neuen gesetzlichen Vormunds des Jungen ist. Auch mehr als zwei Jahre nach dem Tag, an dem Ron von zu Hause abgeholt wurde, trägt noch immer eine Mitarbeiterin des Jugendamtes das Sorgerecht für Ron.
Diese Konstellation versetzt die Behörde in die Position, eine Berichterstattung über den Fall verbieten zu können. So hat das Jugendamt inzwischen einen Anwalt für Medienrecht engagiert, dem es gelang, die Ausstrahlung des kritischen NDR-Films in der ursprünglichen Version untersagen zu lassen. ZDF-Reporter, die ebenfalls über den Fall Ron berichten wollten, ließen ihre Pläne wieder fallen. Mit der Begründung, „ich muss die Persönlichkeitsrechte des Jungen schützen“, lehnt die Jugendstadträtin auch heute jede Stellungnahme zu dem Fall ab.
Der Berliner Rechtsanwalt Thomas Zebisch, der Karina Meyer seit August 2007 vertritt, macht keinen Hehl daraus, dass ihn dieser Fall auf eine harte Probe stellt. Vergeblich hat er versucht, das Urteil des Familiengerichts anzufechten und beim Kammergericht ein psychologisches Obergutachten zu beantragen. Eine Revision vor dem Bundesgerichtshof wurde nicht zugelassen. Eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht wurde abgewiesen, Zebisch sei ein schwerer Formfehler unterlaufen. Bleibt noch der Gang zum Gerichtshof für Europäische Menschenrechte in Straßburg.
Karina Meyer lebt jetzt allein in ihrer Wohnung. Deborah studiert in Japan, Jasmina ist aus Angst vor dem Jugendamt in die USA geflüchtet. Wo sie steckt, darf keiner wissen. Noch im Juni 2008 hat das Kammergericht auf Anfrage von Anwalt Zebisch bestätigt, dass es eine auf „Heimunterbringung der 17,5 Jahre alten Tochter“ gerichtete Parallelakte gebe. Mittlerweile jedoch sei von Heimunterbringung keine Rede mehr. Jasmina sollte sich aber psychiatrisch behandeln lassen.
Ihre Mutter ist jetzt so weit, dass sie kein Risiko mehr eingeht. Sie sagt, sie werde aber auch keine Ruhe geben. Sogar einer Therapie würde sie sich unterziehen. Doch die Ärztin für Psychotherapie, die ihr nach der Trennung von Ron „eine Anpassungsstörung in Form einer reaktiven Depression“ attestiert hatte, habe es abgelehnt, sie zu behandeln.
In ihrem Gutachten steht, Karina Meyer sei psychisch vollkommen gesund.
Eine Userin bat mich, diesen erschütternden Bericht hier einzustellen.
(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 20.02.2009)
Von Antje Hildebrandt
Sorge, Recht und Streit
Er schrie, klammerte sich an seiner Mutter fest – im Herbst 2006 holte ein Berliner Jugendamt den sieben Jahre alten Ron von zu Hause weg. Seitdem ist er im Heim – aber warum?
Draußen ist es den ganzen Tag nicht richtig hell geworden. Ein Grauschleier liegt über der Stadt, er liegt über dem Haus, in dem sie lebt, und es scheint, als läge er auch hier drinnen, im Kinderzimmer ihres Sohnes. Es brennt kein Licht.
Der Sohn darf diesen Raum nicht betreten, und auch in die Öffentlichkeit darf er nicht, in die Zeitung, er darf nicht erkennbar sein. Der Schutz seiner Persönlichkeitsrechte gebietet das. Deshalb trägt dieser Junge, dessen „Was ist was“-Bücher in den Kinderzimmerregalen verstauben, hier einen erfundenen Namen, seine Mutter und die Geschwister auch. Nennen wir ihn Ron.
Ron muss ein wissbegieriges, ein kreatives Kind gewesen sein, eines mit einer blühenden Phantasie. Was hat er nicht alles gebastelt. Roboter zum Beispiel und Raumschiffe, aus Tonpapier. Karina Meyer, seine Mutter, hat sie in einer Schachtel verwahrt, auch den Kopf eines Indianers, von dem Ron gesagt hat, sie solle ihn gut aufbewahren. Es sei ein Talisman.
Wann er ihn ihr geschenkt hat, weiß sie noch genau. Es war der 23. Oktober 2006, der Vorabend jenes Tages, der ihr Leben verändern sollte. Es war 5 Uhr 35, morgens, als es an ihrer Tür klingelte. Die Uhrzeit erscheint am unteren Rand eines Filmes, den ihre damals 15-jährige Tochter Jasmina geistesgegenwärtig mit der Videokamera gedreht hat. Im Sommer 2008 konnte man Ausschnitte daraus in einem Fernsehfilm sehen. Titel: „Wenn Jugendämter versagen“.
Eine NDR-Journalistin hatte Schicksale von Kindern dokumentiert, die – auch infolge fehlender Kontrolle der Jugendämter – verhungert sind. Oder – wie im Fall Ron – auf Anweisung der Behörden in ein Heim gebracht wurden. Der Film wirft ein Schlaglicht auf ein Problem, von dem Kritiker der staatlichen Kinder- und Jugendhilfe sagen, es sei strukturell bedingt. Hierzulande fehle eine Instanz, die die 600 deutschen Jugendämter kontrolliere. Gesetzeslücken öffneten dem Machtmissbrauch durch Sozialarbeiter Tür und Tor.
Dem Parlament der Europäischen Union liegen inzwischen 200 Petitionen von deutschen Eltern vor, die Jugendämter anprangern, von Menschenrechtsverletzungen ist die Rede. Eine der Petitionen stammt von Karina Meyer.
Sie wohnt in einem Plattenbau an einer vielbefahrenen Straße in Berlin. Sie hat beinahe im Alleingang zwei Töchter groß gezogen. Jasmina, 18, bereitet sich auf ihr Abitur vor, Deborah, 24, studiert. Ron entstammt der Ehe mit einem peruanischen Informatikstudenten, die bereits während der Schwangerschaft in die Brüche geht. Fortan war Karina Meyers Leben das einer alleinerziehenden Mutter, die in die Mühlen der Bürokratie gerät, als sie Schutz beim Jugendamt sucht. Sie ist eine streitbare Frau, die schnell mit Strafanzeigen und Dienstaufsichtsbeschwerden zur Hand ist, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlt. Vielleicht erklärt das, warum aus einem gewöhnlichen Streit um ein Umgangsrecht ein Machtkampf wurde, der darin gipfelte, dass das Jugendamt am 23. Oktober 2006 beim Familiengericht den sofortigen Entzug des Sorgerechts beantragte.
Am selben Tag wurde Ron mit sieben Jahren eingeschult. Viel zu spät, wie das Jugendamt später kritisierte. Dabei kann Karina Meyer beweisen, dass nicht sie es war, die die Einschulung des Sohnes verzögert hatte, sondern das Jugendamt selber.
Es ist nur eines von vielen Beispielen in einer Geschichte, die sich wie eine kafkaeske Parabel auf die Willkür eines Behördenapparates liest. Ein Kind wird aus seiner Familie herausgeholt. Und keiner weiß so recht, warum.
Die Verantwortlichen berufen sich auf ein Gutachten über die Familie Meyer. Sie weigern sich, ihre Entscheidung dem Tagesspiegel gegenüber zu begründen.
Ron ist zwei Jahre alt, als ihm ein Psychologe eine Hochbegabung attestiert. Er leidet an einem Waschzwang, er nässt nachts ein, er schläft schlecht, er hat Angst vor Schmutz und Dunkelheit. Woher dies alles rührt, wurde nie geklärt. Karina Meyer macht ihren Ex-Mann dafür verantwortlich. Sie bemüht sich um Fassung, wenn die Rede auf ihn kommt, versucht, Schuldzuweisungen zu vermeiden, denn Schuldzuweisungen waren es, was sie in diese Sackgasse manövriert hat. Karina Meyer ist vorsichtig geworden.
Sie sagt, dass der Mann das Kind nicht haben wollte. Dass er während der Schwangerschaft gewalttätig geworden sei. Der Sohn ist zwölf Monate alt, als er seinen Vater zum ersten Mal für längere Zeit sieht. Karina Meyer packt den Talisman ihres Sohnes wieder in die Box zurück, als sie von diesem Tag erzählt. „Hinterher war Ron völlig verstört.“
So gerät die Familie in den Blick des Jugendamtes. Karina Meyer überzieht ihren Ex-Mann mit Strafanzeigen. Wiederholt wird in ihre Wohnung eingebrochen, aber die Polizei nimmt keine Fingerabdrücke. Karina Meyer sagt, bei einem der Einbrüche sei Rons Kinderausweis gestohlen worden. Sie steigert sich in die Angst hinein, ihr Ex-Mann könne den Sohn nach Peru entführen. Die Polizei rät ihr, Ron von der Einschulung zurückzustellen. Er soll eine kleine Schule besucht, sicher ist sicher.
Das Jugendamt verspricht, bei der Suche zu helfen, ist aber wenig hilfreich. Detailliert kann Karina Meyer nachweisen, wann und wie oft das Amt sie abgewimmelt oder an falsche Abteilungen in der Schulbehörde weiterverwiesen hat.
Am 24. August landet sie endlich an der richtigen Stelle. Man empfiehlt Meyer, Ron in der Schule des christlichen Kinder- und Jugendwerks „Die Arche“ anzumelden. Bis zu einem Gespräch mit der Schulleiterin und einer schulärztlichen Untersuchung sollen weitere Wochen vergehen.
Am 23. Oktober 2006 also ist endlich Einschulung. Einen Tag später wird Ron frühmorgens abgeholt.
Bernd Siggelkow, Gründer der „Arche“, kennt Familie Meyer. Auf Wunsch der Mutter hat er versucht, bei den Fallkonferenzen zu vermitteln, die das Jugendamt einberufen hat, um die Rückführung des Kindes in seine Familie vorzubereiten.
Schließlich, so steht es im achten Buch des Sozialgesetzbuches, definiert der Gesetzgeber eine Inobhutnahme nur als „vorläufige Unterbringung“. Vorrangiges Ziel der Kinder- und Jugendhilfe ist es, dass „die Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie innerhalb eines im Hinblick auf die Entwicklung des Kinder … vertretbaren Zeitraumes so verbessert werden, dass sie das Kind … wieder selbst erziehen kann.“
„Eine Suche nach Lösungsansätzen hat es aber gar nicht gegeben“, sagt Siggelkow und verweist auf die Protokolle der Sitzungen. „Es ging nur um einseitige Schuldzuweisungen an die Mutter.“
Warum das Jugendamt im Fall Ron bis zum Äußersten ging, steht für Siggelkow außer Frage: „Zwei Wochen vorher ist in Bremen der kleine Kevin tot aufgefunden worden. Die Jugendämter hatten Angst, dass sich ein solcher Fall in ihrem Bereich wiederholt.“
Sie kamen zu elft, zwei Frauen vom Jugendamt, eine Gerichtsvollzieherin und Beamte der Polizei waren auch dabei. Ron schlief noch, er trug eine Schlafanzughose und ein dünnes T-Shirt, als sie ihn aus dem Bett rissen.
In dem Film, den Jasmina gedreht hat, hört man ihn nur schreien. Man sieht nicht, wie er sich an seiner Mutter festklammert. Es dauert beinahe anderthalb Stunden, bis es den Besuchern gelingt, den strampelnden Jungen aus der Wohnung zu tragen.
Wenn Karina Meyer von diesem Tag erzählt, spiegelt sich in ihrem Gesicht eine Mischung aus Ohnmacht, Wut und ungläubigem Staunen. Sie ist eine schmale Mittvierzigerin mit wachen Augen in einem blassen Gesicht. Sie sagt, sie sei jetzt so weit, dass sie manchmal vergesse, welche Jahreszeit draußen herrsche. In ihrem Herzen klaffe ein Loch, doch irgendwie schaffe sie es, den Schmerz auszublenden. Seit jenem Morgen des 24. Oktober 2006 funktioniere sie wie ein Notstromaggregat.
Nicht nur sie macht dieser Fall fassungslos. Nach dem Sozialgesetzbuch dürfen Jugendämter Kinder und Jugendliche nur dann aus den Familien herausnehmen, wenn ihr Wohl akut gefährdet ist. Anhaltspunkte dafür konnte aber keiner der fünf Sachverständigen finden, die sich in Meyers Auftrag mit dem psychologischen Gutachten befasst haben, mit dem das Familiengericht Tempelhof-Kreuzberg im August 2007 den Entzug des Sorgerechts legitimierte.
Die Autorin des Gutachtens, eine Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, attestiert Karina Meyer „eine gemischte Persönlichkeitsstörung mit paranoiden, zwanghaften Zügen“. Meyer bilde sich die Bedrohung durch ihren Ex-Ehemann nur ein. Sie habe ihn verteufelt und die Familie damit in einen Ausnahmezustand gebracht. Über Ron heißt es in dem Gutachten, es handele sich „um ein schwer gestörtes Kind mit vielen Symptomen und Beschwerden, die Krankheitswert haben“. Die Gutachterin hat den Jungen erst nach der Trennung von seiner Familie gesprochen.
Nach Einschätzung des renommierten Psychologie-Professors Dr. Wolfgang Klenner – einer der von Meyer beauftragten Sachverständigen – ist das Gutachten als Beweismittel deshalb untauglich. Meyers Anwälte stellten einen Befangenheitsantrag und erstatteten Strafanzeige gegen die Richterin. Die wiederum teilte Karina Meyer in einem Schreiben mit, dass „von Amts wegen ein Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung des Kindes“ Jasmina Meyer, eine der Töchter, „eingeleitet“ ist. Es sei zu befürchten, dass „eine gesunde Entwicklung“ Jasminas „durch die Ängste ihrer Mutter in hohem Maße gefährdet ist“. Das zuständige Jugendamt sei aufgefordert worden, über die Verhältnisse in der Familie zu berichten.
Carola Storm-Knirsch, die wenig später als Verfahrenspflegerin eingesetzt wurde, kam nach einem Besuch der Familie jedoch zu einem ganz anderen Ergebnis. „Natürlich war das Mädchen verstört. Aber schuld daran war doch eher der Verlust des Bruders.“
Sie habe der Richterin ihre Bedenken mitgeteilt. Und später ist sie von dem Fall entbunden worden.
Heute lebt der Junge in der Mattisburg, einem Kinderheim in der Nähe von Anklam. Hinter den dicken Mauern eines gutshofähnlichen Anwesens ist Ron, der Einserschüler mit einem IQ von 138, zusammen mit autistischen und geistig behinderten Kindern untergebracht. Seine Mutter sieht er nur sporadisch, wenn er Glück hat, alle vier Wochen für drei Stunden. Bis heute gibt es entgegen der gesetzlichen Vorschriften keine schriftliche Regelung für den Umgang.
Wie verzweifelt der Junge ist, lässt eine Tonaufzeichnung erahnen, die seine Schwester Jasmina im Juni 2008 mit einem MP3-Player bei einem Besuch gemacht hat. Man hört einen aufgelösten Ron, der schluchzt: „Ich möchte gar nichts mehr, gar nichts mehr, gar nichts mehr. Ich möchte einfach nicht mehr da sein.“ Wenn man diese Aufnahme hört, versteht man, warum Karina Meyer vor Sorge um Ron kaum noch schlafen kann. Sie sagt, „Ron hat vor unseren Augen versucht, sich ein Messer in den Bauch zu rammen“.
Weiß das Jugendamt von dem Suizidversuch? Anruf bei der Jugendstadträtin, die Dienstherrin des neuen gesetzlichen Vormunds des Jungen ist. Auch mehr als zwei Jahre nach dem Tag, an dem Ron von zu Hause abgeholt wurde, trägt noch immer eine Mitarbeiterin des Jugendamtes das Sorgerecht für Ron.
Diese Konstellation versetzt die Behörde in die Position, eine Berichterstattung über den Fall verbieten zu können. So hat das Jugendamt inzwischen einen Anwalt für Medienrecht engagiert, dem es gelang, die Ausstrahlung des kritischen NDR-Films in der ursprünglichen Version untersagen zu lassen. ZDF-Reporter, die ebenfalls über den Fall Ron berichten wollten, ließen ihre Pläne wieder fallen. Mit der Begründung, „ich muss die Persönlichkeitsrechte des Jungen schützen“, lehnt die Jugendstadträtin auch heute jede Stellungnahme zu dem Fall ab.
Der Berliner Rechtsanwalt Thomas Zebisch, der Karina Meyer seit August 2007 vertritt, macht keinen Hehl daraus, dass ihn dieser Fall auf eine harte Probe stellt. Vergeblich hat er versucht, das Urteil des Familiengerichts anzufechten und beim Kammergericht ein psychologisches Obergutachten zu beantragen. Eine Revision vor dem Bundesgerichtshof wurde nicht zugelassen. Eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht wurde abgewiesen, Zebisch sei ein schwerer Formfehler unterlaufen. Bleibt noch der Gang zum Gerichtshof für Europäische Menschenrechte in Straßburg.
Karina Meyer lebt jetzt allein in ihrer Wohnung. Deborah studiert in Japan, Jasmina ist aus Angst vor dem Jugendamt in die USA geflüchtet. Wo sie steckt, darf keiner wissen. Noch im Juni 2008 hat das Kammergericht auf Anfrage von Anwalt Zebisch bestätigt, dass es eine auf „Heimunterbringung der 17,5 Jahre alten Tochter“ gerichtete Parallelakte gebe. Mittlerweile jedoch sei von Heimunterbringung keine Rede mehr. Jasmina sollte sich aber psychiatrisch behandeln lassen.
Ihre Mutter ist jetzt so weit, dass sie kein Risiko mehr eingeht. Sie sagt, sie werde aber auch keine Ruhe geben. Sogar einer Therapie würde sie sich unterziehen. Doch die Ärztin für Psychotherapie, die ihr nach der Trennung von Ron „eine Anpassungsstörung in Form einer reaktiven Depression“ attestiert hatte, habe es abgelehnt, sie zu behandeln.
In ihrem Gutachten steht, Karina Meyer sei psychisch vollkommen gesund.
Evelyne
www.evelyne-kern.de
Gründerin von 1001Geschichte
Für jede Hilfe, diese Seite am Leben zu erhalten, sind wir sehr dankbar.
https://www.1001geschichte.de/spendenkonto/
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- Registriert: 12.03.2008, 16:43
Oh mein Gott - nach lesen des Berichts bin ich erst mal sprachlos.
Und noch kein Ende abzusehen - ich kann es nicht fassen.
Gibt es wirklich keine Möglichkeit hier mit rechtlichen Schritten gegen diese - wie ich meine - amtliche Willkür vorzugehen?
Wann darf die Mutter ihr Kind wieder in die Arme schließen?
Es macht mich traurig und betroffen.
Renate
Und noch kein Ende abzusehen - ich kann es nicht fassen.
Gibt es wirklich keine Möglichkeit hier mit rechtlichen Schritten gegen diese - wie ich meine - amtliche Willkür vorzugehen?
Wann darf die Mutter ihr Kind wieder in die Arme schließen?
Es macht mich traurig und betroffen.
Renate
Nein - ich gebe niemals auf, auch wenn es noch härter kommt!
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- Registriert: 31.03.2008, 10:18
ich habe gerade einen riesen knoten im magen
wieviel macht gibt man dem jugendamt hier
und dann die richter und andere ämter halten zusammen um einen fehler zu vertuschen???
wo ist da das kindeswohl???? was denken sie, was in so einem kind vorgeht was von einer sekunde zur anderen von der mutter einfach weggeholt wird???? und die mutter nicht im stande ist, was dagegen zu tun, in kindesaugen kann die mutter das kind nicht beschützen obwohl das kind das erwarten wird.
ich wünschte jedem jugendamtmitarbeiter würde das geschehen, damit se auch mal wissen wie es einer mutte dabei geht.
wie weit wird das so gehen, kinder sterben kein jugendamt kräht danach und kinder, die schutz brauchen vor ihren schei..... väter die werden noch von den mütter genomen


wieviel macht gibt man dem jugendamt hier

wo ist da das kindeswohl???? was denken sie, was in so einem kind vorgeht was von einer sekunde zur anderen von der mutter einfach weggeholt wird???? und die mutter nicht im stande ist, was dagegen zu tun, in kindesaugen kann die mutter das kind nicht beschützen obwohl das kind das erwarten wird.
ich wünschte jedem jugendamtmitarbeiter würde das geschehen, damit se auch mal wissen wie es einer mutte dabei geht.
wie weit wird das so gehen, kinder sterben kein jugendamt kräht danach und kinder, die schutz brauchen vor ihren schei..... väter die werden noch von den mütter genomen



Liebe grüße Desertrose
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Gemeinsam sind wir stark!
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- Registriert: 15.08.2008, 13:25
Die Mutter war einfach nur streitbar und wollte sich nicht alles gefallen lassen... Auch ich bin mal wieder im Focus des Jugendamtes: ich habe es "gewagt", eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den für mich zuständigen Sachbearbeiter einzulegen. Die Folge: Das Jugendamt empfiehlt dem Familiengericht, mir die Teilsorge bzgl. des Umgangs zu entziehen. Sonst bestünde die "Gefahr", des völligen Umgangsausschlusses von meiner Seite. So fängt das an und ich habe wirklich Angst, dass die auch noch weiter gehen könnten. Der Tagesspiegel-Artikel zeigt auch, wie ohnmächtig wir gegen diesen Staatsapparat sind.
Chess
Chess
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- Beiträge: 4
- Registriert: 15.08.2008, 13:25
Nein , der Artikel ist nicht eigenartig: Hier steht es doch, warum das Jugendamt auch die 17jährige wegsperren wollte:
"Die wiederum teilte Karina Meyer in einem Schreiben mit, dass „von Amts wegen ein Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung des Kindes“ Jasmina Meyer, eine der Töchter, „eingeleitet“ ist. Es sei zu befürchten, dass „eine gesunde Entwicklung“ Jasminas „durch die Ängste ihrer Mutter in hohem Maße gefährdet ist“. Das zuständige Jugendamt sei aufgefordert worden, über die Verhältnisse in der Familie zu berichten."
Ist wieder typisch: die Mutter kann nicht "vernünftig" auf die Wegnahme ihres Kindes reagieren (WER KANN DENN DAS ÜBERHAUPT???!!!), ist völlig am Boden zerstört und das überträgt sich selbstverständlich auf alle anderen Familienmitglieder. Aber schuld ist dann wieder mal die Mutter und nicht diejenigen, die das Verbrechen begangen haben. Wie irrsinnig das ist!
"Die wiederum teilte Karina Meyer in einem Schreiben mit, dass „von Amts wegen ein Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung des Kindes“ Jasmina Meyer, eine der Töchter, „eingeleitet“ ist. Es sei zu befürchten, dass „eine gesunde Entwicklung“ Jasminas „durch die Ängste ihrer Mutter in hohem Maße gefährdet ist“. Das zuständige Jugendamt sei aufgefordert worden, über die Verhältnisse in der Familie zu berichten."
Ist wieder typisch: die Mutter kann nicht "vernünftig" auf die Wegnahme ihres Kindes reagieren (WER KANN DENN DAS ÜBERHAUPT???!!!), ist völlig am Boden zerstört und das überträgt sich selbstverständlich auf alle anderen Familienmitglieder. Aber schuld ist dann wieder mal die Mutter und nicht diejenigen, die das Verbrechen begangen haben. Wie irrsinnig das ist!
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- Beiträge: 3051
- Registriert: 29.03.2008, 11:59
Dieses Jugendamt scheint eine Ausnahme zu sein. Folgende drei Fälle kenne ich persönlich, da ist es gerade anders gelaufen:
- Eltern geschieden. Die Mutter hat den fünfjährigen Sohn samt Gepäck im Hort abgesetzt, weil sie ihn nicht mehr wollte. Das Jugend hat alles möglich unternommen, dass die Mutter das Kind zurückbekam, erst nachdem sie offensichtlich wahnsinnige Dinge tat, durfte der Vater den Jungen endgültig behalten. Hinzu kommt, dass der Junge nicht zu seiner Mutter will.
- Kind wuchs 7 Jahre beim Vater und Großeltern auf. Mutter hat Persilschein.
Das Kind musste zur Mutter zurück. Das Jugendamt liess Gutachten erstellen etc. Erst als die Kleine sich total verweigerte, erhielt der Vater das Sorgerecht.
- Kind muss zur Mutter trotz ihrer Drogensucht.
Das Verhalten dieses Jugendamtes ist nach meiner Erfahrung nicht üblich.
Der weisse Ringe könnte vielleicht in diesem Fall helfen.
LG Elisa
- Eltern geschieden. Die Mutter hat den fünfjährigen Sohn samt Gepäck im Hort abgesetzt, weil sie ihn nicht mehr wollte. Das Jugend hat alles möglich unternommen, dass die Mutter das Kind zurückbekam, erst nachdem sie offensichtlich wahnsinnige Dinge tat, durfte der Vater den Jungen endgültig behalten. Hinzu kommt, dass der Junge nicht zu seiner Mutter will.
- Kind wuchs 7 Jahre beim Vater und Großeltern auf. Mutter hat Persilschein.
Das Kind musste zur Mutter zurück. Das Jugendamt liess Gutachten erstellen etc. Erst als die Kleine sich total verweigerte, erhielt der Vater das Sorgerecht.
- Kind muss zur Mutter trotz ihrer Drogensucht.
Das Verhalten dieses Jugendamtes ist nach meiner Erfahrung nicht üblich.
Der weisse Ringe könnte vielleicht in diesem Fall helfen.
LG Elisa
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Ich frage mich gerade, gibt es denn keine staatliche Oberaufsicht mit gleichlautenden Richtlinien für die einzelnen Jugendämter?
Kann denn jedes regionale Jugendamt schalten und walten wie es ihm beliebt.?
Wer kontrolliert den da?
Bei uns wird doch sonst Alles und Jedes genauen Kontrollen unterzogen.
Und den Medien wird hier auch noch ein Maulkorb verpasst.
Das ist alles nicht mehr zu verstehen
Renate
Kann denn jedes regionale Jugendamt schalten und walten wie es ihm beliebt.?
Wer kontrolliert den da?
Bei uns wird doch sonst Alles und Jedes genauen Kontrollen unterzogen.
Und den Medien wird hier auch noch ein Maulkorb verpasst.
Das ist alles nicht mehr zu verstehen
Renate
Nein - ich gebe niemals auf, auch wenn es noch härter kommt!
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Kämpfe "in Sachen Umgangsrecht" zu gewinnen , sind wahrlich schwer.Fortan war Karina Meyers Leben das einer alleinerziehenden Mutter, die in die Mühlen der Bürokratie gerät, als sie Schutz beim Jugendamt sucht. Sie ist eine streitbare Frau, die schnell mit Strafanzeigen und Dienstaufsichtsbeschwerden zur Hand ist, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlt. Vielleicht erklärt das, warum aus einem gewöhnlichen Streit um ein Umgangsrecht ein Machtkampf wurde, der darin gipfelte, dass das Jugendamt am 23. Oktober 2006 beim Familiengericht den sofortigen Entzug des Sorgerechts beantragte.
Man sollte sich bewußt machen ,was im Endeffekt passieren kann und wie weit man gehen will.......
Ich will hier niemanden in Schutz nehmen, dafür ist der Fall in der Presse doch zu undurchsichtig, viele Einzelheiten fehlen.....
Aber Fakt ist nun mal , dass das Gesetz stärker ist.
Auch mir wurde Sogerechtsentzug angedroht,wenn ich die Kinder nicht zum Umgang bringe, obwohl der Vater sie zweimal entführt hat.
Die Presse war auch hier bei mir und wollte von den Fall berichten.
Es wurde alles abgesagt....
Arche
Zuletzt geändert von Arche Noah am 23.02.2009, 22:07, insgesamt 1-mal geändert.
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Renate. der Job ist nicht einfach, denn beim Jugend am wird soviel gelogen wie vor Gericht.
Und ich denke, viele Sachbearbeiter sind ganz einfach überfordert.
Denn da gibt es auch die Fraktion, die nie eine Meinung äußert, um ja nicht in die Verantwortung gezogen zu werden.
Renate ein kleines Beispiel: Mutter behauptet, dass der Großvater dem Kind was antun will, deshalb nur begleiteter Umgang.
Der Sachbearbeiter muss das nun zur kenntnis nehmen und er kennt ja den Großvater nicht. Der begleitete Umgang findet statt, was allen beteiligten inklusive Kind nicht guttut. Der Sachbearbeiter hat ja auch eine Menschkenntnis. Es ist im sichtbar peinlich.
Aber was will so ein Menschen machen ?
In wie vielen Fällen wird von Mißbrauch gesprochen, wo es nie einen gab ?
Ich kenne einen Fall, die Mutter wollte nur wegen des Geldes das Kind zurück. Das Mädchen musste auf dem Boden schlafen.
Aber sie wird beim Jugendamt geweint haben, sicherlich hat sie nicht gesagt,dass es wegen Geld ist.
Der Gesetzgeber hat beim Schaffen der Gesetze sicherlich nicht berücksichtigt, dass soviele Eltern irgendwann nicht mehr ganz dicht sind.
Ich habe positive und negative Erfahrungen mit dem Jugendamt, aber es ist mir auch klar, dass der Job wirklich schwierig ist.
Arche kann das sicherlich bestätigen, der Elternteil, der nichts gutes will, wird die netteste Rolle spielen.
LG Elisa
Und ich denke, viele Sachbearbeiter sind ganz einfach überfordert.
Denn da gibt es auch die Fraktion, die nie eine Meinung äußert, um ja nicht in die Verantwortung gezogen zu werden.
Renate ein kleines Beispiel: Mutter behauptet, dass der Großvater dem Kind was antun will, deshalb nur begleiteter Umgang.
Der Sachbearbeiter muss das nun zur kenntnis nehmen und er kennt ja den Großvater nicht. Der begleitete Umgang findet statt, was allen beteiligten inklusive Kind nicht guttut. Der Sachbearbeiter hat ja auch eine Menschkenntnis. Es ist im sichtbar peinlich.
Aber was will so ein Menschen machen ?
In wie vielen Fällen wird von Mißbrauch gesprochen, wo es nie einen gab ?
Ich kenne einen Fall, die Mutter wollte nur wegen des Geldes das Kind zurück. Das Mädchen musste auf dem Boden schlafen.
Aber sie wird beim Jugendamt geweint haben, sicherlich hat sie nicht gesagt,dass es wegen Geld ist.
Der Gesetzgeber hat beim Schaffen der Gesetze sicherlich nicht berücksichtigt, dass soviele Eltern irgendwann nicht mehr ganz dicht sind.
Ich habe positive und negative Erfahrungen mit dem Jugendamt, aber es ist mir auch klar, dass der Job wirklich schwierig ist.
Arche kann das sicherlich bestätigen, der Elternteil, der nichts gutes will, wird die netteste Rolle spielen.
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Entsetzlich, ungeheuerlich, was man diesem Kind und seiner Familie angetan hat. Unfassbar, dass es bisher keine Möglichkeit gegeben hat, diese Entscheidung des Jugendamtes rückgängig zu machen und die dafür Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.
Dem Jungen werden alle Chancen auf Förderung seiner Begabung, auf ein normales, glückliches Familienleben genommen.
Das ist nie wieder gut zu machen. Das ist Kinderknast in übelster Form.
Und die Rolle des peruanischen Vaters? Da wird nichts vom Jugendamt hinterfragt, recherchiert.
Ich bin entsetzt, dass so etwas in unserem Staat möglich ist.
Dem Jungen werden alle Chancen auf Förderung seiner Begabung, auf ein normales, glückliches Familienleben genommen.
Das ist nie wieder gut zu machen. Das ist Kinderknast in übelster Form.
Und die Rolle des peruanischen Vaters? Da wird nichts vom Jugendamt hinterfragt, recherchiert.
Ich bin entsetzt, dass so etwas in unserem Staat möglich ist.
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micky,
da hast du vollkommen recht.
auch wenn die mutter echt schuldig wäre, sie krank oder sonst was wäre, geht es ja ums kindeswohl also wenn keine gefaht in verzug ist, wie tötung oder sonst was schlimmes MÜSSTE zum kindeswohl selbst das wegnehmen von der familie, sehr liebevoll, langsamm, mit sorfalt und behutsam vorgegangen werden um das kind an diese neute situation gewöhnen zu können, das was es jetzt erlebt hat wird für immer ein trauma bleiben.
kein wunder das sie dann noch gestörter als zuvor sind. man darf nicht vergessen das selbst bei misshandlungen, die KINDER TROTZDEM DIE ELTERN LIEBEN und es geht ja wohl hier um das kindeswohl??!!!?? um jegliche gefahr abzuwenden in so einem fall, müsste die familie zum kindeswohl jemand als schutz ins haus holen dürfen als schutz um die wegbringung vernünftig und langsam zu erwirken.
somit könnte man sich auch ein besseres bild von der ganzen familie.
ich frage mich in dem fall, wie hat eine kranke alleinerziehende mutter es geschafft 2 töchter erziehrisch so weit zu bringen das sie studieren oder eine ausbildung machen, am erflog der größeren kindern kann man doch die qualitäten als mutter sehen oder irre ich mich da?
da hast du vollkommen recht.
auch wenn die mutter echt schuldig wäre, sie krank oder sonst was wäre, geht es ja ums kindeswohl also wenn keine gefaht in verzug ist, wie tötung oder sonst was schlimmes MÜSSTE zum kindeswohl selbst das wegnehmen von der familie, sehr liebevoll, langsamm, mit sorfalt und behutsam vorgegangen werden um das kind an diese neute situation gewöhnen zu können, das was es jetzt erlebt hat wird für immer ein trauma bleiben.
kein wunder das sie dann noch gestörter als zuvor sind. man darf nicht vergessen das selbst bei misshandlungen, die KINDER TROTZDEM DIE ELTERN LIEBEN und es geht ja wohl hier um das kindeswohl??!!!?? um jegliche gefahr abzuwenden in so einem fall, müsste die familie zum kindeswohl jemand als schutz ins haus holen dürfen als schutz um die wegbringung vernünftig und langsam zu erwirken.
somit könnte man sich auch ein besseres bild von der ganzen familie.
ich frage mich in dem fall, wie hat eine kranke alleinerziehende mutter es geschafft 2 töchter erziehrisch so weit zu bringen das sie studieren oder eine ausbildung machen, am erflog der größeren kindern kann man doch die qualitäten als mutter sehen oder irre ich mich da?

Liebe grüße Desertrose
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Abschied im Schlafanzug
Das Jugendamt hat einer Mutter ihren Sohn weggenommen - weil er zu spät eingeschult wurde
Quelle: Berliner Zeitung Textarchiv 15.11.2006
Eva Dorothée Schmid
Es klingelte zweimal, dann wurde kurz nach sechs am Morgen die Tür von Heidi S. Wohnung aufgebrochen. Drei Jugendamtsmitarbeiter standen mit Polizisten, einer Gerichtsvollzieherin und dem Schlüsseldienst vor der Wohnung in Hellersdorf, um den siebenjährigen Sohn Dan von Heidi S. abzuholen. Eine Polizistin zerrte den Jungen aus dem Bett. Dan trug nur eine Schlafanzughose und ein dünnes T-Shirt. Die Mitarbeiter des Jugendamts packten keine Kleidung für ihn ein und kein Kuscheltier. Zurück blieben Dans 44-jährige Mutter und seine beiden Schwestern. Warum sie Dan im Morgengrauen abholten, sagten die Jugendamtsmitarbeiter nicht.
Auch drei Wochen nach dem Vorfall gibt es keine wirkliche Erklärung. Die für das Jugendamt Marzahn-Hellersdorf zuständige Stadträtin Manuela Schmidt (Linkspartei) beruft sich auf einen Gerichtsbeschluss. Man sei vor das Familiengericht gezogen, weil Dan bald acht Jahre alt werde und noch nicht zur Schule gegangen sei. Allerdings ist Dan am 23. Oktober zum ersten Mal zur Schule gegangen - einen Tag, bevor er aus seiner Familie gerissen wurde.
Heidi S. sagt, eine Woche zuvor habe eine Schuleingangsuntersuchung bescheinigt, dass mit Dan alles in Ordnung ist. Ein Kind wird eigentlich nur aus seiner Familie genommen, wenn es akut in Gefahr ist. In Dans Kinderzimmer sieht es nicht danach aus. Die mit Dinosauriern verzierte Schultüte lehnt noch an der Wand, im Regal stehen Kinderbücher. Die Wohnung ist sauber. Dans Haustier, die Wanze Stinki, sitzt in ihrem Gurkenglas. Die Nachbarin sagt, Dan sei sehr interessiert an Naturwissenschaft, sie nennt ihn "Little Humboldt". Dans 15-jährige Schwester besucht das Gymnasium, die 21-jährige studiert.
Trotzdem waren vor einem Jahr schon einmal Mitarbeiter des Jugendamts bei Heidi S. Jemand hatte dem Jugendamt erzählt, Dan sei in einem dunklen Raum gefangen und bekomme nichts zu essen. Die Mitarbeiter des Jugendamtes sahen sich die Wohnung an, befragten die Kinder. Alles war in Ordnung. Heidi S. vermutet, dass ihr Ex-Mann sie damals beim Jugendamt verleumdet hat.
In der kurzen Ehe mit dem Vater von Dan gab es viel Gewalt. "Er sagte, ich solle das Kind abtreiben, ist mir sogar auf den Bauch gesprungen", sagt Heidi S. Auch Vergewaltigungen habe es gegeben. Der Mann stand später deshalb vor Gericht, das Verfahren wurde eingestellt. Noch bevor Dan geboren wurde, trennte sich Heidi S. von dessen Vater. Nach der Scheidung kam es zu dem, was man inzwischen als Stalking bezeichnet. Heidi S. berichtet von Telefonterror, Fremden, die stundenlang die Wohnung beobachten, Einbrüchen. "Dans Kinderausweis wurde gestohlen, mein Ex-Mann ließ für ihn illegal die peruanische Staatsbürgerschaft eintragen." Um ihr Kind zu schützen, hat Heidi S. ihre Adresse sperren lassen. Damit der Vater das Kind nicht findet, ließ sie für die Einschulung seinen Vornamen ändern. Seit 2002 hat Heidi S. das alleinige Sorgerecht. Seit einem Jahr bemüht sich auch Dans Vater wieder um das Sorgerecht.
Panische Angst vor dem Ex
Heidi S. hat panische Angst vor ihrem Ex-Mann. Sie sagt, der aus Peru stammende Mann habe Wahrsagerei betrieben und mal geäußert, er kenne das Kind aus einem früheren Leben. Das Kind wolle ihn umbringen - er müsse es vorher töten. Heidi S. sagt, dass Dan wegen der Bedrohungen traumatisiert ist. Deswegen sei er von der Einschulung zurückgestellt gewesen und habe eine Therapie begonnen.
In diesem Jahr wollte Heidi S. ihren Sohn einschulen lassen - in eine sichere Schule. Eine, wo die Türen abgeschlossen werden. Seit Monaten habe sie das Jugendamt um Hilfe gebeten. Bekommen habe sie nur die Auskunft eines Schulamtsmitarbeiters, das Kind solle halt erstmal zu Hause bleiben. Die Nachbarin, die bei dem Termin dabei war, bestätigt das. Schließlich schulte Heidi S. ihren Jungen in die private Arche-Schule ein. An Dans erstem Schultag entschied das Familiengericht.
In dem Beschluss steht, ob, wann und wo das Jugendamt von der Herausgabeanordnung Gebrauch mache, werde "in sein pflichtgemäßes, das Kindeswohl besonders berücksichtigende Ermessen gestellt". Die Jugendstadträtin sagt, das Amt habe keine Wahl gehabt. Der Anwalt von Familie S. hält das Urteil "für eine Ungeheuerlichkeit." Eine Begründung für den Entzug des Kindes fehle, die Maßnahme sei absolut unverhältnismäßig. Er hat Rechtsmittel eingelegt und gegen die Mitarbeiter des Jugendamts eine Dienstaufsichtsbeschwerde eingeleitet. In ihrer Verzweiflung hat sich Heidi S. auch an Bernd Siggelkow, Betreiber der Kinderhilfe-Einrichtung Arche, gewandt. Auch er versteht nicht, warum das Kind aus der Familie gerissen wurde.
"Ich finde das ganze Vorgehen sehr fragwürdig", sagt der Pfarrer. Der Junge brauche jetzt sicher nochmal eine Therapie, um das zu verarbeiten. Wahrscheinlich liege es an Fällen wie dem des misshandelten Kevin, dass das Jugendamt so drastisch vorgehe. "Wie bei Kevin schaut das Jugendamt auch bei uns nicht richtig hin", sagt Heidi S. Dadurch werde das Wohl ihres Kindes geschädigt. Ihr wird nun vorgeworfen, Dan höre nicht richtig, sie sei nicht mit ihm zum Arzt gegangen. "Bevor er mir weggenommen wurde, war alles in Ordnung, das zeigt die Schuleingangsuntersuchung", sagt sie. Das Kind sei durch das Vorgehen des Jugendamts traumatisiert, das laste man jetzt ihr an. Bis das Gutachten fertig ist, das feststellen soll, ob ihr Verhalten für das Wohl des Kindes schädlich ist, dauere es noch bis zu drei Monate. So lange wird Dan nicht nach Hause kommen.
------------------------------
Das Wohl des Kindes
Die Rechtsgrundlage für die Arbeit der Jugendämter in Deutschland ist das Achte Buch des Sozialgesetzbuchs (SBG VII). Es regelt die Kinder- und Jugendhilfe.
Die Inobhutnahme von Kindern oder Jugendlichen durch das Jugendamt ist in § 42 des SGB VIII geregelt. In Notsituationen dürfen demnach Kinder vom Jugendamt vorläufig in Heimen oder anderswo untergebracht werden. Wenn die Personen, die das Sorgerecht haben, damit nicht einverstanden sind, muss ein Gerichtsbeschluss vorliegen.
Vorgeschrieben ist die Inobhutnahme laut Sozialgesetzbuch, wenn eine "dringende Gefahr für das Wohl des Kindes" vorliegt. Das Kindeswohl steht im Mittelpunkt aller Entscheidungen.
Ob eine Kindeswohlgefährdung vorliegt, ist eine der schwierigsten Entscheidungen, die Jugendämter zu treffen haben. Meist werden vier Formen der Gefährdung unterschieden: Die Vernachlässigung eines Kindes, körperliche Misshandlungen, seelische Misshandlungen oder sexueller Missbrauch des Kindes.
Oft gibt es nur Anhaltspunkte dafür, ob ein Kind vernachlässigt oder misshandelt wird. In Katalogen, mit denen Jugendamtsmitarbeiter arbeiten, gehören auch "häufiges Fehlen in der Schule", "Isolation des Kindes" oder eine "familiäre Überforderungssituation" zu diesen Anhaltspunkten.
Nach Inobhutnahmen kommen die Kinder in Kriseneinrichtungen, wo sich Sozialarbeiter und Psychologen um sie kümmern. Normalerweise sollen die Kinder dort nicht länger als drei Monate bleiben.
Was danach passiert, sollen Behörden, Sozialarbeiter und Familiengerichte in diesen drei Monaten entschieden haben. Haben sich die Verhältnisse zu Hause gebessert, kommen die Kinder zurück in ihre Familie. Sonst bleiben sie in einem Heim oder wachsen in einer Pflegefamilie auf.
Das Sorgerecht darf den Eltern nur dann entzogen werden, wenn andere Maßnahmen erfolglos geblieben sind oder wenn anzunehmen ist, dass sie zur Abwendung der Gefahr nicht ausreichen.
------------------------------
Zitiert
"Ich war mehrmals auf dem Jugendamt und wollte wissen, was sie mir vorwerfen. Sie konnten mir aber keinen Grund nennen. Sie sagten, sie müssten erst ein Gutachten abwarten."
Heidi S., Mutter von Dan
"Es gab für die Mutter immer wieder Hinweise, dass der Junge zur Schule gehen muss. Sie hat ihn nur in Erwartung dessen, was kommt, einen Tag vor der Wegnahme zur Schule gebracht."
Manuela Schmidt, Jugendstadträtin Marzahn-Hellersdorf
Kinderklau - Kindeswegnahme durch das Jugendamt
Das Jugendamt hat einer Mutter ihren Sohn weggenommen - weil er zu spät eingeschult wurde
Quelle: Berliner Zeitung Textarchiv 15.11.2006
Eva Dorothée Schmid
Es klingelte zweimal, dann wurde kurz nach sechs am Morgen die Tür von Heidi S. Wohnung aufgebrochen. Drei Jugendamtsmitarbeiter standen mit Polizisten, einer Gerichtsvollzieherin und dem Schlüsseldienst vor der Wohnung in Hellersdorf, um den siebenjährigen Sohn Dan von Heidi S. abzuholen. Eine Polizistin zerrte den Jungen aus dem Bett. Dan trug nur eine Schlafanzughose und ein dünnes T-Shirt. Die Mitarbeiter des Jugendamts packten keine Kleidung für ihn ein und kein Kuscheltier. Zurück blieben Dans 44-jährige Mutter und seine beiden Schwestern. Warum sie Dan im Morgengrauen abholten, sagten die Jugendamtsmitarbeiter nicht.
Auch drei Wochen nach dem Vorfall gibt es keine wirkliche Erklärung. Die für das Jugendamt Marzahn-Hellersdorf zuständige Stadträtin Manuela Schmidt (Linkspartei) beruft sich auf einen Gerichtsbeschluss. Man sei vor das Familiengericht gezogen, weil Dan bald acht Jahre alt werde und noch nicht zur Schule gegangen sei. Allerdings ist Dan am 23. Oktober zum ersten Mal zur Schule gegangen - einen Tag, bevor er aus seiner Familie gerissen wurde.
Heidi S. sagt, eine Woche zuvor habe eine Schuleingangsuntersuchung bescheinigt, dass mit Dan alles in Ordnung ist. Ein Kind wird eigentlich nur aus seiner Familie genommen, wenn es akut in Gefahr ist. In Dans Kinderzimmer sieht es nicht danach aus. Die mit Dinosauriern verzierte Schultüte lehnt noch an der Wand, im Regal stehen Kinderbücher. Die Wohnung ist sauber. Dans Haustier, die Wanze Stinki, sitzt in ihrem Gurkenglas. Die Nachbarin sagt, Dan sei sehr interessiert an Naturwissenschaft, sie nennt ihn "Little Humboldt". Dans 15-jährige Schwester besucht das Gymnasium, die 21-jährige studiert.
Trotzdem waren vor einem Jahr schon einmal Mitarbeiter des Jugendamts bei Heidi S. Jemand hatte dem Jugendamt erzählt, Dan sei in einem dunklen Raum gefangen und bekomme nichts zu essen. Die Mitarbeiter des Jugendamtes sahen sich die Wohnung an, befragten die Kinder. Alles war in Ordnung. Heidi S. vermutet, dass ihr Ex-Mann sie damals beim Jugendamt verleumdet hat.
In der kurzen Ehe mit dem Vater von Dan gab es viel Gewalt. "Er sagte, ich solle das Kind abtreiben, ist mir sogar auf den Bauch gesprungen", sagt Heidi S. Auch Vergewaltigungen habe es gegeben. Der Mann stand später deshalb vor Gericht, das Verfahren wurde eingestellt. Noch bevor Dan geboren wurde, trennte sich Heidi S. von dessen Vater. Nach der Scheidung kam es zu dem, was man inzwischen als Stalking bezeichnet. Heidi S. berichtet von Telefonterror, Fremden, die stundenlang die Wohnung beobachten, Einbrüchen. "Dans Kinderausweis wurde gestohlen, mein Ex-Mann ließ für ihn illegal die peruanische Staatsbürgerschaft eintragen." Um ihr Kind zu schützen, hat Heidi S. ihre Adresse sperren lassen. Damit der Vater das Kind nicht findet, ließ sie für die Einschulung seinen Vornamen ändern. Seit 2002 hat Heidi S. das alleinige Sorgerecht. Seit einem Jahr bemüht sich auch Dans Vater wieder um das Sorgerecht.
Panische Angst vor dem Ex
Heidi S. hat panische Angst vor ihrem Ex-Mann. Sie sagt, der aus Peru stammende Mann habe Wahrsagerei betrieben und mal geäußert, er kenne das Kind aus einem früheren Leben. Das Kind wolle ihn umbringen - er müsse es vorher töten. Heidi S. sagt, dass Dan wegen der Bedrohungen traumatisiert ist. Deswegen sei er von der Einschulung zurückgestellt gewesen und habe eine Therapie begonnen.
In diesem Jahr wollte Heidi S. ihren Sohn einschulen lassen - in eine sichere Schule. Eine, wo die Türen abgeschlossen werden. Seit Monaten habe sie das Jugendamt um Hilfe gebeten. Bekommen habe sie nur die Auskunft eines Schulamtsmitarbeiters, das Kind solle halt erstmal zu Hause bleiben. Die Nachbarin, die bei dem Termin dabei war, bestätigt das. Schließlich schulte Heidi S. ihren Jungen in die private Arche-Schule ein. An Dans erstem Schultag entschied das Familiengericht.
In dem Beschluss steht, ob, wann und wo das Jugendamt von der Herausgabeanordnung Gebrauch mache, werde "in sein pflichtgemäßes, das Kindeswohl besonders berücksichtigende Ermessen gestellt". Die Jugendstadträtin sagt, das Amt habe keine Wahl gehabt. Der Anwalt von Familie S. hält das Urteil "für eine Ungeheuerlichkeit." Eine Begründung für den Entzug des Kindes fehle, die Maßnahme sei absolut unverhältnismäßig. Er hat Rechtsmittel eingelegt und gegen die Mitarbeiter des Jugendamts eine Dienstaufsichtsbeschwerde eingeleitet. In ihrer Verzweiflung hat sich Heidi S. auch an Bernd Siggelkow, Betreiber der Kinderhilfe-Einrichtung Arche, gewandt. Auch er versteht nicht, warum das Kind aus der Familie gerissen wurde.
"Ich finde das ganze Vorgehen sehr fragwürdig", sagt der Pfarrer. Der Junge brauche jetzt sicher nochmal eine Therapie, um das zu verarbeiten. Wahrscheinlich liege es an Fällen wie dem des misshandelten Kevin, dass das Jugendamt so drastisch vorgehe. "Wie bei Kevin schaut das Jugendamt auch bei uns nicht richtig hin", sagt Heidi S. Dadurch werde das Wohl ihres Kindes geschädigt. Ihr wird nun vorgeworfen, Dan höre nicht richtig, sie sei nicht mit ihm zum Arzt gegangen. "Bevor er mir weggenommen wurde, war alles in Ordnung, das zeigt die Schuleingangsuntersuchung", sagt sie. Das Kind sei durch das Vorgehen des Jugendamts traumatisiert, das laste man jetzt ihr an. Bis das Gutachten fertig ist, das feststellen soll, ob ihr Verhalten für das Wohl des Kindes schädlich ist, dauere es noch bis zu drei Monate. So lange wird Dan nicht nach Hause kommen.
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Die Rechtsgrundlage für die Arbeit der Jugendämter in Deutschland ist das Achte Buch des Sozialgesetzbuchs (SBG VII). Es regelt die Kinder- und Jugendhilfe.
Die Inobhutnahme von Kindern oder Jugendlichen durch das Jugendamt ist in § 42 des SGB VIII geregelt. In Notsituationen dürfen demnach Kinder vom Jugendamt vorläufig in Heimen oder anderswo untergebracht werden. Wenn die Personen, die das Sorgerecht haben, damit nicht einverstanden sind, muss ein Gerichtsbeschluss vorliegen.
Vorgeschrieben ist die Inobhutnahme laut Sozialgesetzbuch, wenn eine "dringende Gefahr für das Wohl des Kindes" vorliegt. Das Kindeswohl steht im Mittelpunkt aller Entscheidungen.
Ob eine Kindeswohlgefährdung vorliegt, ist eine der schwierigsten Entscheidungen, die Jugendämter zu treffen haben. Meist werden vier Formen der Gefährdung unterschieden: Die Vernachlässigung eines Kindes, körperliche Misshandlungen, seelische Misshandlungen oder sexueller Missbrauch des Kindes.
Oft gibt es nur Anhaltspunkte dafür, ob ein Kind vernachlässigt oder misshandelt wird. In Katalogen, mit denen Jugendamtsmitarbeiter arbeiten, gehören auch "häufiges Fehlen in der Schule", "Isolation des Kindes" oder eine "familiäre Überforderungssituation" zu diesen Anhaltspunkten.
Nach Inobhutnahmen kommen die Kinder in Kriseneinrichtungen, wo sich Sozialarbeiter und Psychologen um sie kümmern. Normalerweise sollen die Kinder dort nicht länger als drei Monate bleiben.
Was danach passiert, sollen Behörden, Sozialarbeiter und Familiengerichte in diesen drei Monaten entschieden haben. Haben sich die Verhältnisse zu Hause gebessert, kommen die Kinder zurück in ihre Familie. Sonst bleiben sie in einem Heim oder wachsen in einer Pflegefamilie auf.
Das Sorgerecht darf den Eltern nur dann entzogen werden, wenn andere Maßnahmen erfolglos geblieben sind oder wenn anzunehmen ist, dass sie zur Abwendung der Gefahr nicht ausreichen.
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Zitiert
"Ich war mehrmals auf dem Jugendamt und wollte wissen, was sie mir vorwerfen. Sie konnten mir aber keinen Grund nennen. Sie sagten, sie müssten erst ein Gutachten abwarten."
Heidi S., Mutter von Dan
"Es gab für die Mutter immer wieder Hinweise, dass der Junge zur Schule gehen muss. Sie hat ihn nur in Erwartung dessen, was kommt, einen Tag vor der Wegnahme zur Schule gebracht."
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Hi,
ich hab letztes Jahr diese Reportage im TV gesehen,
bin seit gestern,als ich den Artikel hier gelesen habe, am grübeln.
Irgendwas war da nicht ganz koscher in Bezug auf die Einschulung.
Ich hatte mich teilweise nur über die Mutter gewundert.
Da war auch noch irgendwas anderes,warum die Mutter sich ans JA wandte.
Ich weiss nur noch, das ich gedacht habe,
"Da sieht die ganze Sache doch schon wieder ganz anders aus".
Vielleicht wirds ja noch mal wiederholt.
Barbara
ich hab letztes Jahr diese Reportage im TV gesehen,
bin seit gestern,als ich den Artikel hier gelesen habe, am grübeln.
Irgendwas war da nicht ganz koscher in Bezug auf die Einschulung.
Ich hatte mich teilweise nur über die Mutter gewundert.
Da war auch noch irgendwas anderes,warum die Mutter sich ans JA wandte.
Ich weiss nur noch, das ich gedacht habe,
"Da sieht die ganze Sache doch schon wieder ganz anders aus".
Vielleicht wirds ja noch mal wiederholt.
Barbara